Attendorn. Ausgefallen war der Citylauf Attendorn als reales Ereignis. Ausgefallen war die Idee von Andreas Ufer und Uli Selter vom TV Attendorn.

Irgendwann, nach der halben Strecke, entfuhr Uli Selter das Wort, das es perfekt auf den Punkt brachte. „Der ausgefallene Citylauf“.

Genau das war das, was sich da am Samstag abspielte - und zwar in doppeltem Sinne. Ausgefallen war der Citylauf Attendorn als reales Ereignis. Ausgefallen war die Idee, seiner zu gedenken, wenn man so will. Wobei: Gestorben ist der Lauf nicht, er muss in diesem Jahr lediglich pausieren. Der Umstände wegen. Die 28. Auflage dieses Riesen-Events auf den Wällen Attendorns hätte am Samstag stattgefunden. Wegen Corona war er zwar in eine vorübergehende Vollnarkose versetzt worden, dennoch „lebt“ er.

Um das zu beweisen, hatten Andreas Ufer, Vorsitzender des TV Attendorn, und Uli Selter, Sprecher und Präsentator, einen ungewöhnlichen Einfall: Die beiden Macher des Laufs schritten den wunderschönen, 1561 Meter langen Rundkurs ab; den Berichterstatter dieser Zeitung im Schlepptau.

Um eine lebendige Geschichte des Laufs von 2020 entstehen zu lassen, hatten sich sechs Menschen, die etwas mit diesem Lauf verbinden, an bestimmten Punkten platziert. Sie erzählten von ihren Erlebnissen rund um den Citylauf, von ihrer Bindung zu ihm. Alles in gebührendem Abstand voneinander.

Wehmütiger Blick

Andreas Ufer blickte mit Wehmut auf das Areal rund ums Hallenbad. Dort im Start-Ziel-Eck, wo sich am Samstag 1200 kleine und große Läufer, plus tausende Zuschauer geballt hätten, flanierten die letzten Samstags-Einkäufer Richtung Heimat. Hier hätte Moderator Uli Selter die Massen eingestimmt. Vier Stunden. Ein Marathon am Mikro. „Ich brauche bei dem Lauf nur zwei Mal zu atmen: Um 14 Uhr ein, um 18.30 Uhr aus“, so drückte er es aus.

Von Selters Eloquenz profitiert nicht nur das Publikum vor Ort. Auch Pittjes Höffer, Kustor des Heimatmuseums, hat fernab vom Geschehen sein Live-Erlebnis. „Er wohnt am Mooskamp, sitzt auf seiner Terrasse und versteht jedes Wort“, wusste Selter zu berichten, und fügt hinzu: „Aber nur, wenn Westwind herrscht“.

Nichtmals der Westwind mochte am Samstag nicht so recht. Und dort, wo die Musikschule die Läufer Richtung Ziel trommelt, wo Oma und Opa die Kleinen anfeuern, wo die Tanzgruppe des TVA den Durst der Athleten stillen, die Nachbarn vom Nordwall mit Musik das Ihrige zum stimmungsvollen Szenario beisteuern - da war nur Vogelzwitschern zu hören. Und ab und zu ein Auto oder das Gebimmel des „Biggolino“, der Sightseeing-Zug.

Schon die Woche zuvor war so unangenehm anders. „Die Anspannung, die vielen Telefonate, die Dinge, die noch zu erledigen sind – all das hat gefehlt“, sagt Andreas Ufer. Dass er auf diese Art von Entspannung verzichten kann, war herauszuhören. Viel lieber wäre er morgens um halb neun mit dem dicken Schlüsselbund erschienen und hätte alles aufgeschlossen, was diesmal verriegelt blieb. Oder was schlichtweg gar nicht da war. Die Toilettenwagen, die Getränkewagen.

Im Attendorner Kalender verankert

Und dennoch: Erst die extrem entschleunigte Version des „Laufes“ zeigt dem Auswärtigen, wie schön der Kern Attendorns ist. Statt konzentrierte und angestrengte Sportler waren Menschen „in Zivil“ unterwegs, radelten, spazierten oder joggten. So kam es, dass Uli Selter und Andreas Ufer in ihren orangefarbenen Poloshirts auffielen. „Ach - ich dachte, der Lauf fällt aus“, hörten sie häufig. Und zwischendurch die scherzhafte Bemerkung eines Radlers: „Ich mach gern für euch beiden das Voraus-Fahrrad“. Das ist beim Citylauf Vorschrift. Ein Rad fährt dem riesigen Pulk voraus, zwei hinterher.

