Wittgenstein. Wer einige Grundsätze in Sachen Fahrweise und Ausrüstung beherzigt, radelt sicherer. Für den sicheren E-Bike-Einstieg gibt die Polizei Tipps.

Fahrradfahrer leben auf der Straße vergleichsweise gefährlich – sie haben keine Schutzzone. Umso wichtiger ist es, die Gefahren zu minimieren.

Die Statistik

Die Zahl der Unfälle im Kreis Siegen-Wittgenstein ist, glücklicherweise, überschaubar. Für das laufende Jahr wird jedoch eine steigende Tendenz erwartet, weil sich – verstärkt durch Corona – die Zahl der Radfahrer noch einmal erhöht hat. In Siegen ist eine Verdopplung des Verkehrs an den Fahrradzählstellen registriert worden.

Die Unfall-Entwicklung in den zurückliegenden Jahre unterliegt Schwankungen. Positiv: Bei Radfahrern mit und ohne Motorunterstützung gab es seit 2016 nur einen Todesfall. Im Jahr 2016 wurden 84 verunglückte Radfahrer in der Statistik erfasst. In den folgenden Jahren waren es 82 (2017), 106 (2018) und 73 (2019). Nicht erfasst werden Unfälle, die sich im Wald ereignen, also außerhalb des Straßenverkehrs – und auch sonst ist eine gewisse Dunkelziffer zu erwarten, da nicht bei jedem Zwischenfall die Polizei informiert wird.

Eine klare Tendenz gibt es hingegen in der Statistik bei den Pedelec-Fahrern, in der E-Bikes mit bis zu 25 km/h erfasst werden. 2016 gab es dort sechs Unfälle. In den darauf folgenden Jahren stieg die Zahl auf 15, 18 und zuletzt 25 (2019).

Unfallursachen

Bei den 73 verunglückten Radfahrern in 2019 war in 35 Fällen der Radfahrer der Unfallverursacher. In 23 Fällen lag ein sogenannter Alleinunfall vor. 2018 machte diese Art Unfälle, die Geschehnisse ohne Fremdeinwirkung erfasst, die Hälfte der Fälle aus, in denen die Polizei hinzugerufen wurde. Oftmals lagen dabei Fahrfehler vor.

Und sonst? „Etwa drei Viertel aller Fälle haben wir beim Abbiegen oder in Fragen der Vorfahrt“, sagt Stefan Pusch, der bei der Kreispolizeibehörde als Leiter der Führungsstelle Verkehr arbeitet: „Häufig wird der Fahrradfahrer dabei nicht wahrgenommen.“

Fahrweise

Welche Schlüsse lassen sich aus den Daten ziehen? Eigentlich überflüssig zu erwähnen: Es gilt, die Verkehrsregeln einzuhalten und gebührende Rücksicht auf andere zu nehmen – mit defensiver Fahrweise sinkt das Unfallrisiko.

Ebenfalls gut für die Gesundheit des Radfahrers: Mit Fehlern anderer rechnen. „Im Zweifelsfall würde ich als Radfahrer nicht auf der Vorfahrt bestehen, mich für eine Reaktion bereit halten und vor schlecht ausgebauten oder unübersichtlichen Einmündungen die Geschwindigkeit reduzieren“, sagt Stefan Pusch, der selbst jedes Jahr rund 4000 Kilometer mit dem Rad fährt. „Wenn es möglich ist, kann man auch den Blickkontakt mit dem anderen Verkehrsteilnehmer suchen. Wenn man feststellt, dass der Autofahrer einen gar nicht sieht, sollte man reagieren.“

Während bei Anderen einige gewisse Unvorhersehbarkeit im Handeln einzukalkulieren ist, sollte ein Radfahrer seinerseits eindeutig fahren. Handzeichen schaffen Klarheit. Auch Selbstbewusstsein ist gefragt: In Lücken neben der Fahrbahn einzuscheren, ist eine nette Geste gegenüber Autofahrern – aber fatal, wenn am Ende der Lücke die Straße „dicht“ ist.

