Siegen. Nur wenige Monate nach der abgeschlossenen zweiten Insolvenz sehen sich die Sportfreunde Siegen vor die nächste Herausforderung gestellt.

Gerade die zweite Insolvenz der Vereinsgeschichte hinter sich gebracht, sieht sich der Verein Sportfreunde Siegen mit der Corona-Krise einer weiteren, vielleicht noch größeren Herausforderung gegenüber. „Keiner weiß, wie lange der Spielbetrieb ruht“, ist der 1. Vorsitzende Roland Schöler nicht davon überzeugt, dass der 19. April als bisher ausgegebenes Eck-Datum der verordneten Spielpause ausreichen wird. Ein vorzeitiges Saisonende schwebt als Schreckens-Szenario wie ein Damoklesschwert über dem Traditionsverein.

„Seit November haben wir praktisch keine Einnahmen mehr“, beschreibt Schöler die Situation. Schon vor Beginn der durch die Corona-Krise verordneten Spielpause sind drei Oberliga-Heimspiele ausgefallen.

Gerüchte werden dementiert

Den Gerüchten, der Verein hinke in Sachen Gehaltszahlungen für Beschäftigte, Spieler und Trainer hinterher, trat der Vorsitzende aber entgegen. „Alle Gehälter sind überwiesen“, versichert Schöler.

Ebenfalls in der Gerüchteküche unterwegs sind wieder intensiver ins Auge gefasste Gespräche über eine Zusammenarbeit mit dem 1. FC Kaan-Marienborn. Hier sollen sogar schon Verhandlungen mit einem vom westfälischen Verband entsandten „Schiedsrichter“ geführt worden sein. In dieser Frage ist seitens des Sportfreunde-Vorstands derzeit jedoch kein Statement zu erwarten.

Wie geht es weiter?

Roland Schöler: „Wir führen Gespräche mit Gönnern und Sponsoren, doch haben die ja auch über Gebühr damit zu tun, selbst die sich dauernd zuspitzende Krise zu bewältigen.“ Auch bei vielen Betrieben ginge es ja ans Eingemachte.

Tritt Gerüchten über eine finanzielle Schieflage bei den Sportfreunden entgegen: Vorsitzender Roland Schöler.
Tritt Gerüchten über eine finanzielle Schieflage bei den Sportfreunden entgegen: Vorsitzender Roland Schöler. © Rene Traut

Die Frage nach dem „Wie geht es weiter“, wenn ein in nicht absehbarer Zeit einmal besiegtes Corona-Virus die vielen das öffentliche Leben einschränkenden Maßnahmen lockert, beschäftigen den Vorstand, aber natürlich auch den Trainer Tobias Cramer.

Der bestätigte zunächst eingegangene Gehälter („Da läuft alles...“), blickt aber vor allem auf die sportliche Entwicklung. Er sei niemand, der sich mit einem siebten, achten Platz in der Oberliga zufrieden gibt, schätzt aber mit dem derzeitigen Spielerkader ein Vordringen unter die besten Vier der Tabelle als unmöglich ein. „Da fehlt es an Qualität“, so Cramer knapp vier Monate nach seinem Amtsantritt im November.

„Das Bestreben eines Traditionsvereins wie Sportfreunde Siegen muss es sein, mindestens wieder in der Regionalliga zu spielen“, so das Selbstverständnis des 45-Jährigen. „Aber um dort hin zu kommen, braucht eine Mannschaft sieben, acht Spieler, die in einer solchen Liga spielen können.“

Schritt nach vorne planen

Er habe in den Jahren beim KSV Hessen Kassel, den er in Sachen Struktur, Umland und Zielsetzung mit den Sportfreunden auf eine Stufe stellt, festgestellt, wie das Umfeld eines Traditionsvereins tickt. Ein entscheidender Faktor ist für ihn die Arbeit an wirtschaftlichen Grundlagen. Cramer: „Wenn ich feststelle, dass das Niveau nicht ausreicht, muss ich den Schritt nach vorne planen. Ich habe das in Kassel durch.“ Der Versuch, eine Mannschaft zu prägen, müsse gestartet werden.

Doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein solches Unterfangen derzeit einfach nicht gegeben sind.

Hinzu kommt die derzeitige Krisensituation wegen der grassierenden Corona-Pandemie. Ein Ende ist da auch für den Trainer natürlich nicht absehbar. Doch durch die Verlegung der Europameisterschaft auf 2021 sieht er nun die Chance, die Saison bis Ende Juli auszudehnen, nachzuholende Spiele und die noch ausstehenden letzten Runden bis in den Sommer zu planen. „Warum sollten wir das nicht so anpacken?“, sieht Tobias Cramer keine Veranlassung, diese Spielzeit im jetzigen Zustand abzubrechen.

Solidaritätsprinzip

„Damit wäre doch sogar schon die Vorbereitung auf die neue Saison geklärt“, sieht der in Willingen beheimatete A-Lizenz-Inhaber in diesem Fall einer vielleicht nur ein- oder zweiwöchigen Sommerpause entgegen. „Ein Abbruch dieser Saison auf heutigem Stand halte ich jedenfalls für fatal.“

Unterstützung erhofft sich Tobias Cramer in dieser Zeit auch von den Verbänden. „Eine solche Krise ist ein gesellschaftliches Problem. Es wird viel von Solidarität geredet. Gerade der Sport sollte hier beispielhaft vorangehen und hat die Chance, dieses Solidarprinzip zu leben.“

Jammern auf hohem Niveau

Dass die Amateurvereine stärker unter der Krise leiden als Proficlubs, sieht auch der Sportfreunde-Vorsitzende Roland Schöler. „Das ist für mich Jammern auf hohem Niveau“, nimmt er Bezug auf Statements aus der Bundesliga. „Bei uns geht es um die Existenz von Vereinen.“ Schöler unterstreicht dies mit der Aufzählung von 16 am Spielbetrieb beteiligten Jugendmannschaften sowie den dazu gehörenden Trainern und Betreuern.