Siegen/Erndtebrück. William Wolzenburg vom TuS Erndtebrück wird 2019 hart gefoult und schwer verletzt. Nun geht es vor dem Landgericht um 15.000 Euro Schmerzensgeld.

Bei sieben der bislang nur acht Partien des TuS Erndtebrück in der wegen der Coronapandemie unterbrochenen Saison der Fußball-Oberliga stand William Wolzenburg auf dem Platz. Immerhin drei Spiele hat der 19-jährige Mittelfeldmann, der im Sommer von den A-Junioren gleich in die erste Mannschaft aufgerückt ist, komplett bestritten.

Unlängst hatte Wolzenburg seinen achten Auftritt in dieser Saison. Nicht am „Pulverwald“ in Erndtebrück oder auf einem anderen Oberliga-Sportplatz, sondern vor dem Landgericht Siegen. Dort wurde jetzt eine Schmerzensgeld-Forderung in Höhe von 15000 Euro gegen einen Fußballer der SpVgg Erkenschwick verhandelt. Der hatte den Sportler aus Welschengeheu vor fast genau zwei Jahren, am 31. März 2019, bei in einem Spiel in der Landesliga der A-Junioren derart hart attackiert, dass Wolzenburg noch am selben Tag Not-operiert werden musste. Dabei wurde ihm die verletzte Milz entfernt.

Ewald Lienen scheiterte mit seinem Strafantrag

Das Foto von 1981 lässt auch heute noch keinen Betrachter kalt. Im Bundesliga-Fußballspiel zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen wurde ein Oberschenkel von Ewald Lienen durch die Aluminiumstollen von Norbert Siegmann auf einer Länge von 25 Zentimetern regelrecht aufgeschlitzt.

Lienen stellte Strafantrag, doch die Klage wurde zurückgewiesen, weil Siegmann „weder gefährliche noch vorsätzliche Körperverletzung“ nachzuweisen war. Der Bundesgerichtshof hatte schon sieben Jahre zuvor geurteilt, dass es beim gemeinsamen „Kampf um den Ball nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen“ kommen kann.

Nicht gerechtfertigt sind aber beim Foulspiel zugefügte Verletzungen, wenn das Foul das wettkampfübliche Maß überschreitet und mit gesunder Härte nichts mehr zu tun hat. Auch dazu gab es in der Vergangenheit einige Gerichtsurteile, bei denen der Kläger Recht erhielt.

So auch 2012 vor dem Oberlandesgericht Hamm: Ein Dortmunder Amateurspieler hatte seinen Gegner bei einem rücksichtslosen Foul so schwer verletzt, dass der seinen Beruf als Maler aufgeben musste. Der Lüner klagte daraufhin erfolgreich auf Schmerzensgeld. Der angeklagte Fußballer aus Dortmund musste 50.000 Euro zahlen.

Schwierige Beweisführung

Eine grundlegende Frage bei Verhandlungen, gerade in den unteren Spielklassen: Kann bei groben Fouls mit schweren Verletzungsfolgen für den Gefoulten ein Vorsatz des Foulenden bewiesen werden?

„Ich habe das damals nur aus den Augenwinkeln gesehen“, erinnert sich Marketa Wolzenburg, „ich war nur als Mutter und Zuschauerin auf dem Platz.“ 2019 arbeitete die Heilpraktikerin im Betreuerteam der Mannschaft ihres damals 17 Jahre alten Sohnes. Der Erkenschwicker Spieler habe den 1,81 Meter langen William Wolzenburg mit Knie und Ellenbogen im Bauchraum getroffen, erklärte sie. Andere Beobachter hätten berichtet, dass der Gegenspieler „gezielt auf meinen Sohn losgegangen“ sei.

Zunächst gingen Betreuer und Mannschaft von einer Rippenprellung aus. Selbst der damalige Trainer Florian Bublitz (26), der inzwischen bei den VSV Wenden in der Landesliga spielt, erwähnte die Verletzung nach dem Spiel nicht. Im Gegenteil, er war unzufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft: „Ich bin extrem enttäuscht, nicht nur fußballerisch, sondern von der Einstellung her.“ Wolzenburg wurde in der 53. Minute ausgewechselt. Erndtebrück lag da mit 0:2 gegen Abstiegskandidat zurück, der am Ende mit 3:2 gewann.