Vorsicht ist auch auf Radwegen angesagt. Es gibt benutzungspflichtige Radwege (blaues Schild) und solche, die nur ein Angebot für Radfahrer sind. Doch alle diese Radwege sind nicht immer sichere Zonen. Gefahrstellen bilden jede Kreuzung, Einmündung, jede Ein- und Ausfahrt. Besonders häufig werden Radfahrer übrigens auf linksseitigen Radwegen übersehen.

Vorsicht ist bei der Kreuzung von Schienen gefragt: Am besten sind sie in einem 90-Grad-Winkel zu queren, um der Gefahr eines Einfädelns oder Rutschens vorzubeugen.

Position auf der Fahrbahn

Grundsätzlich gilt das Rechtsfahrgebot, das heißt: Es soll so weit wie möglich rechts gefahren werden. Was dies bei Radfahrern exakt bedeutet, ist allerdings nirgendwo festgelegt. „Man sollte seine Positionierung von den Gegebenheiten abhängig machen“, rät Pusch: „Wenn ständig Gullis mit Längsrillen oder Schlaglöcher kommen, ist es nicht ratsam, nur 20 cm neben dem Bordstein zu fahren.“ Der ADFC empfiehlt zum rechten Rand einen Abstand von 50 bis 100 cm – beim Passieren von am Straßenrand geparkten Autos sogar noch 25 cm mehr.

Ausrüstung

Für ihre Sichtbarkeit können Radfahrer vor allem in der Dämmerung etwas tun: Gut sichtbare Kleidung und Reflektoren sind wichtig. Eine gute Beleuchtung auch. Untersuchungen aus Großbritannien und Dänemark zeigen übrigens: Radfahrer, die auch am Tag mit Licht fahren, haben weniger Unfälle.

Essentiell ist auch ein technisch einwandfreier Zustand des Rades. Vor allem der Reifendruck, die Funktionstüchtigkeit der Bremsen und der Gangschaltung sollten regelmäßig geprüft werden.

Ebenfalls banal, aber wichtig: Ein Fahrradhelm schützt. Pusch: „Dadurch werden viele schwerwiegende Schäden vermieden. Wir registrieren viele Unfälle, bei denen der Helm total kaputt ist, die Person aber glimpflich davonkommt.“

Sicher auf dem E-Bike

Es heißt: Wer einmal Fahrrad gefahren ist, verlernt es nicht mehr. „Das gilt so aber nicht mehr“, sagt Stefan Pusch von der Kreispolizeibehörde. „Scheibenbremsen haben ein anderes Bremsverhalten als Felgenbremsen. Bremsfehler sind ein häufiger Unfallgrund.“ Auch die Beschleunigung von E-Bikes ist, insbesondere nach langjährigen Sportpausen, gewöhnungsbedürftig.

Ein Mann fährt am 20.07.2013 in München (Bayern) auf seinem Pedelec.
Ein Mann fährt am 20.07.2013 in München (Bayern) auf seinem Pedelec. © Tobias Hase

Pusch rät Einsteigern dazu, bei der Belastung nicht gleich in die Vollen zu gehen, sondern sich zunächst mit kürzeren Touren sowie abseits der Hauptverkehrsadern und Stoßzeiten einzugewöhnen. „Man kann an Wochenenden auf leeren Parkplätzen Fahrübungen machen, sich an schnelle Kurvenfahrten gewöhnen und zur Probe ein paar Vollbremsungen machen.“

Beim Radkauf solle man sich nicht scheuen, sich auch in Sachen Sicherheit und Fahrtechnik beraten zu lassen und auf eine Probefahrt zu bestehen. Stefan Pusch: „Wenn ich 2000 bis 3000 Euro für ein E-Bike ausgebe, sollte ich beim Händler auch eine fachgerechte Beratung erwarten können.“