Bad Berleburg. Rund drei Jahrzehnte lang hat Andreas Bernshausen die Leichtathletik-Jugend bei der LG Wittgenstein betreut. Nun ist aus Zeitgründen Schluss
- Jugendarbeit bei der LG Wittgenstein macht Bernshausen stolz
- „Das Trainingsareal ist völlig kaputt und marode, der Boden zu hart“
- „Unser Sport hat eine hohe Akzeptanz und ist so sexy, dass wir trotz allem viele Athleten haben“
Rund drei Jahrzehnte lang hat Andreas Bernshausen die Leichtathletik-Jugend bei der LG Wittgenstein betreut. Nun ist aus Zeitgründen Schluss. Im Interview zieht der Mehrkampf-Fachmann seine letzte Saisonbilanz, erklärt die Nachfolge-Regelung und beleuchtet Probleme und Perspektiven der heimischen Leichtathletik.
Herr Bernshausen, der Zehn- und Siebenkampf genießt viel Respekt, aber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Warum hängt ihr Herz gerade an diesen Disziplinen?
Andreas Bernshausen: Weil ich selbst Mehrkämpfer war und das wie ein Virus ist, der unheilbar ist. Man ist zwei Tage auf dem Platz, schwitzt gemeinsam, kämpft gegeneinander, aber zugleich miteinander. Es ist eine Mehrkampffamilie, was man auch daran sieht, dass man viele Ehemalige am Rande der Wettkämpfe immer wieder trifft. Der Mehrkampf ist eben eine Lebenseinstellung.
Dann dürften Sie froh sein, dass die LGW zum Ende ihrer Trainerzeit mit Jonathan Schröder und Jannis Kozian zwei Zehnkämpfer an den Start gebracht hat.
Ja, das macht mich auch etwas stolz und es war ein sehr schöner Abschluss, die Karriere mit einem Mehrkampf in Betzdorf enden zu lassen. Zumal die Ergebnisse echt geil waren, wir hatten, auch durch unsere anderen Starter der LGW, Bestleistungen ohne Ende.
Übers Jahr gesehen gelangen aber nicht so viele Spitzenplätze und Qualifikationen zu höheren Meisterschaften wie 2016. Wie fällt die Bilanz aus?
Von den nackten Platzierungen her haben wir nicht ans Vorjahr angeknüpft, aber wir waren trotzdem sehr zufrieden. Die Älteren waren im ersten Jahr in der U18, also erstmals in einem Doppeljahrgang. Bei den Leistungen war die Entwicklung so gut wie in den Jahren zuvor, obwohl durch einige Wehwehchen dosiert trainieren mussten. Wenn es Jannis und Jonathan schaffen, überall 50 Punkte draufzupacken, sind sie schnell bei 6000 Punkten. Wenn ich nicht nur auf meine Trainingsgruppe gucke, sondern auf die ganze LG Wittgenstein, fällt das Fazit noch besser aus.
Warum hören Sie trotzdem auf?
Wegen der Arbeitsbelastung. Mit unserer PR-Agentur, der BLB-Tourismus GmbH, der Wisent-Hütte und einer Gesellschaft in Berlin ist es inzwischen einfach zu viel. Auf Dauer werde ich so weder mir, noch den Athleten und schon gar nicht der Familie gerecht. Ich bin ja eigentlich kein Wochenende zu Hause. Wir hatten Jahre in denen wir 52 Wettkämpfe besucht haben, und die fressen ja oft den kompletten Tag. Trotzdem ist mir die Entscheidung aufzuhören sehr schwerer gefallen.
Wie geht es weiter mit Ihrer Leistungsgruppe?
Die LG hat Anzeigen in diversen Portalen geschaltet und einige Personen persönlich angesprochen, aber es sind im Umkreis keine Leute auf dem Markt. Nun wird Bernd Walter gemeinsam mit Katja Böhl die Gruppe trainieren.
Was ändert sich nun?
Statt wie zuletzt 22 Athleten wird die Gruppe wohl nur noch bis zu zwölf Athleten groß sein. Einige Sportler werden künftig wieder stärker von den Stammvereinen betreut, Jonathan und Jannis wechseln zur LG Kindelsberg, wo sie besser aufgehoben sind, wenn sie mal zu einer Deutschen Meisterschaft im Mehrkampf wollen. Auch Till Marburger wird zur LGK wechseln und bei Günther Fick trainieren.
Tut es einem Verein nicht weh, solche Talente aufzubauen und dann, wenn es richtig interessant wird, ziehen zu lassen?
