Der Siegener Rehatrainer Micha Sommer gibt Tipps, wie man in den eigenen vier Wänden mit einfachen Hilfsmitteln seinem Körper Gutes tun kann.
Siegen. Eigentlich lief in den vergangenen Monaten alles rund für Micha Sommer: Der Sportwissenschaftler ist seit April 2019 selbstständig unterwegs, gibt Gesundheits- und Rehakurse und bildet für den KSB neue Trainer aus. Durch die Coronakrise müssen seine Sportangebote ruhen. „Natürlich trifft mich das hart“, sagt Micha Sommer, „aber es ist die richtige Maßnahme und ich unterstütze die Entscheidung.“
Die freie Zeit nutzt er, um ein Buch zu schreiben und eine Videoserie für Rehasportler auf seinem Youtube-Kanal zu betreiben. Titel: „Fit durch die Corona-Krise“. „Es wäre fatal, wenn die Rehapatienten und Gymnastik-Teilnehmer kein Bewegungsangebot hätten“, sagt er, „das würde sowohl eine Steigerung der Beschwerden als auch eine Abschwächung des Immunsystems nach sich ziehen.“
Für die Videoserie erhält er Unterstützung durch „weight watchers“ in Siegen, kann deren Kursräume kostenlos nutzen. Auf dem Kanal „die Rehastunde“ postet er aktuell im Zwei-Tages-Rhythmus neue Trainingsvideos. Der Clou: Geringe Einstiegshürden und ausschließlich Alltagsgegenstände als Trainingsgeräte. Bei uns stellt er von nun an seine Übung des Tages vor:
Material: Kochbuch.
Zielmuskel: Seitliche Bauchmuskulatur.
Ausführung: Auf einen Stuhl setzen und ein Kochbuch quer mit beiden Händen greifen. Die Fersen in den Boden drücken und den Oberkörper leicht zurücklehnen, sodass eine fühlbare Bauchspannung entsteht. Das Kochbuch in einem Halbkreis wechselnd nach links und nach rechts neben die Oberschenkel führen, der Oberkörper bleibt unter Spannung.
Zu schwierig? Den Oberkörper weniger zurücklehnen, Arme beugen.
Zu leicht? Den Oberkörper weiter zurücklehnen, die Arme lang ausstrecken.
Warum trainieren? Die Bauchmuskulatur übernimmt mit der Rückenmuskulatur wichtige Stabilitätsfunktionen und entlastet die Wirbelsäule. Eine starke Bauchmuskulatur verbessert die Haltung und wirkt einem Hohlkreuz entgegen.
Material: Kochbuch, Stuhl.
Zielmuskel: Rückenmuskulatur.
Ausführung: Auf einen Stuhl setzen und ein Kochbuch quer mit beiden Händen greifen. Die Brust „stolz“ aufrichten, ohne ins Hohlkreuz zu kippen (Bauchspannung aufbauen, das Brustbein zur Decke hochschieben). Mit dieser Haltung nach vorne lehnen und das Buch mit gestreckten Armen in die Verlängerung des Körpers führen. Diese Übung kann sowohl statisch gehalten werden oder dynamisch ausgeführt werden (mit dem Ausatmen in die Vorneigung, mit dem Einatmen wieder aufrichten). Ziel: 30 - 60 Sekunden lang ausführen.
Warum trainieren? Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur stabilisieren unsere Wirbelsäule. Mit der Übung werden der Rückenstrecker sowie insbesondere Bauch- und Rückenmuskeln, die die Lendenwirbelsäule umgeben, gekräftigt. Durch das Vorhalten des Buches wird der obere Rücken ebenfalls gefordert.
Zu schwierig? Den Oberkörper weniger vorlehnen, die Arme beugen.
Zu leicht? Den Oberkörper weiter vorlehnen, die Arme lang ausstrecken.
Optional in der Haltevariante kleine „Hackbewegungen“ mit den gestreckten Armen hoch und runter einbauen.
Material: Handtuch.
Zielmuskel: obere Rückenmuskulatur.
Ausführung: Auf einen Stuhl setzen und ein längs zusammengerolltes Handtuch mit beiden Händen etwa schulterbreit greifen. Eine aufrechte Oberkörperposition einnehmen (Bauchspannung aufbauen, das Brustbein zur Decke hochschieben). Die Arme auf Brustbeinhöhe nach vorne strecken, dabei eine ganz leichte Beugung im Ellenbogen belassen. Mit dem Ausatmen die Arme auseinander ziehen. Für eine optimale Wirkung im oberen Rücken kann man sich vorstellen, nicht die Hände nach außen zu ziehen, sondern die Ellenbogen.
Ziel: fünf bis zehn Mal fünf Sekunden lang Spannung aufbauen.
Warum trainieren? Wir sind fast alle „Schreibtischtäter“, lesen oder stricken gern oder sitzen am Computer. In diesen Positionen wird die Brustmuskulatur verkürzt, der obere Rücken gedehnt. Oftmals sind Nackenverspannungen oder Schmerzen in der vorderen Schulter die Folgen. Das Training des oberen Rückens verbessert das muskuläre Gleichgewicht zwischen Vorder- und Rückseite und schafft somit den nötigen Ausgleich für unsere Alltagspositionen.
Zu schwierig? Die Anzahl der Wiederholungen zunächst reduzieren, weniger Krafteinsatz.
Zu leicht? Die Spannungszeit auf zehn Sekunden erhöhen, kleine zusätzliche Spannungsimpulse nach außen ergänzen. Optional den Oberkörper leicht vorlehnen.
Material: Besen.
Ziel: Stabilisation, Koordination.
Ausführung: Aufrecht hinstellen, einen Besen mit einer Armlänge Abstand vor dem Körper platzieren und mit der rechten Hand greifen. Das rechte Bein abheben und nach hinten ausstrecken, gleichzeitig den Besenstil nach vorne strecken und den Oberkörper nach vorne verlagern. Wichtig ist es dabei, den Rumpf unter Spannung zu halten, ein Durchhängen zu vermeiden und geradeaus gerichtet zu lassen (seitliches Abkippen vermeiden). Aufrichten und das rechte Knie mit dem Besenstil zusammenführen, danach erneut in die Streckung und Vorneigung gehen. Das Standbein (links) ist leicht gebeugt.
Frequenz: fünf bis zehn langsame, kontrollierte Wiederholungen pro Seite.
Warum trainieren? Bei dieser komplexen Übung werden sowohl die Rumpfmuskulatur als auch der Rücken und das Gesäß gekräftigt. Gleichzeitig werden die Koordination und die Standstabilität trainiert. Diese Übung leistet somit auch einen wichtigen Beitrag zur Sturzprophylaxe. Der Besen liefert bei der Ausführung eine Hilfestellung und sichert den Übenden beim Erlernen ab.
Zu schwierig? Mit kleineren Bewegungen beginnen, optional vor einer Wand üben, um sich abfangen zu können.
Zu leicht? Den Besen weglassen, in die maximal mögliche Streckung gehen.
Wichtig: Die Kontrolle über die Stabilisierung der Körpermitte behalten.
Micha Sommer ist Sportwissenschaftler, Dozent und Rehatrainer im Siegerland. Auf seinem youtube-Kanal „die Rehastunde“ veröffentlicht er regelmäßig die Video-Serie „Fit durch die Corona-Krise“ mit Übungen für zu Hause.