Blankenburg. Jochen Behle im Interview über die Situation des Bundesstützpunkts, Vereinswechsel und die Gründe für einen stark verkleinerten Landeskader.
Eine neue Hitzewelle kündigen die Wetterfrösche für die kommenden Tage an. Es wird also eine Menge Schweiß fließen, wenn im Harz die ersten Punkte für den Deutschlandpokal im Skilanglauf vergeben werden. Die Wettkämpfe in Blankenburg (Sachen-Anhalt) finden nicht auf Ski statt, sondern in Form eines Athletiktests bzw. eines Bahn- und Crosslaufs. Am Sonntag gibt es ein Skiroller-Massenstartrennen.
Angereist ist auch Jochen Behle, der sich als Sportdirektor des Bundesstützpunkts Winterberg/Willingen ein Bild vom Leistungsstand der heimischen Athleten machen möchte. Er hat in den vergangenen Monaten die zurückliegende Saison mit den Disziplintrainern analysiert und die Weichen für die kommende Saison gestellt. Zum Stand der Dinge gibt er im Interview Auskunft.
Herr Behle, welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von den heimischen Sportlern am Wochenende?
Es ist nicht so viel zu erwarten. In der Jugend sind wir dünn besetzt und qualitativ nicht vom Besten gesegnet. Ziel sind möglichst viele Punkte im Deutschlandpokal, um ab 2020 für einen Kaderplatz im Deutschen Skiverband in Frage zu kommen.
Aktuell sind dort keine Sportler aus unserem Gebiet gelistet. Wie sieht es insgesamt am Stützpunkt Winterberg/Willingen aus?
Sehr unterschiedlich, je nach Disziplin. Im Langlauf hat es Zoe Delgado [SKG Gersfeld/Rhön, Anm. d. Red.] geschafft, sie ist aber nach Oberhof gewechselt. In der Nordischen Kombination läuft es hervorragend, dort sind wir in allen Nachwuchskadern bis zum Perspektivkader [früher B-Kader, Anm. d. Red.] vertreten. Das spricht für sich. Der Sprungbereich ist auch in Ordnung und die Entwicklung im Biathlon erfreulich, wenngleich wir dort noch mehr Potenziel haben.
Das klingt überwiegend positiv...
Unsere Anerkennung als Bundesstützpunkt Ski ist für die kommenden Jahre gesichert, weil wir die Kaderzahlen erfüllen. Wir waren mal bei sechs Athleten, jetzt haben wir 13 oder 14 im Bundeskader.
Eine Ebene tiefer, für den Landeskader, wurden weniger Plätze vergeben als in vergangenen Jahren. Weshalb?
Wir mussten strenger sein, denn es gibt eine Vorgab des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der strebt an, dass ein Sportler nicht länger als drei Jahre in einem Landeskader ist, wenn er dann nicht den Sprung in des Bundeskader geschafft hat.
Das bedeutet...?
Wenn wir einen Biathlet oder Langläufer in der Schülerklasse 13 in den Landeskader nehmen, müsste er gleich im ersten Jugendjahr den Sprung in den Bundeskader schaffen, um nicht ohne Förderung dazustehen. Da dürfte dann nicht viel schief gehen, was in diesem Alter aber immer mal sein kann. Deswegen haben wir beschlossen, den Landeskader-Status erst ab der S15 zu vergeben, um die Sportler möglichst lange unterstützen zu können.
Bei den Jugendlichen hat man in den Vorjahren bei einer Norm-Teilerfüllung, die in diesem Jahr etwa Janne Bernshausen (Langlauf) oder Jana Fiedler (Biathlon) erzielt haben, auch mal ein Auge zugedrückt. Warum nicht diesmal?
Es macht keinen Sinn, Kriterien zu setzen, wenn man sie jedes Mal aufweicht. Das ist eben so, das ist Leistungssport. Mit dem Tabellensiebzehnten in der Fußball-Bundesliga gibt es auch keine Gnade, ob knapp oder nicht. Die Jana kann aber über die Sommerleistung für den Herbst und Winter noch in den Kader aufgenommen werden. Wenn sie die Leistung bringt, ist sie sofort dabei. Und das gilt auch für die anderen.
Zurück zum Thema Langlauf. Wurmt es Sie, dass der Stützpunkt gerade in ihrer Herzensdisziplin hintendran ist?
