Alme. Der TuS Erndtebrück II gewinnt das Entscheidungsspiel gegen Viktoria Rietberg. Zwei Matchwinner und ein mächtig aufgewühlter Alfonso Rubio Doblas
Sie lagen sich lachend in den Armen, versammelten sich zum Tänzchen und setzten noch zu einer Bierdusche auf den Trainer an. Alfonso Rubio Doblas hatte den Braten allerdings ebenso gerochen wie Michael Müller am Tag zuvor nach dem Pokalsieg der „Ersten“ und entzog
TuS Erndtebrück II siegt im Entscheidungsspiel
sich dem klebrigen Nass. Entscheidend war: Mit dem 1:0 (1:0)-Sieg gegen Viktoria Rietberg im Entscheidungsspiel um den Landesliga-Klassenerhalt geht die Mannschaft des TuS Erndtebrück II positiv auseinander. Die aktuelle Besetzung der Pulverwald-U23 verstreut sich in alle Winde, teils zur „Ersten“, teils zu anderen Vereinen, teils in den Fußball-Ruhestand.
„Lass uns morgen darüber sprechen“, bat der Sportliche Leiter Alfonso Rubio Doblas, der an Christi Himmelfahrt letztmals die „Zweite“ trainierte, bei der Frage nach der Zukunft des Landesliga-Teams um einen Aufschub. Sollte der Siegener das „Aus“ für die zweite Mannschaft verkünden, würde dies niemanden wirklich überraschen. Nicht ausgeschlossen ist, dass man sich daran begibt, eine neue und auch – dieser Zwang ergibt sich aus sinkenden Sponsoreneinnahmen – kostengünstigere Mannschaft zusammenzustellen. Sollte dies innerhalb eines Monats gelingen, wäre es nicht weniger als ein Husarenstück.
Für den Moment zählte jedoch der Stolz, den sportlichen Totalschaden abgewendet zu haben. Auch den Unkenrufen, ihnen sei das weitere Schicksal der Erndtebrücker „Zweiten“ herzlich egal, traten die Spieler entgegen. Die Partie in Alme war vor allem anderen ein Nerven- und Kampfspiel. Darin waren die Wittgensteiner zumindest nicht schlechter. „Nach dem Spiel in Wetter waren wir eigentlich tot, aber wir haben uns belohnt für den Kraftakt der letzten Wochen. Wir hatten heute aber auch ein bisschen Glück, das muss man fairerweise sagen“, sagte Rubio Doblas.
Großartige Einzelaktionen spielten eine entscheidende Rolle. Die beiden Helden des Spiels könnten noch in der A-Jugend kicken und gehören ab Juli zum Oberliga-Kader. Mats Birkelbach besorgte in der 15. Minute das Tor des Tages in bester Schlitzohr-Manier. Einen Freistoß aus dem Halbfeld zog er nicht, wie von allen erwartet, als Flanke vors Tor, sondern jagte den Ball ins kurze Eck. „Der Torwart stand von mir aus gesehen zu weit rechts, also habe ich es probiert“, kommentierte der Rotschopf seinen Treffer, den der gastgebende B.V. Alme mit „Es rappelt im Karton“ als Tormusik begleitete.
Kurz angespielt wurde das Lied noch einmal in der 82. Minute, weil die Sportplatz-Regie den Jubel am Rand der falschen blau-weißen Partei zugeordnet hatte. Als Rietberg nach einem Foul von Mats Birkelbach einen Elfmeter zugesprochen bekam, schlug die große Stunde von Torwart Alex Taach, der gegen Sturm-Koloss Marc Birkenhake parierte. Ein bisschen mit der Hand, ein bisschen mit dem Kinn – entscheidend war, dass es eben doch nicht im Karton rappelte.
Bis zur Halbzeit kontrollierte Erndtebrück die Partie und zeigte sich als die technisch bessere, ballsichere Mannschaft. Die große Schwäche dieser Saison konnte der „TuS Zwo“ allerdings auch in diesem Spiel nicht beiseitewischen. Im letzten Drittel fehlte es an Zielstrebigkeit, Durchsetzungsvermögen und Genauigkeit – oder auch an einem echten Stürmer. Cem Özer mühte sich als „falsche Neun“ zwar redlich, bis zur Pause kam er aber ebenso wenig zu einem klaren Abschluss wie seine Mitstreiter. Bis auf einen versuchten Lupfer von Birkenhake brachte allerdings auch Rietberg nichts nennenswertes zustande.
