Die Siegerländer KV liefert gegen den SC Cottbus einen fast makellosen Wettkampf ab und zieht ins „kleine Finale“ am 30. November ein.

Kreuztal. Was für ein Abend, was für ein Wettkampf! Mit einem in dieser Deutlichkeit nicht erwarteten 57:14-Sieg nach Score- und 12:0 nach Gerätpunkten gegen den SC Cottbus ist Kunstturn-Bundesligist Siegerländer KV ins „kleine Finale“ der Deutschen Turn-Liga am 30. November in Ludwigsburg gegen den TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau eingezogen und hat die 880 Zuschauer in der Sporthalle Stählerwiese, die zeitweise zum Turn-Tollhaus wurde, mit einer nahezu fehlerfreien Leistung begeistert. „In dieser Form können wir auch das kleine Finale gewinnen“, sagte die Nummer eins der SKV, Philipp Herder, der selbst einen großen Teil dazu beigetragen hatte, dass viele Turnfans diesen Abend in Erinnerung behalten werden.

Glückwunsch eines Olympiasiegers: Fabian Hambüchen (r.) gratuliert Sebastian Bock zu seiner gelungenen Übung am Pauschenpferd.
Glückwunsch eines Olympiasiegers: Fabian Hambüchen (r.) gratuliert Sebastian Bock zu seiner gelungenen Übung am Pauschenpferd. © Reinhold Becher

Sicherlich kam es der SKV in diesem „Showdown“ um den vierten Rang in der Abschlusstabelle der 1. Liga zu pass, dass die Lausitzer personell geschwächt ins Siegerland gereist waren, mit dem ukrainischen Routinier Igor Radivilov nur ein ausländischer Turner dabei war.

Zu allem Überfluss verletzte sich Christopher Jursch bei seinem Abgang an den Ringen am rechten Bein und musste den Wettkampf abbrechen. Er schwächte Cottbus vor allem an den noch folgenden Geräten Barren und Reck.

Doch wohl auch in einer stärkeren Besetzung und ohne Jurschs Verletzungspech hätte die SKV die Oberhand behalten, zu griffig und fokussiert zog das Team den Wettkampf durch. „Die Mannschaft ist geschlossen aufgetreten“, lobte SKV-Präsident Reimund Spies – und versteht bis heute nicht, warum es in fremden Hallen in dieser Saison nicht gelungen ist, das Potenzial abzurufen.

Boden

Perfekter hätte der Auftakt aus SKV-Sicht nicht sein können und erwies sich die kurzfristige personelle Umstellung sogar als Vorteil. Philipp Herder zog, weil er sich auf der Bodenfläche eines anderes Herstellers nach dem Einturnen „nicht wohl fühlte“, zurück. Anstatt des Berliners stellte Mannschaftsverantwortlicher Heinz Rohleder den Freudenberger Nico Ermert auf, der dieses Vertrauen mit drei Punkten im Duell gegen Elias Graf zurückzahlte.

Zu diesem Zeitpunkt führte die SKV bereits mit 10:0, weil Ahmet Önder gegen Leonhard Prügel besser war, Daniel Uhlig mit einer seiner besten Bodenübungen überhaupt satte fünf Punkte gegen Tom Schultze geholt und der junge Dario Sissakis mit seinen komplizierten Schraubenverbindungen dem Cottbuser Weltklasse-Mann Igor Radivilov sensationell drei Zähler abgeluchst hatte.

Seitpferd

Die SKV legte nach, auch wenn Philipp Herder gegen Devin Woitalla und Sebastian Bock gegen Lucas Kochan die ersten Cottbuser Punkte zulassen mussten. Dies machten aber ein erneut glänzend aufgelegter Fabian Lotz, betreut und motiviert von Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen, und Seitpferd-Spezialist Saso Bertoncelj mit insgesamt sieben Zählern mehr als wett.

Ringe

Die Ringe entpuppten sich als Schlüsselgerät für den weiteren Wettkampfverlauf. Die SKV entschied es mit 8:6 für sich und ging mit 6:0-Gerätpunkten in die Pause – das war mehr als die halbe Miete. Der Brite Courtney Tulloch und Philipp Herder gegen Pechvogel Christopher Jursch legten jeweils vier Punkte vor. Als Dario Sissakis trotz eines Ausfallschritts beim Abgang sein Duell gegen Leonhard Prügel „nur“ mit 0:1 verlor, war der SKV der Gerätsieg gewiss, fiel das 0:5 von Eric Lloyd Hinrichs gegen Igor Radivilov nicht so stark ins Gewicht.

Sprung

Die Prognose von SKV-Vorstandsmitglied Horst-Walter Eckhardt („Ich glaube nicht, dass wir dieses Gerät gewinnen“) bestätigte sich nicht. Vielmehr machte die SKV gleich zu Beginn der zweiten Wettkampfhälfte sogar schon den Gerätsieg perfekt. Ahmet Önder glich mit drei Punkten gegen Devin Woitalla das (erwartete) 0:3 von Dario Sissakis gegen Igor Radivilov aus. Den entscheidenden vierten Punkt holte ein glänzender Philipp Herder gegen Leonhard Prügel.

Barren

Für die SKV ging es jetzt „nur“ noch darum, auch in der Scorewertung vorne zu bleiben, um das Ticket nach Ludwigsburg zu lösen. Und dies gelang mit Bravour. Philipp Herder (2) und die Zuverlässigkeit in Person, Sebastian Bock (4), legten die Grundlage für den Sieg am fünften Gerät. Dem standen Fabian Lotz (2) und Ahmet Önder (5), WM-Zweiter von 2019 am Barren, in nichts nach, war der SKV der Gesamtsieg bei einem 45:13-Vorsprung (!) längst nicht mehr zu nehmen.

Reck

Zum „Finale furioso“ erlebten die Zuschauer eine Flugshow mit klaren Vorteilen für die SKV, die gegen tapfer durchturnende, aber chancenlose Cottbuser den Wettkampf standesgemäß veredelte – allen voran Sebastian Bock (4) und Ahmet Önder (5). Als zum Schluss Fabian Lotz gegen Elias Graf auch noch vier Zähler zum 57:14-Endstand beigesteuert hatte, fiel die gesamte Mannschaft über den Hessen her, der sich nur mit Mühe aus dieser jubelnden Muskelmasse befreien konnte.

Auch gegen Cottbus in starker Form: Fabian Lotz, hier am Seitpferd.
Auch gegen Cottbus in starker Form: Fabian Lotz, hier am Seitpferd. © Reinhold Becher

Als das gelungen war, feierte das Team aber nicht nur sich, sondern auch mit den Zuschauern, die für eine einzigartige Atmosphäre gesorgt hatten. „Das war ja wie in den Duellen gegen KTV Obere Lahn“, sagte Philipp Herder. Stimmt!