Der Athlet ist das, was wichtig ist, nicht die Eitelkeit des Trainers oder Vereins. Manchmal ist es besser, einen neuen Impuls zu setzen. So habe ich es ich es seit meinen Anfängen gehalten, als beispielsweise Thomas Görz ebenfalls nach Kreuztal gewechselt ist. Er hält immer noch den Zehnkampf-Kreisrekord.
Ein Grund für die Wechsel dürfte sein, dass die Bedingungen in Wittgenstein speziell für den Zehnkampf ziemlich schlecht sind. Wäre es überhaupt möglich, hier Top-Athleten rauszubringen?
Man muss lernen, zu improvisieren. Wir können bei uns im Winter nirgends mit Spikes trainieren und haben auch keine Anlagen in der Halle, machen stattdessen alles in Turnschuhen. Aber auch Top-Athleten haben nicht immer optimale Bedingungen. Man muss mit dem zurecht kommen was man hat und wir sind leistungsmäßig ja nicht abgeschlagen, obwohl die Bedingungen, die wir hier haben, in sehr schwierig sind.
Stichwort Anlagen...
Als Lehrer hätte ich meine Bedenken, meine Schüler ohne Spikes am Kleinspielfeld laufen zu lassen. Das Trainingsareal ist völlig kaputt und marode, der Boden zu hart. Dies zeigt sich auch an vielen kleinen Verletzungen, die unsere Sportler haben. Immer wieder gibt es Reizungen und Entzündungen, häufig auch Kniebeschwerden.
Wie wird das Fehlen von Anlagen kompensiert?
Ich koche heute noch, wenn ich daran denke, dass hier 2006 eine Stabhochsprunganlage verschrottet wurde, nur weil es damals keinen Athleten in der Disziplin gab. Das war unverantwortlich, eine Wertvernichtung von rund 15 000 Euro. Diese Disziplin trainieren unsere Aktiven in Kreuztal und versuchen, wenn wir schon mal da sind, dann auch Diskus- oder Speerwurf zu trainieren. Diskuswurf machen wir teilweise auch aus dem Kugelstoßring, aber das ist ohne Netz natürlich auch gefährlich, gerade bei Ungeübten.
Wie sehen Sie angesichts dessen die Perspektiven der Leichtathletik in Wittgenstein?
Unser Sport hat eine hohe Akzeptanz und ist so sexy, dass wir trotz allem viele Athleten haben. Durch das hohe Engagement in den einzelnen Vereinen ist es ein fast schon unerschöpfliches Reservoir. Darunter sind auch Talente, die es richtig weit bringen können. Die müssen jetzt weiter an die Hand genommen werden. Die Perspektiven sind positiv, zumindest so lange, wie die Athleten hier in der Schule sind.
Wäre absehbar auch eine starke Gruppe in den Hauptklassen aufstellbar?
Denkbar ist alles, aber dafür bräuchte man eine eigene Trainingsgruppe für Erwachsene. Die mit 14-Jährigen gemeinsam trainieren zu lassen, funktioniert nicht. Nach der Schule endet es bei den Athleten meistens, häufig durch den Umzug in eine andere Stadt. Das wird auch so bleiben.
Als Trainer wurde Ihnen eine gewisse Strenge nachgesagt. Sehen Sie es auch so?
Das müssen die Athleten beurteilen. Ich habe aber keinen ausgeprägten Militärstil und bin keiner, der die Athleten anschreit. Das habe ich in 30 Jahren nur zwei Mal gemacht. Mich richtig ärgern und irgendwo gegen treten kann ich allerdings schon. Und ich ziehe natürlich Verbindlichkeiten ein. Wenn es keine Struktur beim Training gibt, entwickelt sich niemand. Wenn ich bei einer pubertierenden Jugendgruppe nicht die Zügel in der Hand habe, herrscht Chaos. Ich muss Opfer einfordern und die Athleten müssen bereit sein Opfer zu bringen.
Der Leichtathletik verbunden bleiben Sie als Geschäftsführer des „Team-7-Kampf“. Was genau machen Sie dort?
Wir unterstützen die Sportlerinnen bei Trainingsmaßnahmen, der medizinischen Versorgung, Fragen der Ausbildung, durch Lobbyarbeit und eigene Wettkampfformate wie der 2010 und 2011 ausgerichteten Mehrkampf-Challenge in Kreuztal. Es ist eine schöne Arbeit. Da ich jetzt mehr Zeit habe, werde ich dabei demnächst wieder mehr Gas geben können.