Berghausen. Dieter Rehberg spricht über die Situation der Schützen, den Spagat zwischen Tradition und Sport und die Schützenfest-Perspektiven für den Sommer.

Das Schützenwesen ist auch von Geselligkeit und großen Zusammenkünften geprägt – und deshalb von der Coronakrise recht stark betroffen. Der Berghäuser Dieter Rehberg, Präsident des Westfälischen Schützenbundes, spricht darüber im Interview mit unserer Zeitung und erläutert auch den Spagat zwischen Tradition und Sport sowie die teils sehr unterschiedlichen Ausrichtung der Schützenvereine in der Region.

Herr Rehberg, wo stehen Schießsport und Schützenvereine in Zeiten des zweiten Corona-Winters?

Hans-Dieter Rehberg Das ist ein echtes Problem, gerade was die Tradition in unserem Verband angeht. Den Schießsport haben wir teilweise wieder aktivieren können. Wir haben sehr große Umbaumaßnahmen auf den Schießständen vorgenommen, haben Abstandsregel, Trennwände, hygienische Voraussetzungen geschaffen. Trotzdem wurden Meisterschaften abgebrochen und untersagt. Im Traditionsbereich haben wir auch nur Kleinstveranstaltungen in den Ortschaften gemacht.

Durch Festzüge, so wie hier im Sommer 2019 beim Schützenfest in Erndtebrück, sind die Schützenvereine in der Pandemie nicht mehr sichtbar.
Durch Festzüge, so wie hier im Sommer 2019 beim Schützenfest in Erndtebrück, sind die Schützenvereine in der Pandemie nicht mehr sichtbar. © Unbekannt | Peter Kehrle

Zum Beispiel?

Beispielsweise haben wir mit einer fahrenden Theke an einigen Stellen im Ort bei Musik Bier ausgeschenkt, am Schützenfesttermin die Fähnchen aufgehängt oder ein kleines Konzert im Schützenhaus organisiert.

Zur Person: Betriebswirt, Schütze, Fußballer und Golfer

Hans-Dieter Rehberg wird im allgemeinen nur „Dieter“ genannt, ist 72 Jahre alt und stammt aus Berghausen. Nach beruflicher Tätigkeit als Betriebswirt und Kaufmann in Düsseldorf ist er dorthin zurück gekehrt. Präsident des Westfälischen Schützen-Bundes ist er seit 2017. Zuvor war er seit 2001 Vizepräsident und von 1985 an für 20 Jahre Vorsitzender des Schützenvereins Berghausen.Rehberg ist Mitglied im Landtagsausschuss „Großveranstaltungen“ sowie in der „Gründungsgruppe Ehrenamts-Strategie NRW“ und „Netzwerk NRW“ der Staatskanzlei.Als Nachwuchs-Sportschütze war er Jugendkreismeister mit dem Luftgewehr. Außerdem spielte er Fußball, Tennis und Golf (u.a. in der 2. Liga).Größtes sportliches Erlebnis: Rehberg wurde von der Zeitung „Welt am Sonntag“ als Golfer des Jahres ausgezeichnet, nachdem er beim Golfclub Schmallenberg auf einem Par 5-Loch schon mit dem zweiten Schlag eingelocht hatte.

Dabei ging es einfach darum, dass die Menschen sehen sollten, dass der Schützenverein ist noch vorhanden ist. Wir haben auch in den Vereinen vieles für andere Menschen gemacht, für in Not befindliche Menschen. Wenn man vorausschaut auf dieses Jahr, haben wir jetzt schon große Bauchschmerzen, weil wir schon viele Veranstaltungen in unserem Landesleistungszentrum in Dortmund absagen mussten.

Auf der Homepage des WSB sind die meisten Vorstandsmitglieder im grünen Schützenrock abgebildet. Steht das dafür, dass der Verband eher der Tradition zugewandt ist als dem Sportschießen?

Wir haben ungefähr 85000 Mitglieder, davon sind zwei Drittel Traditionsleute, ein Drittel sind aus dem Sportschützenbereich. Ich sehe mich nicht als Vertreter der Tradition oder als Vertreter des Sports, ich sehe mich als Vertreter des Westfälischen Schützen-Bundes. Der Präsident und die Vorstandsmitglieder haben traditionell einen grünen Rock an mit dem Emblem des Verbandes. Das hat nichts damit zu tun, ob Tradition oder Sport.

Das heißt, der WSB schafft den Spagat zwischen Tradition und Sport? Wie ist das Verhältnis zwischen den beiden Säulen des Verbandes?

Das ist gut. Wir haben in den Vereinen immer wieder die Abteilung Schießsport. Mal ist das ausgeprägter, mal weniger stark. Das traditionelle Schießen, zum Beispiel Vogelschießen, gehört in den Bereich der Tradition. Beides gehört zusammen. Man kann nicht sagen, wir machen nur Tradition und die anderen machen nur Sport. Im Münsterland gibt es aber einige reine Sportabteilungen. Da gibt es keine Schützenfeste und das ganze Drum und Dran. Aber das ist die Ausnahme.

Hat die Frage Sport oder Tradition mit einem Stadt-Land-Gefälle zu tun?