Die 2020er-Auflage wäre eine anstrengende gewesen. Warm war es am Samstag. Erinnerungen wurden wach an gut nachbarliche Hilfe in solchen Fällen. An Sprühnebel der Feuerwehr, an Anwohner, die ihre Rasen sprengten und die ihre Geräte Richtung Laufstrecke drehten, als die Läufer vorbeirauschten.

Es ist ein Beispiel dafür, wie fest dieser Lauf im Leben Attendorns verankert ist. „Er gehört zum Kalender wie Gauklerfest, Schützenfest oder Karneval und hat einen hohen Identifikationsfaktor“, sagt Uli Selter. Bürgermeister Christian Pospischil stimmt zu: „Ja, das ist so. Damit beginnt die Sommersaison im Mai, die Attendorner sind draußen und feuern die Sportler an. Das macht die Atmosphäre aus“. Was alle verbindest, ist der Wunsch: Möge es 2021 wieder so sein.

Stimmen zum (Nicht-)Lauf


Stefan Meier, Lehrer am Rivius-Gymnsium: Seit 17 Jahren mache ich beim Citylauf mit. Wir haben so mindestens hundert Schüler immer am Start, es ist ein Highlight im Schuljahr. Wir haben im Lehrplan jedes Jahr in allen Jahrgangsstufen eine Einheit zur Ausdauer. Wir sind ja direkt an der Strecke, da laufen die Schüler vorm Citylauf, dann natürlich mit der Option, dass sie am Citylauf teilnehmen sollten. Wir haben es früher verpflichtend gemacht, heute ist es eher freiwillig. Ich bin Handballer, freiwillig laufe ich nur, wenn ein Ball in der Nähe ist.


Christoph Keseberg: Seit 13 Jahren machen wir vom TV Attendorn den Citylauf – seitdem bin ich nicht mehr mitgelaufen, weil wir halt an dem Samstag erst aufgebaut und dann abgebaut haben. Während des Rennens bin ich dafür zuständig, dass diejenigen, die die sechste Runde hinter sich haben, in den Zielkanal kommen und die anderen eben nicht. Alles aufs Zeichen der Rundenzähler hin. Vorher war ich immer dabei. Am Freitagabend habe ich mir dieses Jahr den Lauf mal angetan, die sechseinhalb Runden, die 10.000 Meter. Ich laufe schon jeden zweiten Tag, allerdings im Wald.


Daniela Greitemann, Rivius-Gymnasium: Für uns bedeutet der Citylauf einfach ein Gemeinschaftsgefühl, wer da der Sieger wird, ist da nebensächlich. Man lernt die Schüler von einer ganz anderen Seite kennen, es ist ein Event, das Spaß macht, das viel soziales Miteinander bringt. Wir verpflichten nicht, mitzulaufen, wir möchten, dass die Schüler selber erkennen, wie toll das ist, wie wichtig das ist, da mitzulaufen. Sie haben aber die Möglichkeit, die Leistung, die sie da erbracht haben, in die Sportnote einfließen zu lassen. Sie müssen eine Ausdauerleistung erbringen, das können sie beim Citylauf und die wird dann gewertet.


Christian Pospischil, Bürgermeister: Ja, das ist so. Damit beginnt auch die Sommersaison im Mai, meist gab es gutes Wetter, die Attendorner sind draußen und feuern die Sportler an. Das macht die Atmosphäre aus. Eigentlich ist mein sportlicher Ehrgeiz nicht so groß, ich laufe normalerweise nicht auf Zeit, sondern eher zum Ausgleich. Hier beim Citylauf orientiere ich mich schon an meinen Bestzeiten, komme aber nicht mehr ganz dran.


Martina Franz, Firmenkunden-Beraterin bei der Sparkasse ALK: Wir haben ein Sparkassen-Team, das wollten wir heute eigentlich vergrößern, aber das hat ja nicht geklappt. Deswegen bin ich symbolisch vertreten. Leider kann man keine Leute überholen – weil keine Leute da sind. Der Lauf lebt von den Menschen, die drumherum stehen und die Läufer anfeuern. Das fehlt natürlich. Eigentlich bin ich Hobbyläuferin, einige Läufe sollten aber immer dabei sein. Citylauf, den Biggesee-Marathon habe ich mitgemacht, den Silversterlauf von Werl nach Soest.


Rolf Kaufmann, Läufer und Helfer, 2. Vorsitzender des TV Attendorn: Ich bin froh, mal, wieder selber mitzulaufen. Sonst bin ich Helfer am Getränketisch und konnte deshalb nicht. So gesehen ist das heute schon etwas Besonderes. Letztes Jahr bin ich eine Runde mitgelaufen, habe ein Filmchen gemacht und online gestellt. Kam gut an.