CrossFit ist ein ganzheitliches Fitnessprogramm mit ursprünglichen Trainingsmitteln. Ziel ist es auch, Alltagssituationen besser zu bewältigen.
Netphen. Da ist er plötzlich. Ein kurzer, stechender Schmerz im Rücken. Irgendwo im unteren Bereich, nicht genau lokalisierbar. Die Kiste Mineralwasser muss erstmal wieder abgestellt werden. Oh Gott, bloß kein Bandscheibenvorfall oder ein Hexenschuss. Nein, so schlimm ist es wohl nicht. Nächster Versuch. Jetzt aber richtig. Nicht mit langen Armen und gebeugtem Oberkörper, sondern schön langsam in die Knie gehen, fest zupacken, sanft aufrichten, gerade bleiben und das sperrige Ding im Kofferraum abstellen. Eine zweite Kiste Wasser und ein Kasten Bier folgen noch. Das Beschriebene ist eine Situation, die fast jeder kennt und vielleicht auch schon erlebt hat.
Kein klassisches Fitness-Studio
„Ich mache Dich gesünder für den Alltag und gehe Dir so lange auf den Nerv, bis Du die Kiste Wasser optimal hochhebst und abstellst!“ Rums! Wer das mit dem Brustton der Überzeugung sagt, ist Björn Müller, Inhaber der „Box57“ in Netphen (www.box57.de). In einer schlichten Industriehalle hat der Gosenbacher ein CrossFit-Zentrum aufgebaut.
Wer hier Laufbänder, modernste Spinningräder, vielleicht sogar Sauna oder Solarium erwartet, ist fehl am Platz. Die „Box57“ hat mit einem klassischen Fitness-Studio nichts zu tun. Hier werden keine (menschliche) „Maschinen“ produziert, wird nicht einsam trainiert, sondern in der Gruppe, in der „Community“. Denn dies ist ein Teilaspekt des CrossFit, dieser aus den USA auch nach Deutschland importierten Fitnesstrainingsmethode, die mehrere Sportarten miteinander verbindet, um sein körperliches Wohlbefinden auf Dauer zu verbessern.
Heben, Springen, ja sogar Turnen
Gewichtheben, Sprinten, Eigengewichtsübungen, ja sogar das klassische Turnen sind grundlegende Elemente einer CrossFit-Trainingseinheit, die in der „Box57“ eine Stunde dauert. Wer nach diesen 60 Minuten nicht durchschnaufen muss, hat etwas falsch gemacht oder zwischendurch das Handtuch geworfen. Ziel der ganzen Strapaze ist es, die Trainierenden in verschiedenen Fitnessdisziplinen ausgewogen zu entwickeln: Ausdauer, Durchhaltevermögen, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance, Koordination und Genauigkeit.
Um an diesem Abend eine Trainingseinheit mitzumachen, reicht die Motivation nicht. Wir schauen lieber zu und sind fasziniert. Die Gruppe ist mit zehn Sportlern überschaubar und überraschend homogen: Junge, Ältere, Frauen, Männer, Hobbysportler, Leistungssportler wie die Zweitliga-Handballer des TuS Ferndorf, Rentner, Arbeiter, Angestellte, Hausfrauen – eben der gesamte gesellschaftliche Querschnitt. Das Warm-up zum Techniktraining muss zum Auftakt sein, um die Muskeln aufzuwärmen, die Bänder geschmeidig zu machen, den Kopf frei zu bekommen.
Thema „einbeinige Kniebeuge“
Es folgen leichtere Kraftübungen, natürlich individuell abgestimmt. Dann geht es ans Eingemachte. Im Mittelpunkt dieser Stunde steht das Thema „Einbeinige Kniebeuge“ in verschiedenen Varianten und Schwierigkeitsgraden. Für eine „Aufsteigeübungen“ dient zum Beispiel eine Holzkiste als „Sportgerät“ oder wird das einbeinige Kniebeugen mit Medizinbällen geübt. Das ist nicht gerade spektakulär, aber anstrengend und auf Dauer effektiv, weil man diesen Bewegungsmustern auch im Alltag begegnet.
