Bad Berleburg/Wien. Die Bad Berleburgerin Clara Sofie Kreutter landet über Umwegen bei einer portugiesischen Pferdezucht und stößt dort auf den lokalen Stierkampf.
Als Clara Sofie Kreutter Ende Mai 2018 vor ihrem Lastkraftwagen im Wiener Sonnenschein steht, denkt sie nicht mal eine Sekunde an Melancholie, an Aufregung oder Angst.
Sie hat im Vorfeld für die Finanzierung der anstehenden Reise neben ihrem Studium der Pferdewissenschaften beinahe Vollzeit gearbeitet und hat fast alle ihre Sachen verkauft. Auch dass vor ihr nun 2838 Kilometer und vier Länder liegen, lässt sie unbeeindruckt. Kurzerhand lädt sie die zwei Pferde in den Stauraum des roten Dreieinhalbtonners ein und fährt mit einer Freundin einfach los. Selbst als kurz hinter Freiburg beim Tanken ihre Mitfahrerin samt ihres Pferdes nicht mehr weiter möchte, bleibt die gebürtige Bad Berleburgerin fokussiert und setzt ihre Reise stoisch alleine fort – Ziel: Das Gestüt von Manuel Jorge de Oliveira Martins rund 40 Minuten von Lissabon entfernt.
„Hätte ich am Straßenrand sitzen und weinen sollen? Natürlich war das blöd, aber sie hatte plötzlich keine Lust mehr und ich wollte unbedingt nach Portugal“, erinnert sich Kreuter an jene Momente zurück. Heute, rund eineinhalb Jahre später, fühlt sie sich in den damals getroffenen Entscheidungen bestätigt, immerhin waren die folgenden 16 Monate im Rahmen des Erasmus+-Programms der Europäischen Union in einem Ausbildungs- und Zuchtbetrieb für Pferde im portugiesischen Cartaxo Distrikt Santarem die „lehrreichste Zeit“ ihres Lebens.
Tourguide bei der spanischen Hofreitschule
Auf dem Hof von Herrn Oliveira hatte sie bereits im Vorsommer ein mehrwöchiges Praktikum absolviert und die portugiesische Zuchtart der besonderen Lusitano-Rasse und das unkonventionelle Reiten in sich aufgesogen. Mittlerweile weiß sie, dass in diesem malerischen Ort in Portugal, inmitten von weiten Weiden und wildem Gestrüpp, ihre Zukunft liegt.
„Es fühlt sich manchmal an wie der wilde Westen Europas, aber ich will dorthin zurück und Pferde ausbilden,“ erklärt Kreutter, die aber vorher erstmal noch ihr Bachelorstudium in Wien beenden muss.
Diese konkrete Entschlossenheit war zudem nicht immer so in Kreutters Leben: Denn nach ihrem Abitur
jobbt sie für sechs Monate im Stall von Prinzessin Nathalie zu-Sayn-Wittgenstein, bereitet dort die Pferde für Wettkämpfe vor, pflegt diese und erledigt alle sonstigen Pflichten rund um die Tiere – „Von Mist schaufeln bis auf internationale Turniere mitfahren, diese Zeit hat mir einen guten Einblick hinter die Kulissen des Pferdesports gegeben.“
Im Jahr 2014 entscheidet sie sich schließlich für das Studium der Pferdewissenschaften in der
österreichischen Hauptstadt. Dort arbeitet Kreutter als Tourenguide an der spanischen Hofreitschule in Wien, einem immateriellen Weltkulturerbe der Unesco, und lernt vom dortigen Stallmeister viel über die weltberäumte Lipizzaner-Rasse. Nun rückt zunehmend das eigene Reiten in den Fokus der 27-Jährigen, so dass sie sich sich ein eigenes Pferd kauft – übrigens genau wie den LKW fast eigenfinanziert durch unzählige Stunden harter Arbeit. Als sie dann schließlich in Portugal landet, weiß sie relativ schnell, dass sie vorerst angekommen ist.
Portugiesischer Stierkampf: Mensch auf Pferd mit dem Stier
„Ich habe dort von Beginn an quasi wilde Pferde auf das Dressurreiten oder den Stierkampf vorbereitet“, erklärt Kreutter fast beiläufig: „Man muss sich vorstellen, dass die jungen Tiere der Rasse Lusitano vier Jahre fast wild in den weiten Weiden leben, ehe sie dann gezähmt werden. Die lassen sich weder mit Zuckerstückchen locken noch streicheln.“ Dennoch beweist sich Kreutter in dem ansonsten herzlichen Umfeld in Portugal und reitet im Schnitt acht bis zwölf Pferde am Tag.
Nebenher entdeckt sie ihre Leidenschaft für den Stierkampf, der allerdings anders verläuft als der
spanische: Bei der portugiesischen Variante sitzt der Mensch auf einem Pferd und muss dem rund 500 bis 700 Kilo schweren Stier ausweichen – aber alle Protagonisten überleben am Ende. „Ich betrachte diesen Brauch aus der kulturellen Sicht. Das faszinierende ist, dass Reiter und Pferd eine Einheit sein müssen, um das hinzubekommen. Es steht eher die Kunst im Mittelpunkt“, erläutert Kreutter, die allerdings auch kritische Stimmen verstehen kann. „Jeder sollte sich sein eigenen Bild machen.“ Sie selber stieg sogar auch mal in den Ring, allerdings mit einer deutlich kleineren Variante eines Stiers: „Meine Kollegen haben gelacht, waren aber am Ende echt beeindruckt, wie gut es geklappt hat.“ Ein lokaler Journalist druckte sogar eine kleine Geschichte über die „erste Deutsche im Stierkampf“ ab.
Es sind melancholische Erinnerungen, so dass ihr Weg im Juni zurück nach Portugal führt, zurück zu den wilden Lusitanos und wohl auch zurück zum
Stierkampf – das eigene Adrenalin aber auch die filigrane Ausbildung der athletischen Pferde sollen ihre berufliche Zukunft sein.