Gerade in den Städten haben wir in den letzten Jahren sehr viele Mitglieder verloren. Das hat viele Hintergründe. Zum Beispiel, dass eine Festivität in einer Stadt anders aufzubauen ist als auf dem Land. Nehmen wir allein den sonntäglichen Festzug, den man beim Schützenfest kennt. Der geht auch schonmal über eine Hauptstraße. Das ist heutzutage sehr aufwendig bei der Genehmigung. Auf dem Land funktioniert das noch, in der Stadt nicht mehr. Da hat sich viel verändert. Man sieht das in Siegen. Früher hatten wir dort zehn Schützenvereine, heute sind da nur noch ein oder zwei. Im Altkreis Wittgenstein funktioniert das mit den Schützenfesten noch. Genauso wie drüben im „Kölschen“; das Sauerland ist erzkatholisch. Das ist eine andere Welt. Der Sauerländische Schützenbund ist sehr stark kirchengeprägt.

Sie haben es schon angedeutet, dass der WSB viele Mitglieder verloren hat. Laut Statistik sind das zwischen 2010 und 2021 15000 Mitglieder gewesen. Verteilt sich der Verlust sowohl auf Tradition als auch auf Sport?

In der Tradition haben wir schon einiges mehr verloren. Und wir verlieren in der Tradition auch immer wieder. Das hat mit dem Stadt-Land-Gefälle zu tun. Und das hat etwas mit der Altersstruktur zu tun. Beim Sport ist es so, dass ein Sportler sich relativ früh entscheidet, welchen Sport er als junger Mensch betreiben möchte. Beim Schießsport muss man 12 Jahre alt sein, um überhaupt ein Sportgerät in die Hand nehmen zu dürfen. In diesem Alter hat sich das sportliche Interesse schon ausgebildet. Da kommt der Schießsport natürlich sehr spät. Wir merken das bei der gesamten Talentsuche. Auf dem Land ist es einfacher. Da nimmt einen ein Freund mal mit, und man bleibt möglicherweise dabei. In der Stadt ist das anders. Da ist es schwierig, den Zugang zum Schießsport zu finden, weil die Schützenvereine, die es in der Stadt gibt, zum Großteil überaltern. Nur am Rande der Städte funktioniert das besser. Die Stadt ist für den Schießsport alles andere als gut.

Stichwort Nachwuchssuche. Gibt es ein Programm vom WSB, oder ist es eher der Zufall, wie Sie sagen, wenn der Freund jemanden mitbringt?

Wenn mich jemand an die Hand nimmt, ist es immer einfacher, einen Zugang zu finden, als durch irgendeine Aktion. Wir machen alle Jahre wieder Aktionen, laden in die Schießsportanlagen ein. Natürlich gewinnen wir hier und da „das“ Mitglied. Aber das ist dann „das“ Mitglied. Das ist nicht die Menge, die dazu kommt.

Neue, junge Mitglieder in den Schützenvereinen sind oftmals Sportschützen.
Neue, junge Mitglieder in den Schützenvereinen sind oftmals Sportschützen. © Unbekannt | Guido Schneider

Landen die neuen Mitglieder eher in der Tradition oder beim Sport?

Das muss man von der Altersstruktur her sehen. Junge Leute landen in der Regel beim Sportschießen. Ältere finden sich auch bei den traditionellen Übungsabenden auf den Schießständen wieder, aber werden dann keine Sportschützen mehr im Sinne des Sports. Das ist dann Schießen im Sinne des gemeinsamen Spaßes.

Sie kommen aus Berghausen, kennen sich als Präsident des Westfälischen Schützen-Bundes also auch in der heimischen Region aus. Wie sehen Sie das Schützenwesen im Siegerland und im Wittgensteiner Land im Moment?

Der Altkreis Wittgenstein ist von der Anzahl der Mitglieder sehr beständig, obwohl wir vor 22 Jahren viele Traditionsvereine hier verloren haben wegen eines Streits zwischen dem Schützenverein Bad Berleburg und dem WSB. Da haben wir 6000, 7000 Mitglieder verloren. Im Siegerland sieht es etwas anders auch. Da haben wir im Laufe der Zeit viele Vereine und Mitglieder verloren. Aber geht man einen Schritt weiter in den Olper Raum, da ist die Welt völlig in Ordnung. Die Vereine, die sportlich aktives Schießen betreiben, sind wiederum hier bei uns stark vertreten.

Hier in Berghausen müssen wir auch über Maik Eckhardt reden. Ist der mehrfache Olympia-Teilnehmer der letzte große internationale Sportschütze aus der Region?

Ja. Heute haben wir aus der heimischen Region noch zwei Schützen im westfälischen Kader, einen Schützen im Nachwuchs-Kader des Deutschen Schützen-Bundes. Ansonsten schießen die Vereine im Bereich der Landes-, Verbands- und Westfalenliga. In der 2. Bundesliga sind Vereine aus der Umgebung nicht mehr vertreten. Der SV Berghausen mit Maik Eckhardt war ja ursprünglich mal Teilnehmer an der ersten Bundesliga-Generation, die es im Sportschießen gab. Bei Deutschen Meisterschaften haben wir aus Westfalen große Starterzahlen, da steht der WSB unter den deutschen Landesverbänden an vierter Stelle.

Wagen Sie doch bitte einen Ausblick. Wie wird der Sommer in Sachen Schießsport und Schützenfeste aussehen?

Im Moment laufen schon die ganzen Meisterschaften, die Ligen laufen auch. Der Schießbetrieb ist in vollem Gange. Jetzt haben wir schon mehr Geimpfte als im letzten Jahr, aber vielleicht immer noch zu wenig. Wie weit die Veranstaltungen mit 2G und 2G-Plus laufen können, mag ich nicht beurteilen wollen. Wichtig ist: planen, planen, planen. Ruhig mal eine Veranstaltung verschieben. Bevor ich sie absage, verschiebe ich sie erstmal. Denn eine Absage immer eine Absage.