Siegen-Wittgenstein/Kaiserau. Gundolf Walaschewski über Reinhard Grindels Amtszeit und die Kriterien für dessen Nachfolge. Wie Grindel plädiert er für höhere Beiträge.
Nur drei Jahre war Reinhard Grindel Präsident des DFB. Was bleibt sind eine ganze Reihe Handlungen, die Irritationen, Missverständnisse und heftige Kritik hervorriefen. Am Ende brachte das Tragen einer geschenkten Rolex-Armbanduhr (rund 6000 Euro wert) des ukrainischen Oligarchen Grigori Surkis das Fass zum Überlaufen und Grindel trat als DFB-Präsident zurück.
Der durch Sommermärchen-Skandal und WM-Fiasko gebeutelte Fußball-Verband erlitt durch die Causa Grindel, der gerne als „Präsident der Amateure“ posierte, einen weiteren Schiffbruch. Nie zuvor war die Kluft zwischen DFB-Führung und seiner Basis tiefer, die einstige Vorbildfunktion des Dachverbandes wird von Seiten der Amateure längst mit Kopfschütteln quittiert. Doch was hat ein Wechsel an der Spitze überhaupt für Auswirkungen auf den kleinen Dorfverein und wie wurde Grindels Rücktritt im Landesverband aufgenommen?
Kein Lippenbekenntnis
Gundolf Walaschewski ist Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW). Der gebürtige Siegener ist immer noch Mitglied beim TSV Siegen und kennt durch seine langjährige Tätigkeit als Schiedsrichter auch die DNA kleiner Vereine. Über Grindel sagt Walaschewski: „Ich glaube, dass der Rücktritt unausweichlich war, zumal am Ende auch noch die geschenkte Uhr zum Thema wurde. Der öffentliche Druck wurde schlicht zu hoch.“
Wie sich Grindel in seinem Amt gegenüber Amateuren verhielt, lässt sich laut Walaschewski schwer in wenige Worte fassen. Er könne aber zumindest sagen, dass Grindel häufig den Kontakt zu den Verbänden und seinen Amateuren gesucht habe: „Er war zuletzt bei unserem Jahresempfang, und da hatten alle Beteiligten den Eindruck, dass sein Bekenntnis zu den Amateuren kein Lippenbekenntnis ist, sondern wirkliches Interesse ausdrückte.“
Nur moralische Instanz
Aber – und da geht es um den DFB in seiner Funktion als Dachverband – sagt Walaschewski: „Der DFB-Präsident ist für die kleinen Vereine im Grunde so viel wert, wie für die Kommunen der Bundespräsident. Er ist zwar eine moralische Instanz, jedoch keine, von der man ein direktes Eingreifen in die Belange von kleinen Vereine erwarten kann.“ Heißt: DFB ist nicht gleich Landesverband und nicht gleich Kreisvorstand. In der öffentlichen Wahrnehmung findet diese Unterscheidung kaum statt. Wenn beim DFB etwas schiefläuft, bekommen es alle Beteiligten mit voller Wucht zu spüren. Somit geht es nicht bloß um Grindel und eine teure Rolex, sondern um einen flächendeckenden Imageschaden.
Für Walaschewski spielt dieser Schaden bei der Auswahl des oder der Neuen im Amt eine wichtige Rolle. Denn welche Eigenschaften es auch sind – sein persönlicher Wunsch wird an den negativen Beispielen der vergangenen Jahre deutlich: „Es darf nicht mehr der Eindruck entstehen, dass das Verhalten von Funktionären mit der Gier nach Positionen, Funktionen, Privilegien und letztendlich nach Geld verbunden ist. Die moralische Integrität wird ein ganz wichtiges Thema sein bei allen zukünftigen Personalentscheidungen.“
Helfen höhere Beiträge?
Ein Kritikpunkt, dem Grindel von Beginn an ausgesetzt war, betraf seine politische und weniger fußballerische Vergangenheit.
Für Walaschewski ist dies kein zwangsläufiges Kriterium, aber: „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Person nicht nur über Verwaltungserfahrung verfügt, sondern eben auch die Mentalität von Vereinen kennt.“
Wer ersetzt Reinhard Grindel?
Die Prominenz um Christoph Metzelder oder Heribert Bruchhagen wird ebenso diskutiert wie eine interne Lösung um Oliver Bierhoff oder Rainer Koch. Silvia Neid, Ex-Bundestrainerin und Ex-Spielerin des TSV Siegen, hat abgesagt.
Die Anti-Korruptions-Expertin und frühere Radsport-Verbandschefin Sylvia Schenk traut sich das Amt hingegen zu. FLVW-Präsident Walaschewski fügt indes hinzu, dass es nicht bloß um den Posten des Präsidenten geht: „Es gibt sicherlich auch ein strukturelles Problem. Das zeigt sich darin, dass letzten Endes Ehrenämter den größten Sportfach-Verband der Welt führen. Ich habe meine Zweifel, ob das noch zeitgemäß und zukunftstauglich ist.“
Massive Kritik von Seiten der Amateure kassierte Grindel beim Amateurfußball-Kongress im Februar, als er die leeren Vereinskassen mit der Idee beantwortete, man solle die Mitgliedsbeiträge erhöhen. Viele sahen sich dadurch in ihrer Meinung bestärkt, der DFB lasse die kleinen Vereine nach dem Motto „Helft‘ euch selbst“ alleine. Dazu meint Walaschewski jedoch: „Ich teile ich die Auffassung von Reinhard Grindel, dass wir mit unseren Vereinsbeiträgen zu niedrig liegen. Bei anderen Sportarten sind die Mitgliedsbeiträge deutlich höher, was übrigens auch eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln von 2016 belegt.“
Die Vereine selbst argumentieren, dass erhöhte Beiträge einen Mitgliederschwund herbeiführen würden. Viel wichtiger ist für Walaschewski jedoch die Frage, wofür erhöhte Beiträge genutzt würden. Qualifizierte Trainer, Sportplatz oder das Vereinsheim: „Wenn man ein qualitatives Angebot macht, dann glaube ich schon, dass Mitglieder durchaus bereit sind, höhere Beiträge zu zahlen. Die Berufsnörgler, die dagegen sind, zahlen nach der Mitgliedersammlung mehr an der Theke, als sie für die Erhöhung des Jahresbeitrages zahlen müssten“, moniert Walaschewski. Die Debatten über solche Ideen sind keine neuen, die Reizbarkeit für derartige Vorschläge aber ist in Reihen der Amateure merklich gestiegen - dafür haben Funktionäre wie Grindel ganz allein gesorgt.