Hesselbach. Bei der Platzwahl eine Frage, im Spiel kommunikativ und sachlich: Schiedsrichter Franz-Josef Weisenstein ist eine Autorität in der Fußballszene
„Erfahrung ist für mich die höchste Autorität“, ist ein Satz von Carl Ramson Rogers, amerikanischer Psychologe und Pionier der Gesprächstherapie. Leuten mit Erfahrungen zuhören, aber auch selbst mit Erfahrung vorangehen – das gelernte Wissen klug Einsätzen, lautet die Philosophie Rogers.
An Erfahrung mangelt es auch Franz-Josef Weisenstein aus Hesselbach ganz sicher nicht. Der mittlerweile 70-jährige Wahl-Wittgensteiner hat auf dem Fußballfeld, ob nun als Spieler oder als Schiedsrichter, eigentlich fast alles erlebt. Aufstiege, Abstiege, Freude, Trauer, Beschimpfungen und Lob. Als Spieler beim FSV Saarwellingen trat der junge Weisenstein in der dritten Liga im Saarland selbst gegen den Ball, ehe ihn seine berufliche Profession nach Wittgenstein verschlug. Der studierte Oberstudienrat unterrichtete anschließend 36 Jahre am Schloss-Gymnasium in Bad Laasphe hunderte von Schülern, ehe er vor ein paar Jahren in Ruhestand ging. An einen sportlichen Ruhestand ist bei Weisenstein jedoch noch lange nicht zu denken. „Die Gesundheit spielt noch mit, also sehe ich keinen Grund aufzuhören“, erklärt der Hesselbacher verschmitzt. Natürlich ist er nicht mehr als Fußballspieler aktiv, sondern hat sich seit vielen Jahren schon im Metier der Schiedsrichter einen Namen gemacht. Zahlreiche Generationen hat der ehemalige Lehrer auf den Spielfeldern des Altkreises spielen sehen.
Wittgensteiner Teams verhalten sich tadellos
Der Name Franz-Josef Weisenstein wird den meisten Fußballern ein Begriff sein. „Leider darf ich vom DFB aus nur noch B-Liga, oder Frauen-Landesliga und alles darunter pfeifen. Die Altersgrenze liegt bei 65 Jahren, fit genug für mehr fühle ich mich aber“, erklärt der 70-Jährige selbst. Geholfen haben ihm über die Jahre die Erfahrungen als Spieler, Trainer und als Lehrer. Weisenstein versucht alle Sichten des Sportlers in seine Entscheidungen einfließen zu lassen. „Ich stelle mir oft die Frage, ob ein Spieler nun wirklich für das vermeintliche Foulspiel dazu konnte, oder ob er nicht ausweichen konnte. Ich versuche mich in die Situation und in die Kicker hineinzuversetzen und so die richtige Entscheidung zu fällen.“
Auch die stets sachliche und kommunikative Art des Schiedsrichter-Urgesteins stach in den Spielen, die er leitet stets hervor. „Wenn man das Gespräch sucht und sich mit den Spielern auf Augenhöhe unterhält, ihnen meine Sicht der Dinge erklärt und ruhig bleibt, dann lösen sich viele Probleme von selbst“, verrät der Hesselbacher, der nur selten zu drastischen Maßnahmen greifen musste. Den Wittgensteiner Teams stellte er indes ein nahezu tadelloses Zeugnis aus. „Da ist nur ganz, ganz selten etwas vorgefallen“.
Dabei bedient sich der ehemalige Oberstudienrat schon vor dem Spiel eines, über die Jahre schon fast ikonischen Tricks, den jeder Fußballer mit „Franjo“, wie er liebevoll genannt wird, in Verbindung bringt: Die Platzwahl wird meistens mit einer Frage entschieden – auf den Münzwurf wird verzichtet. „Damit habe ich irgendwann mal angefangen, um die Stimmung aufzulockern. Man merkt, dass der Druck dadurch von den Spielern abfällt. Da wird gelacht und gescherzt. Meistens sind es ja Fragen rund um das aktuelle Fußballgeschehen, also bleibt es fair“, lacht der 70-Jährige, der sich jedoch nicht ganz sicher ist, ob diese Herangehensweise überhaupt erlaubt ist.
Weisenstein setzt auf Ehrlichkeit der Spieler
Doch das Problem liegt für Weisenstein ohnehin meistens nicht bei den Spielern selbst. Die Aggressivität wird in der Regel durch Trainer und Zuschauer in das Spiel gebracht. „Das Problem ist, dass jeder glaubt, er wäre ein absoluter Fußballexperte und es bei einer einzigen Situation gleich drei, oder vier Meinungen gibt. Wenn zum Beispiel ein Zweikampf an der Außenlinie geführt wird und ich als Schiedsrichter in der Mitte des Feldes stehe, dann ist es unheimlich schwer diese Situation zu beurteilen“, so Weisenstein weiter, der sich von schreienden Zuschauer dabei nicht beeindrucken lässt, sondern lieber bei den Aktiven selbst nach einer ehrlichen Meinung: „Die bekomme ich auch dann oft.“ In dieser Hinsicht gibt er zu bedenken, dass selbst im Profifußball, mit allen technischen Hilfsmitteln, die es zurzeit gibt, noch viele falsche Entscheidungen getroffen würden. „Da sollte man es dem einzelnen Referee auf dem Platz in den unteren Ligen verzeihen, wenn er mal daneben liegt.“
So geht die Reise als Schiedsrichter auf den Wittgensteiner Plätzen für „Franjo“ also auch in den nächsten Jahren noch weiter – ohne Frage eine Bereicherung für den Fußballsport im Altkreis. Denn mit seiner Erfahrung, seiner sympathischen Art und seinem Geschick der Konfliktlösung ist Franz-Josef Weisenstein ein echtes Vorbild. Für junge Schiedsrichter, aber auch für Spieler. Jemand, mit höchster Autorität, ohne sie zu erzwingen.