Natürlich wäre es mir lieber, wenn es anderes wäre. Aber im Langlauf ist es ja auch insgesamt schwierig in Deutschland, das macht mir Sorgen. Wir brauchen auch in der Spitze wieder gute Leute. Dort brauchst du einen Star, am besten aus der Region, der jede Woche im Fernsehehen ist. Deshalb hoffe ich auch sehr, dass sich Maren Hammerschmidt wieder in Szene setzen kann. Beim Langlauf ist das Problem: Wenn die Talente sehen, dass die selbst besten Deutschen im Weltcup keinen Fuß in die Tür bekommen, denken sie eher über einen Wechsel zum Biathlon oder zur Nordischen Kombination nach.
Wie sehr schauen Sie denn mit den Trainern auf die Details?
Wir gehen Trainingspläne gemeinsam durch. Wenn es Defizite gibt, wird natürlich darüber gesprochen. Im Langlauf können wir im technischen Bereich mehr machen und wollen das Pensum im Ausdauertraining erhöhen. Das passiert auch schon und hat bei den Schülern Erfolge gezeigt, da waren wir zuletzt in der S14 mit drei Läufern unter den ersten Zehn. Allgemein ist eine gute Ausdauer-Grundlage sehr wichtig, auch im Biathlon. Dort haben wir mit Finn Tielke und Ansgar Klein zwei Jungs, die nah an den Besten ihres Alters dran sind. Auch bei Lisa Witten in der Jugend hat ja nicht viel gefehlt.
Ansgar Klein und Lisa Witten haben sich wie Lilli Bultmann dem Internat Willingen und der dortigen Trainerin Susen Fischer angeschlossen. Muss man sich, wie vor wenigen Jahren bei Christopher Niggemann, mittelfristig auch auf einen Vereinswechsel einstellen?
Nein, da schieben wir einen Riegel vor. Wir sind bei der Basisarbeit auf Vereine wie Bad Berleburg im Biathlon oder Neuenrade und Meinerzhagen im Skisprung angewiesen. Der Lennart Weigel trainiert schon zig Jahre in Willingen, springt aber noch für Meinerzhagen. Die Sache mit diesen Wechseln folgt oftmals einer Gruppendynamik, hier eben in Richtung Willingen, wobei auch schulische Belange eine kleine Rolle spielen. Im Langlauf konzentriert es sich eher in Winterberg. Mit der neuen Leistungssport gGmbH macht es sowieso keinen Unterschied mehr, ob eine Leistung für den WSV oder HSV, für den Verein oder für den Verein erzielt wird. Da zählt letztlich das gemeinsame Abschneiden.
Stichwort Zusammenarbeit der Verbände: Im Langlauf gibt es seit dieser Saison nur noch einen Landestrainer für beide Verbände. Könnte das auch in anderen Disziplinen Schule machen?
Nein, nein. Das ist aber der aktuellen Situation geschuldet. Mit Ilva Kesper wäre nur eine Athletin dem hessischen Landestrainer zugeordnet. Ein Trainer für nur eine Sportlerin macht aber wenig Sinn, deswegen betreut WSV-Trainer Stefan Kirchner sie ein Jahr lang mit.
Und in Zukunft?
In einem Jahr wollen wir auch in Hessen wieder einen Trainer haben. Die Stelle ist ausgeschrieben und es gibt Bewerbungen, nur aktuell noch keinen Bedarf. Nur einen Trainer zu haben geht schon allein deshalb nicht, weil Stefan Kirchner nicht Schüler und Jugendliche dauerhaft gleichzeitig betreuen kann. Erst recht nicht aus zwei Verbänden.
Wie sieht es beim Dauerthema Kunstschnee-Loipen aus. Gibt es dort Fortschritte?
Es sieht gut aus, dass wir das Langlaufzentrum Westfeld bald in das Gesamtprogramm der ESZW [Erholungs- und Sportzentrum GmbH Winterberg, Anm. d. Red.] bekommen. Damit hätten wir direkteren Zugriff auf das, was in Westfeld passiert. Um dort große Veranstaltungen durchzuführen, müsste an den Strecken baulich noch ein bisschen was gemacht werden. Das bekommen wir für den kommenden Winter noch nicht hin, im Sommer danach aber schon. Das wäre ein wichtiger Schritt für uns.