Holzhausen. Die Fußballfrauen der SG Hickengrund liegen einmal mehr auf Platz 1 in der Kreisliga A. Und sie könnten durch den Abbruch diesmal aufsteigen.

Sie sind sowas wie die gallischen Dörfer in den Asterix-Comics. Im südlichsten Zipfel des Siegerlandes, im idyllischen Hickengrund, wehren sich die Flecken Holzhausen und Dresselndorf, letzterer unterteilt in Nieder- und Oberdorf, als letzte Bastion Nordrhein-Westfalens standhaft gegen ihre Nachbarn aus Hessen und Rheinland-Pfalz. Natürlich nur im übertragenen Sinne, denn gute Nachbarschaft ist hier über die Bundesländer-Grenzen ein Trumpf.

Frauenfußball mit wachsender Begeisterung

Während im benachbarten Haiger der Fußball auf dem „Haarwasen“ rollt, so heißt die „Spielwiese“ im beschaulichen Holzhausen „Hoorwasen“. Zwei Schauplätze, die fußläufig kaum eine Stunde auseinander liegen. Mit Stolz aber blickt die SG Hickengrund auf neun Jahre Bezirksliga-Fußball zurück, ehe man im Mai vergangenen Jahres den Abstieg nicht mehr vermeiden konnte. Wir aber befassen uns nicht mit den „wackeren Kerlen“ der Blau-Weißen, das Augenmerk gilt an dieser Stelle den nicht minder standhaften Frauen. Seit 2013, als es erstmals im heimischen Fußball-Kreis eine „eigene“ A-Kreisliga für die Frauen gab, spielen sie Fußball bei der SG Hickengrund – mit wachsender Begeisterung und stetig wachsendem Erfolg. Zwar ist der ersehnte Aufstieg in die Bezirksliga noch nicht gelungen, aber zwei Meisterschaften in der Kreisliga A wurden gefeiert – und das in Serie. 2018 und 2019 scheiterte das Team erst in den Aufstiegsspielen an Vertretern des Kreises Olpe. Zunächst stand die SG Lütringhausen/Kleusheim/Rahrbachtal im Weg, die nach Verlängerung 5:4 gewann; im Jahr darauf scheiterten die „Hicken“-Frauen dann an der SG Albaum/Heinsberg mit 3:7. Für die Kreisliga zu gut, für die Bezirksliga (noch) nicht gut genug.

Besonderes „Hicken“-Flair

„Schade, das war immer knapp“, erinnert sich Marvin Diehl, gemeinsam mit Yannic Brück seit August auf der Trainerbank des Frauen-Teams, an diese Entscheidungsspiele. Brück, mittlerweile gemeinsam mit dem Ex-Ottfinger Benjamin Simon auch Coach der Männer, hatte in den beiden Jahren als Meister-Trainer noch allein das Sagen. Diehl führt die A-Kreisliga-Männer der SGH nach wie vor als Kapitän aufs Feld. Allein diese Geschlechter übergreifende Verwobenheit spricht für das besondere „Hicken“-Flair in Holzhausen und Umgebung. Wenn nämlich „Not am Mann“ ist, greift mit Manuel Döpfer auch noch ein Aktiver und ehemaliger Spielertrainer der Männer-Mannschaft den Frauen-Coaches unter die Arme. Und das nicht nur, weil Ehefrau Jennifer die Schuhe im Team schnürt. Und wie sieht es in dieser Saison aus? „Nun, darüber haben wir uns eigentlich noch keine Gedanken gemacht“, blicken die Trainer angesichts der anstehenden Abbruch-Entscheidung im westfälischen Amateurfußball gespannt auf das, was ein außerordentlicher Verbandstag im Juni in dieser Hinsicht beschließen wird. Der Gedanke, als Tabellenführer beim zu erwartenden Saison-Cut den Sprung in die nächste Fußball-Sphäre zu schaffen, sollte aber langsam Gestalt annehmen. Denn die wegen der Corona-Pandemie ruhende Spielzeit sieht das Frauen mit drei Zählern Vorsprung auf dem Platz an der Sonne. 39 Punkte stehen bei zwei Niederlagen auf dem Konto. Und die über alle Maßen beeindruckende Tordifferenz von +81 nach 15 absolvierten Spielen - mit 98 Treffern wurde die dreistellige Ausbeute nur knapp verfehlt – spricht Bände.