In der Umkleidekabine habe sie bemerkt, dass ihr Sohn nicht an den Rippen verletzt sei, erklärt Marketa Wolzenburg: „Ich bin medizinisch ausgebildet.“ Sie sei mit ihrem Sohn sofort nach Siegen in die Kinderklinik gefahren. Von dort ging es mit dem Notarzt ins Kreisklinikum nach Weidenau. Wolzenburg wurde sechs Stunden lang operiert. „Der Professor hat gesagt, eine so verletzte Milz sieht man eigentlich nur nach einem schweren Autounfall“, betont sie, „das war wie in einem schlechten Film.“ Mutter und Sohn waren „ziemlich erschrocken“.

Sechs Stunden in der Not-OP

Die Attacke des Erkenschwickers erwischte Wolzenburg nach einem Einwurf in der gegnerischen Hälfte. Er habe sich schon wieder Richtung Tor gedreht, den Ball mit dem Körper abgeschirmt, als ihn der gegnerische Spieler traf. „Ich habe gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt“, erinnert sich der angehende Technische Produkt-Designer in einem Unternehmen in Schameder. Aber mit einer so schlimmen Verletzung habe er nicht gerechnet.

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„Der Erkenschwicker Spieler wusste, dass er keine Chance hatte, an den Ball zu kommen“, betont Wolzenburg. Seit dem Spiel im März 2019 hat es keinen Kontakt zwischen den beiden jungen Fußballern gegeben, keine Entschuldigung jenseits der Frage der Schuld. Selbst im Gerichtssaal habe der heutige Mittelfeldspieler des Westfalenligisten TuS 05 Nordvesta Sinsen nicht mit ihm gesprochen.

Der Gegenspieler stellte die Situation vor der 2. Zivilkammer des Landesgerichtes Siegen anders da. Die BILD, die zuerst über die Verhandlung berichtete, zitiert ihn so: „Ich war einen kurzen Schritt früher da, habe den Ball mit einem Kontakt nach links geklärt. Danach wurde unterbrochen. Dann sind wir zusammen geprallt.“

Richter schlägt einen Vergleich vor

Der Richter habe in der Verhandlung beiden Parteien vorgeschlagen, sich auf einen Vergleich zu einigen, erklärte Richterin Silvia Sünnemann, die Pressesprecherin des Landgerichts: „Den muss der Kollege zuerst noch ausarbeiten.“ Eine Entscheidung soll Mitte Mai fallen.

Um einen solchen Vorfall auch strafrechtliche als Körperverletzung zu ahnden, muss eine Anzeige vorliegen oder sich die Staatsanwaltschaft einschalten. Allerdings: In Sportverbänden ist umstritten, ob schwere Verletzungen im Sport auch jenseits der Sportgerichtsbarkeit vor ordentlichen Gerichten behandelt werden dürfen.

Wolzenburg, damals Schüler am Gymnasium Schloss Wittgenstein in Bad Laasphe, konnte erst nach einigen Monaten Pause Ende des Jahres 2019 wieder auf den Sportplatz zurückkehren, bestritt erst im März 2020 seine ersten Spiele. „Ich kann zum Glück wieder spielen“, ist er froh. In jungen Jahren habe man kaum Beeinträchtigungen, wenn man ohne Milz lebe, hat Wolzenburg gelernt. Er merke allerdings hin und wieder bei Ausdauerläufen, dass er schlecht Luft bekomme und Seitenstiche habe. Und im Spiel habe er bei Zweikämpfen Sorge, dass er wieder einen solchen Schlag abbekomme.

Dennoch: „Ich bin echt zufrieden, wie mein erstes Oberliga-Jahr bisher gelaufen ist“, sagt Wolzenburg zwei Jahre nach dem Unfall. Er habe vor dem Wechsel ins Erndtebrücker Oberliga-Team „mit Schwierigkeiten und wenig Spielzeiten“ gerechnet. Doch lediglich bei der 0:1-Niederlage zu Saisonbeginn im Derby gegen die Sportfreunde Siegen war er Zuschauer. Jetzt indes wäre Wolzenburg froh, wenn die Saison überhaupt noch fortgesetzt wird. Mit ihm im Mittelfeld des TuS Erndtebrück.