Mooloolaba. .

Wie sehr muss der Sportler im Wettkampf an seine Grenzen gehen? Was wird ihm abverlangt? Die Westfalenpost hat in den vergangenen Wochen den Test gemacht und schaut den Wittgensteinern aufs Herz – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir begleiten Athleten aus verschiedenen Sportarten zu ihren Wettkämpfen und zeichnen dabei deren Herzfrequenz auf. Das Gerät dazu, die GPS-Laufuhr M400, hat die darauf spezialisierte Firma Polar zur Verfügung gestellt.

Einen streng wissenschaftlichen Anspruch verfolgt die Redaktion nicht – schließlich fehlen Messgrößen wie Laktat oder Atmungsparameter. Heutiger Proband ist Triathlet Carsten Hennig, der seit 31 Jahren Ausdauersport betreibt.

Das ist der Sportler

Von Haus aus ist Carsten Hennig eigentlich Schwimmer. Der 47-jährige Bad Berleburger, der in Altenburg in Thüringen groß wurde, hätte auch eine Profikarriere im Schwimmbecken hinlegen können, wenn er nicht mit dem Fördersystem der DDR gefremdelt hätte – dort trainierte er bis zum Alter von 14 Jahren sechsmal wöchentlich. „Dort ging es darum, Leute zu züchten, die konform sind und das Bild der DDR gut darstellen. Der politische Druck war mir irgendwann zu groß“, sagt Hennig, der mit 17 Jahren seinen ersten Triathlon absolvierte und bis heute Spaß am Ausdauer-Mehrkampf hat – so sehr sogar, dass er seit 17 Jahren das Lauf- und Triathlon-Fachgeschäft „Rothaar Aktiv“ betreibt.

Auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Schaffenskraft war der 1,95-Meter-Mann 1999, als er beim legendären Ironman auf Hawaii dabei war. Knapp 20 Jahre später ist Hennig „nur noch“ auf der Halbdistanz, also beim 70.3-Ironman dabei: 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren, 21,1 Kilometer Laufen. Bereits im Vorjahr qualifizierte er sich für die Weltmeisterschaft in Australien, doch im Frühjahr warf ihn eine zweimonatige Verletzungspause weit zurück.

Um für die WM fit zu werden, trainierte Hennig große Umfänge von acht bis neun Stunden wöchentlich im Jahresmittel. Im Winter schwimmt, radelt und läuft er fünf bis sieben Stunden, im Sommer sind es bis zu 13 Stunden pro Woche.

Das ist der Wettkampf

Bei der 70.3-WM, die Anfang September in Mooloobala in Australioen stattfand, waren die Bedingungen gut: Der Ozean war wellenfrei, das Wetter mit 27 Grad und Windstille für die Rad- und Laufdisziplin jeweils sehr warm, aber noch angenehm. Eine echte Herausforderung waren jedoch einige extrem steile „Rampen“ im Mittelteil der Radstrecke, an denen es bis zu 20 Prozent Steigung zu meistern galt – überwiegend verlief der Radkurs jedoch flach bzw. wellig. Auch der Laufkurs entlang der malerischen „Sunshine Coast“ war flach. Carsten Hennig kam auf Platz 1133 unter 2721 gelisteten Triathleten ins Ziel. Nach seiner stärksten Disziplin – die 1,9 km im Wasser schwamm er in 28:56 Minuten – lag der 47-Jährige sogar auf Platz 624, fiel auf dem Rad (2:35:34 Stunden) etwas zurück und verlor vor allem beim Laufen (1:46:59) an Positionen.

So verläuft die Kurve

Noch etwas im Schongang war Hennig beim Schwimmen unterwegs, wo er sich in einer flotten Gruppe einsortierte und im „Wasserschatten“ – sprich im Sog – ohne große Rhythmus-Änderungen mitschwamm. Das vorübergehende Absinken der Pulskurve auf null lässt ein Aussetzen der Übertragung zwischen Brustgurt und Uhr vermuten. „Die Gruppe war gut und ich fühlte mich nicht in der Lage, ohne weiteres einen Zahn zuzulegen“, erinnert sich Hennig.