Eine gewachsene Gemeinschaft

Dass einsam an der Spitze der Torjägerinnen-Wertung die 20-jährige Linda Heinz mit 71 Einschüssen rangiert, treibt keinen Keil in das mannschaftlich geschlossene Gefüge. „Natürlich ist Linda eine außergewöhnliche Stürmerin“, ist eine solche Quote für Trainer Marvin Diehl auch in der Männer-Branche nicht nur auf Kreisebene, sondern weit über die Grenzen hinaus unerreicht, „doch ist auch sie selbst überzeugt, dass ohne die anderen Spielerinnen eine solche Marke nicht möglich gewesen wäre.“ Das zeugt von Teamgeist, Zusammengehörigkeitsgefühl einer gewachsenen Gemeinschaft. „Die meisten Spielerinnen in unserem nur 16-köpfigen Aufgebot kennen sich von kleinauf“, schweißt laut Marvin Diehl auch Freundschaft neben gesundem Ehrgeiz dieses Team zu einer echten Einheit. Es sei auch nicht einfach, aus einem relativ eng gesteckten Raum immer wieder eine Mannschaft zu formen. „In Hessen und auch im Siegerland ist die Zahl der Frauen-Mannschaften groß, da ist es schwierig, von außerhalb des eigenen Beritts mal eine neue Spielerin anzulocken“, beschreibt der Coach die Situation im Fußball-Hickengrund.

Eine eigene Juniorinnen-Mannschaft gibt es derzeit nicht. Da wäre also so ein Sprung in die Bezirksliga - auch wenn der Aufstieg sich nicht auf sportlichem Wege realisieren lässt – für die Frauen der SG Hickengrund eine große Sache. „Dann wären wir mal die Nummer eins im Verein“, sehen Marvin Diehl und Yannic Brück die neue Rangfolge im Fußball bei der SG Hickengrund natürlich nur mit einem lachenden Auge. Das zweite hat noch ein paar Tränen für den Männer-Abstieg im vergangenen Jahr. „Aber das ist dann vielleicht mal ein echter Anreiz für uns, in der neuen Saison wieder nachzuziehen“, spricht Männer-Kapitän und Frauen-Coach Marvin Diehl von gesunder fußballerischer Gleichberechtigung im Hickengrund. Für die starken Frauen der Sportgemeinschaft sind jedenfalls „aller guten Dinge drei“. Mit der zu erwartenden Meisterschaft und durch den Wegfall der Aufstiegsspiele rollt der Frauenfußball am Hoorwasen – wann auch immer es wieder losgeht in der neuen Spielzeit – durch die Bezirksliga.

Torjägerin Linda Heinz ist bodenständig geblieben

Regelrecht den Vogel abgeschossen hat Linda Heinz am 20. Oktober 2019, als sie am Holzhausener Hoorwasen dem SV Feudingen 19 (!) „Dinger“ einschenkte. Endstand 31:0. Am 8. März, als an selber Stelle die dritte Welle von Fortuna Freudenberg zum letzten Saisonspiel vor der Corona-Sperre 7:1 vom Platz gefegt wurde, machte die 20-Jährige alle Tore. Die schier unglaubliche Zahl von 71 Saisontreffern in den 15 Begegnungen dieser Saison stellen einen einsamen Rekord dar. Irgendwie absehbar, denn Linda Heinz wusste schon immer, wo das Tor steht. So war sie auch in den vorausgegangenen Meister-Spielzeiten des Hickengrunder Teams mit 42 Toren in nur zehn Spielen der Saison 17/18 bzw. 66 in 16 Begegnungen (18/19) klar die Nummer eins in der Goalgetter-Liste. Klar, dass die Konkurrenz nicht nur hier im Kreis da die Ohren spitzt. So hätten sich auch die Sportfreunde Siegen glücklich geschätzt, sich beim im Raum stehenden Regionalliga-Aufstieg die Dienste der Holzhausenerin sichern zu können. Doch Linda Heinz will von einem Wechsel nichts wissen. „Dass ich so viele Tore schieße, liegt ja auch an meinen Mitspielerinnen“, verriet sie vor ein paar Jahren bereits der „Bild“, die Linda nach 216 Treffern für das SGH-Juniorinnen-Team einen Artikel widmete. Und Mitspielerinnen sind Freundinnen, mit denen sie weiter zusammen Fußball spielen will.