Wittgenstein. Seit zwei Spielzeiten gibt es die Gelbsperre auch für die Amateurfußballer. Doch es gibt ein Schlupfloch, das bisweilen für skurrile Szenen sorgt

„Die Gelbe Karte verliert ihre Wirkung, wenn sie zu oft gezeigt wird“, sagte einst der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Lutz Wagner, nun Koordinator für die Ausbildung der Referees beim Deutschen Fußballbund (DFB).

Seit der Spielzeit 2018/19 gilt nun auch, wie im Profibereich seit Jahren üblich, die Fünf-Gelbe-Karten-Regel in den Amateurligen. Sprich: Handelt sich ein Spieler seine fünfte Verwarnung in einer Spielzeit ein, so wird er für ein Spiel, oder mindestens zehn Tage gesperrt. Doch im semiprofessionellen Bereich hat diese Regel eine große Hintertür.

Marco Michel, Vorsitzender im Fußballkreis Siegen-Wittgenstein, schlägt die Änderung der Regel vor.
Marco Michel, Vorsitzender im Fußballkreis Siegen-Wittgenstein, schlägt die Änderung der Regel vor. © Peter Kehrle

Spielfreie Wochenenden oder feiertagsbedingte Spielausfälle ermöglichen es den Spielern, sich „absichtlich“ ihre fünfte Gelbe Karte abzuholen, um so um eine Sperre herum zu kommen. Das ist möglich, weil die fünfte Gelbe Karte keine Spielsperre, sondern eine Zeitsperre nach sich zieht. Heißt: Eine Sperre von zehn Tagen.

Fällt in diesen Zeitraum kein Spiel, dann muss der Akteur nicht aussetzen, sondern greift nach Ablauf der zehn Tage wieder aktiv ein, so als sei nichts gewesen. Er darf sich doppelt freuen: Eine Spielsperre hat er umgangen, und sein Karten-Konto steht wieder auf Null.

Viele Aktive nutzen dieses Regelschlupfloch geschickt aus, um ihrer Mannschaft möglichst in jedem Ligaspiel zur Verfügung zu stehen. So wird sich bei

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Von Sascha Keirat, Lars Johann-Krone

Auswechslungen absichtlich Zeit gelassen, der Schiedsrichter nochmal provoziert, oder gar – was auch schon überliefert ist – beim 4:0-Treffer einfach mal noch schnell das Trikot ausgezogen, obwohl besagter Spieler gar nicht der Torschütze war.

Den Schiedsrichtern bleibt in den meisten Fällen gar keine andere Wahl als „Gelb auf Wunsch“ zu zücken und die Gleichung der Spieler damit aufgehen zu lassen – die Regeln umzusetzen, ist schließlich das oberste Gebot.

Faire Wittgensteiner Teams

„Den Schiedsrichtern sind da die Hände gebunden. Die Vereine nutzen dieses Schlupfloch geschickt aus. Dennoch muss man sagen, dass uns ein solches Verhalten nicht im Übermaß bekannt ist“, erklärt der Vorsitzende des Kreisfußballausschusses Jürgen Gieseler auf Nachfrage unserer Zeitung.

Ein Blick auf die Statistik belegt aber auch seine Behauptung, dass in den Ligen des Kreises Siegen-Wittgenstein ein „kalkuliertes Treten“ nur selten auftritt. In der Fußball-Landesliga, wo der VfL Bad Berleburg beheimatet ist, gab es bisher 14 Gelbsperren. Am Wochenende vor dem spielfreien Totensonntag und vor der Winterpause, wo die Strafe jeweils verfallen würde, holte sich lediglich ein Spieler des FC Dröschede die „falsche Fünfte“ ab.

In der B-Liga, in der die meisten Wittgensteiner Vereine ihre Spiele austragen, gab es hingegen einen recht klaren Ausreißer in der Statistik. Eine Woche vor Totensonntag sahen hier vier Spieler die fünfte Gelbe Karte – ob mit Absicht, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Fair vom Ball getrennt: Abiodun Adetomi Oanrewaju (r.) vom FC Benfe gewinnt den Zweikampf gegen Wingeshausens Marc Koch.
Fair vom Ball getrennt: Abiodun Adetomi Oanrewaju (r.) vom FC Benfe gewinnt den Zweikampf gegen Wingeshausens Marc Koch. © Lisa Hackler

In der C-Kreisliga ist von diesem Phänomen überhaupt nichts zu erkennen – weil es generell wenig Karten gibt. Oliver Schlaf von den Sportfreunden Sassenhausen ist dort der einzige Akteur, der überhaupt wegen der Gelbe-Karten-Regel einmal zuschauen musste.

Generell lässt sich in den verglichenen Ligen festhalten, dass wenig Karten und Sperren ausgesprochen werden, weitaus weniger, als vielleicht vermuten lässt. Die Zahl der Sperren wegen wiederholten Gelben Karten lassen sich meist an einer Hand abzählen, wenngleich ein Spieler der Landesliga das Kunststück vollbracht hat, bereits zum jetzigen Zeitpunkt neun Verwarnungen zu kassieren – Höchstwert.

Ruf nach Regeländerung wird laut

„Es gab auch schon Vereine, die extra angefragt haben, ob ihr Spieler, im Falle einer fünften Gelben wirklich nicht gesperrt ist. Wir können nur anregen, diese Regel künftig zu ändern“, versicherte auch der Kreisvorsitzende des FLVW Marco Michel. Angestrebt ist deshalb, dass künftig Spielsperren auch für Gelbe Karten festgelegt werden sollen.

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„Das würde einfach mehr Sinn ergeben. Auch bei Roten Karten ist es eigentlich nicht sinnvoll, nach Wochen anstatt nach Spielen zu sperren. Dann holt sich jemand vor der Winterpause wegen einer Tätlichkeit eine Rote Karte und setzt kein einziges Spiel aus, weil sechs Wochen Pause sind“, erklärt Michel, der die fünfte Gelbe Karte in die selbe Kategorie einordnet.

Im Nachbarkreis Olpe trat die statistische Anomalie in diesem Jahr übrigens verstärkt auf, deutlich stärker jedenfalls als in „SiWi“. 40 Spieler hatten vor dem 17. November vier gelbe Karten zu Buche stehen. Von diesen 40 Leuten sahen zehn dann auch die fünfte Gelbe Karte. Die Folgenlose, wenn man so will.

Fakt ist: Selbst wenn Vereine und Spieler darauf schielen, den Regeltrick zu nutzen, dann machen sie es meist geschickt und gut getarnt – von böser Absicht kann im Altkreis wahrlich keine Rede sein. Hinzu kommt, dass in der D-Liga, wo oft keine richtigen Schiedsrichter pfeifen, noch seltener auf Gelbe Karten zurückgegriffen wird – eine Inflation an Verwarnungen gibt es dort überhaupt nicht. Ein Umstand, der Lutz Wagner sicher gefallen würde.