Mehr zur Sache ging es auf der Radstrecke, wo es auf zunächst flacher bis welliger Strecke mit im Schnitt 40 „Sachen“ losging, wobei der Rhythmus durch Überholmanöver gestört wurde – da nicht im Windschatten überholt werden darf und diverse weitere Regeln zu beachten sind, gestalten sich Positionswechsel bisweilen kompliziert.

Die größten Ausschläge bei Puls und Geschwindigkeit sind bei den extrem steilen Anstiegen bzw. Abfahrten im Hinterland von Mooloolaba zu sehen. Bergauf steigt der Puls auf das Tagesmaximum von 160 Schlägen – der Maximalpuls von 175 wird nie annähernd erreicht –, bergab sinkt er in den Grundlagenbereich. Zweimal fällt Hennigs Geschwindigkeit auf null – einmal, um sich bei einem Streckenposten des richtigen Wegs zu vergewissern, einmal, um die abgesprungene Fahrradkette wieder auf das Kettenblatt zu hieven.

Mit verschmierten Fingern ging es auf die Laufstrecke, wo nach vier Kilometern wegen zu wenig Verpflegung ein kleiner Einbruch folgte. Hennig hielt an, würgte drei Kohlenhydrat-Gels hinunter und nahm das Rennen wieder auf – und schaffte es tatsächlich wieder, sich davon zu erholen.

Neben dem langen Schlussspurt stechen bei der Lauf-Herzfrequenz die kurzen „Ausreißer“ nach unten hervor, was seinen Grund beim häufigen Trinken während des Laufens hat. Das damit verbundene Aufstoßen („Rülpsen“) und kurzzeitige Luftanhalten sorgt für erhöhten Druck in der Brusthöhle. Dies sorgt für einen Reiz des Vagus-Nerv („Entspannungs-Nerv“) im Gehirn reizt und löst für wenige Sekunden ein Senken der Herzfrequenz aus – den sogenannten Vagus-Reflex.

Das sagt der Sportler

„Im Gesamtverlauf flacht die Kurve etwas ab, daran sieht man die Ermüdung im Wettkampf. Es hat mir durch die Trainingspause noch an Tempohärte gefehlt, um durchgängig am Limit zu sein. Ich hatte auch im Hinterkopf, dass ich nicht im Vollbesitz meiner Kräfte bin und wollte nicht überziehen. Über das Urteil meiner Pulsuhr musste ich ein bisschen schmunzeln, denn die hat die WM in meinem Trainingstagebuch unter ‘Tempotraining’ eingeordnet, nicht als Spitzenbelastung. Meine Klamotten waren aber total versalzen, so viel dazu.“

Das sagt der Mediziner

Dr. med. Frank Melz, Chefarzt der Kardiologie in der Helios-Klinik Bad Berleburg: „Bei der Herzfrequenzkurve über die drei Belastungsphasen fällt zu allererst auf, dass die Herzfrequenz während beim Schwimmen nicht über 125 Schläge pro Minute hinaus geht, während bei den Restbelastungen die Herzfrequenz knapp unter 150 Schlägen variiert.

Einerseits berichtet der Athlet er habe etwas im Schongang begonnen, andererseits ist aber aus der Sportphysiologie bekannt, das Schwimmen die geringste Herzfrequenzsteigerung unter den Ausdauersportarten auslöst. Die Absenkung der Herzfrequenz liegt so zwischen 10 und 15 Prozent. Dies liegt an dem Wasserdruck, der auf den Körper wirkt und zu einem vermehrten Rückfluss von Blut in das Herz führt. Darüber hinaus werden diverse Reflexe ausgelöst, u.a. auch die Stimulation des Nervus vagus.

Während der übrigen Belastungsphasen sieht man eine relativ gleich bleibende maximale Herzfrequenz, welche nicht durch kurzfristige Steigerung der Belastungsintensität nachhaltig angehoben wird. Dies spricht für den ausgezeichneten Trainingszustand des Athleten, der sich während des gesamten Wettkampfs nie in den roten Bereich mit anhaltender Übersäuerung hinein begeben hat.“