Erndtebrück. .
Er springt und springt und springt. Wenn Ekkehard Grünert bei den Skispringen zur Nord-Westdeutschen Mattenschanzentour auf seinen Einsatz wartet, ist er mittlerweile von Konkurrenten umgeben, die zu einem nicht geringen Teil seine Söhne sein könnten. Mit 40 Jahren ist der Erndtebrücker mittlerweile in die Altersklasse gerückt, in der er nach zwei von sechs Springen Träger des gelben Trikots ist – bei überschaubarer Konkurrenz. Verwunderlich ist dies wiederum nicht: Skispringen ist ja kein klassischer Altersklassen-Sport, weil es viel Kraft, zugleich aber auch große Beweglichkeit erfordert.
Grünert ist ein Übriggebliebener: übrig geblieben aus einer Zeit, in der es meist eine Wettkampfsaison auf Schnee gab und im Altkreis sogar eine Vierschanzentournee stattfand. Übrig geblieben aus dem traditionsreichem SV Lützel, der zu seiner Anfangszeit knapp 20 Springer hatte – jetzt ist er der Einzige.
Allein mit Stirnlampe zum „Turm“
„Weil es einfach ein cooles Gefühl ist, wenn man 60 Meter weit springt“, begründet der zweifache Familienvater – Ehefrau Kerstin ist Pfarrerin in Erndtebrück – und ergänzt: „Man empfindet die Momente des Sprungs viel, viel intensiver. Es ist jedes Mal ein riesiger Reiz, einen gewissen Punkt zu überwinden und zu springen.“ Hinzu komme ein Bewegungsdrang, der einfach in ihm stecke: „Ich könnte mir nicht vorstellen, keinen Sport zu machen. Das brauche ich einfach, dadurch schlafe ich wie ein Stein. Wenn ich 70 Jahre alt bin, dann kaufe ich mir ein Rennrad.“
Die Stärke, den immens einwirkenden Kräften in der Anlaufspur und bei der Landung gerecht zu werden, holt sich der 40-Jährige im Kraftraum und durch Läufe auf Langlaufski bzw. auf Skirollern. Nicht selten sieht man ihn im Dunkeln mit Stirnlampe fahren – allein hinauf zum Rhein-Weser-Turm.
Auch wenn er so als Einzelkämpfer erscheint, ist Grünert genau dies nicht. „Es geht ja auch darum, seine Kumpels zu treffen“, sagt er über seine Fahrten an Samstagen und Sonntagen zur Mattenschanze in Meinerzhagen, wo er mit Hobbyspringern und Talenten trainiert. Oft hat er dabei Gesellschaft von Franz Enderling aus Oberndorf – der übrigens schon auf die 60 zugeht und zeigt, dass es auch dann noch geht.
Große Zeiten für den SV Schameder
Eigentlich würde Ekkehard Grünert auch gerne noch Mannschaftssport betreiben, nämlich Fußball. Vor rund 15 Jahren kickte er beim SV Schameder unter Andreas Edelmann, noch einem gebürtigen Lützeler, der Grünert als Vorbild an Fitness bezeichnete. Ob Zufall oder nicht: Damals spielte Schameder in der Kreisliga A im vorderen Drittel mit – danach nie wieder.
„Mannschaftssport ist auch schön, das hat mir riesigen Spaß gemacht“, bedauert Grünert, dass er wegen sich häufender Verletzungen aufhören musste: „Da war ich am Ende mehr verletzt als dass ich gespielt habe. Wegen den Knochen bin ich dann wieder gesprungen.“
Eine Logik, auf die man erst mal kommen muss – doch die letzten Jahre geben Grünert recht. „Es ist seit Jahren nix passiert, hoffentlich bleibt es so“, sagt der 40-Jährige, der nur zu gut weiß, welch fatale Folgen auch ein kleiner Fehler haben kann: „Als ich jung war, hatte ich zwei Mal die Schulter im Eimer.“
Der Werkzeugmacher kalkuliert sein Risiko und beschränkt sich auf das, was für ihn sicher ist. „Man wird vorsichtiger und vernünftiger. Wenn ich drei Wochen ausfalle, ist zu Hause und bei der Arbeit Holland in Not.“ Vor seinen Sprüngen zeigt sich der Grünert deshalb maximal konzentriert – während um ihn herum alle plappern, sagt er selbst kein Wort. „Bei den anderen ist es aber nicht so, dass sie nicht nervös sind. Das sind alle“, so „Ekki“, der das Gerede für Überspielen hält: „Es wird selten so viel Blödsinn erzählt wie oben auf den Schanzen.“
Dass er mit den besten westdeutschen Hobbyspringern noch mithalten kann, zeigte Grünert in Rückershausen, als er bei den Männern noch Dritter gewesen wäre. „Es ärgert mich auch, falls mir Meter von den Kampfrichtern geklaut werden. Ehrgeiz ist schon noch da.“
Man glaubt es Ekkehard Grünert sofort. Als er sein Gespräch mit dieser Zeitung beendet, geht es im Laufschritt nach Hause – vor der Schicht war noch Training geplant.