Erndtebrück. Die Jugendarbeit des TuS Erndtebrück macht sich bezahlt: Talentierte Jugendspieler aus Wittgenstein rücken in den Oberligakader.
Identifikation ist ein großes Wort – im schnelllebigen Fußballgeschäft ist es schon fast eine Rarität geworden.
Nicht ohne Grund werden Ryan Giggs, Thomas Müller und allen voran Francesco Totti für ihre jahrelange Vereinstreue, für ihre Identifikation mit dem Club, der Stadt und den Fans, in den Fußball-Olymp gehoben. „Er ist jemand, der den Verein lebt“, ließ Oliver Kahn deshalb nach der neuerlichen Vertragsverlängerung von Müller beim FC Bayern über die Medien verlauten.
„Identifikation“ ist auch ein Wort, das in den letzten Jahren immer wieder am Erndtebrücker Pulverwald zu hören war.
Neuer Bezug zur Mannschaft
Auf junge Spieler aus der Region wolle man bauen, um nicht nur attraktiven Fußball spielen zu lassen, sondern auch, um den Zuschauerschnitt im Pulverwaldstadion wieder zu heben. Die Erndtebrücker sollen wieder einen Bezug zur Mannschaft bekommen, der in den vergangenen Jahren trotz der Erfolge und dem zweimaligen Aufstieg in die Regionalliga ein wenig verloren ging. Die Schuld für die „Entfremdung“ dabei bei den Verantwortlichen des TuS Erndtebrück zu suchen, wäre falsch. Die Anforderungen eines Regionalliga-, oder Oberligaspielers brachten in den letzten Jahren kaum Wittgensteiner Talente mit. So kickte, mit Ausnahme von Timo Bäcker, Tim Treude und Manfredas Ruzgis, in den vergangenen Spielzeiten kein heimischer Fußballer in der ersten Mannschaft.
Die Konsequenzen daraus zogen Abteilungsleiter Dirk Beitzel und seine Vorstandsmitglieder schließlich schon 2013. Eine ambitioniertere Jugendabteilung sollte den Verein mit talentierten Spielern versorgen, die von der Pike auf das Fußballspielen, aber auch den Verein leben und lieben lernen sollten – vorzugsweise aus dem nahen Umfeld.
Rasanter Aufstieg des Jugendfußballs
Schnell führte der Weg der C-, B- und A-Jugend in überkreisliche Regionen, kein Jugendteam spielt im Altkreis Wittgenstein höher als der TuS, der nun die Früchte dieser akribischen Arbeit erntet. Mit Jakob Linker, William Wolzenburg und Phil Menke stoßen im Sommer drei weitere am Pulverwald ausgebildete Spieler zum Kader der ersten Mannschaft. Erlon Sallauka, Maximilian Schneider, Alex Taach und Mats Birkelbach gingen diesen Schritt im Jahr davor. Auch Omar Lugavic und Murat-Kaan Yazar haben schon in der A-Jugend das blaue Trikot getragen. Spieler also, die der Erndtebrücker Fan, aber auch der fußballinteressierte Wittgensteiner kennt. Spieler aus der Region, Spieler mit höherem Identifikationspotenzial.
Phil Menke beispielsweise ist in Erndtebrück geboren, durchlief mehrere Jugendmannschaften bei seinem Heimatverein und ist in der Landesliga-A-Jugend Stammspieler. Der 18-Jährige ging jedoch noch einen Schritt weiter und absolviert derzeit auch seinen Bundesfreiwilligendienst (BFD) beim Wittgensteiner Oberligisten. Zu seinem Aufgabenfeld gehören, neben der Betreuung der E-Jugend als Co-Trainer, auch das tägliche „Überdieschulteschauen“ bei Geschäftsführer Rolf Arno Reichmann.
Blick hinter die Kulissen
„So kriegt man einen Eindruck vom Tagesgeschäft des Vereins. Es wartet viel Verwaltungsarbeit auf mich, in die ich nun reinschnuppern kann“, erklärt Menke, der zusätzlich noch den Hausmeister und Platzwart am Pulverwald unterstützt – an mehreren Fronten kämpft der junge Erndtebrücker also für seinen Verein. „Das schweißt natürlich an den Verein und vergrößert nochmal meine Bindung zum TuS. Viele Kleinigkeiten werden einem durch die Arbeit im BFD nun bewusster und man versteht die Hintergründe für das Handeln der Verantwortlichen. Man bekommt einen kompletten Blick hinter die Kulissen, den man als reiner Spieler sicher nicht hat.“
Als Vorbild für seine Entscheidung sein Soziales Jahr bei Erndtebrück zu machen, zieht Menke Lars Birlenbach heran, der ebenfalls seit vielen Jahren in mehreren Trainerpositionen beim TuS tätig ist und aufgrund seiner Bindung zum Verein mehrere Angebote in den letzten Spielzeiten ausschlug. Ein eindeutiger Beweis, dass dieses Modell des Traditionsvereins aus der Edergemeinde seine Wirkung nicht verfehlt.
Nächstes Kapitel: Erste Mannschaft
Wenn am 31. August der Bundesfreiwilligendienst von Menke endet, beginnt gleichzeitig ein neues Kapitel für den 18-Jährigen. Zu diesem Zeitpunkt sollte seine erste Seniorensaison in der ersten Mannschaft der Erndtebrücke im Normalfall schon angefangen haben – gemeinsam mit seinen Mitstreitern aus der Jugend.
Spieler, die den Verein seit der Jugend kennen, Spieler, die eine neue Euphorie am Pulverwald entfachen könnten. Oder wie es Oliver Kahn ausdrücken würde; Spieler, die den Verein leben.