Es gibt aber auch das sogenannte Conditioning oder auch Zirkeltraining. Hört sich spannend an, ist es auch, denn ist das Kernstück jeder Einheit, weil hier die Intensität der Übungen sehr hoch ist. Dieses „Workout“ besteht aus einer Reihe verschiedener Übungen in mehreren Runden, geht es also richtig zur Sache.
Dabei ist entweder eine vorgegebene Anzahl an Runden in möglichst geringer Zeit auszuführen oder in einer vorgegebenen Zeit eine möglichst hohe Anzahl an Runden. Weil das Training ständig variiert, kann jeder den Grad der Übungen seinem Fitnesszustand anpassen und sind die zertifizierten Trainer dazu verpflichtet, Defizite der Probanden zu erkennen und das für sie richtige Maß anzupassen.
Auch ein Wettkampfsport
Das ist auch für Sandra Springwald ein Motiv, CrossFit zu betreiben. „Ich bin nicht die Schlankste, muss mir aber nicht doof vorkommen, wenn ich eine Übung nicht in der Form mitmachen kann“, sagt die 46-Jährige. Die Siegenerin betreibt seit zweieinhalb Jahren CrossFit und hat den Einstieg nicht bereut: „Ich gehe jedes Mal mit viel Motivation zum Training, weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Ich bin seitdem auf jeden Fall stärker geworden.“ Tina (30) macht CrossFit, „um was für meinen Rücken zu tun.“ Das Ganzkörpertraining sei zwar anstrengend, aber effektiv. „Ich hebe meinen Einkaufskorb seitdem auf jeden Fall anders hoch als früher“, sagt die in Netphen arbeitende Siegenerin.
CrossFit als Wettkampfsport ist das Ding von Lilli Grabowitz. Die 31-Jährige kommt seit vier Jahren sechs Mal in der Woche zum Training in die „Box57“: „Klar, man muss für so etwas diszipliniert sein oder werden, aber es lohnt sich. Und durch die Community kommt hier jeder auf seine Kosten.“
Unbewusst richtig bewegen
Ach so: Gestern habe ich mich dabei ertappt, den Kasten Wasser wieder so erst ins Auto, dann über 50 Stufen in die Wohnung zu transportieren, dass mich Björn Müller bestimmt ermahnt hätte. „CrossFit ist ein Ganzkörpertraining, mit dem man sich auf alle Anforderungen des Lebens vorbereiten kann. Ich will, dass man sich richtig bewegt – und zwar in der endgültigen Form unbewusst“, sagt er. Das macht Sinn.
AUF EINEN BLICK
Die Ursprünge
CrossFit wurde vom ehemaligen High-School-Turner Greg Glassman und seiner Exfrau Lauren schon 1980 entwickelt und ist eine Fitnesstrainingsmethode, die vom gleichnamigen US-amerikanischen Unternehmen „CrossFit“ vertrieben wird.
Der erste CrossFit-Fitnessraum wurde 1995 in Santa Cruz eröffnet.
Seit 2012 hat sich CrossFit auch in Deutschland ausgebreitet.
Das Training
Es basiert auf Übungen, die den im Alltag begegneten Anforderungen entsprechen, wie zum Beispiel Treppensteigen mit schweren Einkaufstaschen oder das Heben von schweren Gegenständen.
Trainiert wird in aller Regel rund eine Stunde und überwiegend in kleinen Gruppen.
Ständig wechselnde Variationen sorgen für neue Trainingsreize.
Die Geräte
Statt des üblichen Geräteparks in einem klassischen Fitness-Studio werden in den CrossFit-Boxen ursprüngliche Gegenstände vielseitig eingesetzt.
Klassische Beispiele sind Langhanteln, Medizinbälle, Klimmzugstangen, Turner-Ringe, Eisenkugeln mit
Griff (Kettlebells“) aber auch mal ein riesiger Lkw-Reifen.
Das Ziel
Die Trainierenden sollen in diesen verschiedenen Disziplinen leistungsstärker und fit(ter) für den Alltag gemacht werden: Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance, Koordination und Genauigkeit.
Der Verein
Sportvereine im Kreis Siegen-Wittgenstein bieten Varianten von CrossFit an, zum Beispiel 4xF Cross-Training oder Body-Workout.
Information gibt es beim Kreissportbund Siegen-Wittgenstein (www.ksb-siegen-wittgenstein.de).