Wittgenstein/Winterberg/Willingen. Die Leistungssport-Reform des DOSB trifft die Athleten aus Wittgenstein und dem Sauerland hart. Sportdirektor Jochen Behle übt harsche Kritik.

Die Trainerklausuren und Gespräche zur Vergabe der Plätze in den Skisport-Bundeskadern waren aus Sicht des Bundesstützpunkts Winterberg/Willingen nicht allzu erbaulich. Verglichen mit den Vorjahren kommen deutlich weniger Skisportler aus Westdeutschland in den Genuss der intensiven Förderung durch den Dachverband, der verbunden ist mit Einladungen zu Trainingslagern, finanziellen Hilfen, der Versorgung mit spezifischem Equipment und Betreuung durch hochqualifizierte Trainer.

Unerfreulich sind die Kaderlisten besonders aus Wittgensteiner Sicht, denn auf ihnen findet sich kein Sportler mehr aus dem Raum Bad Berleburg, Bad Laasphe oder Erndtebrück. Die Gespräche zum Skisprung stehen zwar noch aus, doch in dieser Sparte ist kein Wittgensteiner Verein aktiv.

Trainingsgruppen werden elitärer

Einer fließt aber zumindest noch in die Statistik ein: Jan Stölben, der in der vergangenen Saison bis hinauf zum Weltcup noch für den SK Wunderthausen aktiv war, ab dem 1. Juli aber wieder dem SLV Ernstberg (Rheinland-Pfalz) angehört. „Er behält den Perspektivkader-Status und wird uns noch zugerechnet“, sagt Jochen Behle, Sportdirektor des Westdeutschen und Hessischen Skiverbandes, über den in Winterberg und Wunderthausen ausgebildeten Skilangläufer.

Nur knapp durchs Raster gefallen sind Lou Delgado (SKG Gersfeld) und Ilva Kesper (SC Willingen). „Sie war Fünfte in ihrem Jahrgang, aber man hat nur drei genommen“, verrät Behle, wie knapp die Sache bei Kesper war. In den vergangenen Jahren wäre die inzwischen in Oberstdorf trainierende Sportlerin wohl „drin“ gewesen, doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert im Deutschen Skiverband.

Die Leistungssport-Reform des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) schlägt voll durch. Sie sieht eine Konzentration und damit eine Reduktion der Kaderplätze vor – teilweise um bis zu 40 Prozent. Mit anderen Worten: Die Gruppen werden elitärer – es wird nur berücksichtigt, wem der Sprung in die Weltspitze zugetraut wird.

„So gut wie jeder Verband kritisiert diese neue Struktur. Auch wir halten sie für kontraproduktiv“, schimpft Jochen Behle. Er prognostiziert: „Es werden viele Sportler einfach aufhören.“ Dies seien Athleten, die im zweiten Anlauf vielleicht noch durchgestartet wären oder zumindest die verbandsinterne Konkurrenz geschürt hätten. Ein Problem sei nun, dass die Unterstützung für Athleten außerhalb der Kader schwierig sei. Die hohen Kosten des Hochleistungsskisports – allein schon durch viele Reisen bedingt – seien außerhalb der Förderung nicht immer stemmbar.

Schwerpunkt auf den Sprung

„In den vergangenen Jahren sind neue Disziplinen dazugekommen, etwas das Skispringen und die Kombination der Frauen oder der Monobob. Es gibt aber nicht mehr Behördenstellen als vorher“, sagt Behle.

Ein Sportler, den dies betreffen könnte, ist der Nordische Kombinierer Lenard Kersting vom SK Winterberg. Er ist trotz zweier Tagessiege im Alpencup sowie Platz drei in der Gesamtwertung dieser internationalen Serie – und dies trotz einer längeren Verletzung – erneut nicht im Bundeskader. „Da hat man von mangelnder Perspektive gesprochen. Man hat einen neuen Schwerpunkt, wünscht sich eine gewisse Sprunglastigkeit“, beschreibt Behle die Argumentation des DSV.

Kersting, der seine Stärken in der Ausdauer hat, wolle seine Karriere zwar fortsetzen und wieder angreifen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, sei für den Westdeutschen Skiverband aber schwierig. „Er muss eigentlich den Stützpunkt wechseln, um auf Großschanzen zu trainieren, sich einer entsprechenden Trainingsgruppe anschließen. Das macht aber nur Sinn, wenn er da wirklich unterstützt wird. Das gestaltet sich im Moment schwierig“, berichtet Behle.

Nicht mehr im Nachwuchs-Bundeskader sind Mika Wunderlich und Sean Steenbakkers vom SC Rückershausen. „Beide sind im Randbereich und wären vor der Reform wohl dabei gewesen“, berichtet Behle. Doch anders als bei Kersting stellen sich bei den SCR-Kombinierern noch keine Grundsatzfragen, denn beide gehen ohnehin noch ein Jahr zur Schule.

Marie Nähring wird befördert

Positives gibt es von den „Kombinierten“ aber auch: Schülersportlerin Anna Himmelreich (SK Winterberg) ist in den Nachwuchskader 2 berufen worden. Ihre Vereinskameradin Marie Nähring wird nach Erfolgen beim Sommer-Grand-Prix sowie beim EYOF-Festival in den Frauen-Perspektivkader, direkt unterhalb des Weltcups, befördert.

Und wie sieht es beim Biathlon aus? Die frühere Staffel-Weltmeisterin Maren Hammerschmidt (SK Winterberg) fällt nach ihrem Karriereende aus der Stützpunktbilanz heraus. Linus Kesper (SC Willingen) zählt ab jetzt zum Nachwuchskader 1, weitere heimische Sportler spielten keine größere Rolle bei den Überlegungen. Deshalb die Flinte ins Korn werfen wollen die Asse des VfL Bad Berleburg, Lilli Bultmann und Ansgar Klein, aber nicht.

„Beim Biathlon sind teilweise sogar nur die Jahrgangsbesten genommen worden. Linus profitiert davon, dass es einen Schwerpunkt auf den Teilbereich Lauf gibt. Diese Ausrichtung macht für mich auch Sinn“, sagt Behle mit Blick auf den Weltcup, in dem die Deutschen läuferisch oft hinterhinken. Der mit drei Jugend-DM-Medaillen dekorierte Vitus Vonnahme (SC Neuastenberg/Langewiese) komme altersmäßig erst im kommenden Jahr für den Bundeskader in Betracht.

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