„In der zweiten Halbzeit haben wir mehr und mehr den Faden verloren“, räumte Rubio Doblas ein: „Aber wir haben den Gegner nicht richtig torgefährlich werden lassen.“ Damit fasste er das Geschehen nach dem Seitenwechsel durchaus treffend zusammen. Taach musste in der 48. Minute Riedbergs Lukas Keles im „Eins gegen Eins“ bremsen, sonst bis zum Elfmeter aber „nur“ bei Standards und hohen Bällen sein ganzes Können aufbieten. Erndtebrück II wusste die zunehmend größer werdenden Räume offensiv nur selten zu nutzen. In der 75. Minute ließ der TuS eine Dreifach-Chance durch Murthada Kalaf-Jebur (2) und Özer aus, kam aber sonst nur zu Distanzschüssen.
So musste bis tief in die Nachspielzeit um den Klassenerhalt gezittert werden. Rietberg, lautstark durch Trommeln und Gesängen von vielen mitgereisten Fans unterstützt, kämpfte bis zuletzt – aber vergeblich. Die Ostwestfalen schlichen als faire, aber bitter enttäuschte Verlierer vom Platz und müssen nach zwei Landesliga-Jahren in der kommenden Saison in der Bezirksliga weitermachen.
Die Erndtebrücker hingegen haben die Kurve bekommen, verloren nur eines der letzten sechs Spiele. „Unterm Strich steht der Klassenerhalt. Kompliment an die Jungs, sie haben viel durchgemacht, sie haben sich reingehangen. Kompliment auch an Dirk Beitzel“, sagte Rubio Doblas: „Es ist nicht alltäglich, dass am Trainer festgehalten wird, dass er sogar gestärkt wird in einer schwierigen Phase.“
Der Trainer sieht den Klassenerhalt auch als kleine persönliche Genugtuung: „Ich habe auch viel einstecken müssen über soziale Medien, das war teilweise unter der Gürtellinie. Da wurde ja gesagt, ich trinke gerne Bier. Das werde ich auch reichlich machen die nächsten Tage. Diese Saison hat mein Nervenkostüm arg strapaziert, das muss ich erst mal sacken lassen.“
Eingeleitet wurde die Wende ausgerechnet nach dem 0:2 im zuvor als Schlüsselspiel ausgerufenem Spiel in Wetter. „Damals habe ich gegenüber der Mannschaft noch mal sportliche Kritik geäußert, die hart war. Die Jungs sind enger zusammengerückt und haben mir gegenüber vielleicht auch eine Leck-mich-am Arsch-Mentalität entwickelt, ab da war es ein positives Wir-Schaffen-Das“, sagt Rubio Doblas. „Vorher waren wir ein Kreis, der einfach nicht zusammengepasst hat. Das meine ich nicht als Nachtreten, es passte halt nicht zusammen, aber es wurde peu á peu besser.“
Dies galt nach dem Wetter-Spiel auch in fußballerischen Belangen. Das Hinzukommen der A-Jugendlichen Taach, Birkelbach, Maximilian Schneider, Niko Klappert und Murtadha Kalaf Jebur half sichtlich. Auch eine taktische Umstellung trug zur Besserung bei. „Wir haben nach dem Spiel in Wetter nicht mehr nur abwartend gespielt, sondern wieder mehr Ballbesitz entwickelt, sind den Gegner auch mal wieder vorne angelaufen. So war es dann auch mental besser zu spielen als in den Monaten davor“, erinnert sich Manuel Müther, der zuletzt als defensiver Mittelfeldspieler aktiv war. Ihn zieht es zum Olper A-Kreisligisten SV Rothemühle, für den er vor vielen Jahren, bis zur Saison 2011/12, schon einmal die Schuhe schnürte – damals noch in der Landesliga.