Winterberg. Michael Beckmann (Wintersport) hält durch Technik weiter hochwertige Skiangebote in der Region für möglich. Naturschützer üben Kritik.

Der Wintersport im Sauerland in Zeiten des Klimawandels: Schneekanonen sichern Infrastrukturen für Touristen und Sportler ab. Längst aber nicht alle Skigebiete - vor allem in den mittleren Lagen - konnten über längere Zeiträume öffnen. Unsere Zeitung hat mit Michael Beckmann, Vorsitzender des Trägervereins Wintersport Arena Sauerland / Siegerland Wittgenstein, über die aktuelle Lage gesprochen.

Wie hat sich der Winter im Hochsauerland in den vergangenen Jahren aus Ihrer Sicht verändert?

Michael Beckmann: Seit den 90er-Jahren sind dank maschineller Beschneiung die Wintersporttage deutlich schneereicher geworden. Meist findet der Gast von Mitte Dezember bis weit in den März hinein durchgehend hochwertige Angebote. Der Winter ist verlässlich buchbar geworden, das war er vor den 90er-Jahren nicht. Der Wintersport an sich ist deutlich hochwertiger geworden. Zudem gibt es gerade in den letzten Jahren viele Maßnahmen, um Energie einzusparen und den Wintersport nachhaltiger zu machen.

Auch so sahen Pisten im Sauerland aus. Hier in Winterberg am 13. Januar 2020..
Auch so sahen Pisten im Sauerland aus. Hier in Winterberg am 13. Januar 2020.. © Rene Traut | Rene Traut

Wie viele Tage konnten die Skigebiete im Winter 2019/20 öffnen?

Der aktuelle Winter war ein ziemlich fordernder Winter. Das kommt zum Glück nur alle sechs bis acht Jahre vor. Die Winter 2005/06 und 2013/14 waren ähnlich mild und schneearm. Dennoch hatten wir in dieser Saison bis Ende Februar 78 Saisontage. Das sind allerdings Spitzenwerte der großen Skigebiete. Diese Zahl zeigt, dass wir in der Lage sind, unseren Gästen zuverlässig das zu bieten, was sie bei uns suchen. Wir gehen davon aus, dass die Saison noch bis weit in den März hinein dauern wird.

Konnte Skilanglauf konstant angeboten werden?

In diesem Winter war nur im beschneiten Skilanglaufzentrum Westfeld über längere Zeit hinweg eine Loipe gespurt. Das war an 29 Tagen der Fall. Auf Naturschnee hat das leider nicht so zuverlässig funktioniert. Zurzeit zeichnet sich aber vorsichtig ab, dass der März noch schneereich werden könnte.

Haben sich die Schneetage im Hochsauerland drastisch reduziert oder nur verschoben?

Die Winter sind weitgehend stabil. Dies belegen mehr als hundertjährige Aufzeichnungen. Die Winter sind nur leicht milder geworden. Der Grund, warum die Skigebiete in der ganzen Welt Schnee produzieren, ist nicht ein Rückgang der Schneemengen, sondern die vom Gast gewünschte Qualität und Planbarkeit. Die gibt es heute, die gab es in die Vergangenheit nie.

Michael Beckmann: Vorsitzender Wintersport-Arena
Michael Beckmann: Vorsitzender Wintersport-Arena © Fotografie Steffi Rost

Wie bewerten Sie die Zukunft der Wintersportregion Sauerland?

Die Liftbetreiber planen und rechnen in Investitionszeiträumen je nach Skigebiet von zehn bis 15 Jahren. In diesem Zeitraum wird es möglich sein, Wintersport als ein hochwertiges, marktgerechtes Angebot und auf wirtschaftlicher Basis anbieten zu können. Was danach kommt, muss man sehen. Für alle Branchen gilt, dass längere Zeiträume schwierig zu bewerten sind und seriöse Prognosen daher schwer sind. Was in 50 oder 100 Jahren mit dem Wintersport passiert, kann man natürlich nicht sagen, hier spielen aber auch andere Entwicklungen und nicht nur das Klima eine Rolle. Insgesamt gilt es wie bisher auch die Sommerangebote unserer touristischen Region gezielt und strukturiert weiter zu entwickeln.

Welche Folgen haben veränderte Klimaverhältnisse auf Wettbewerbssport im Sauerland?

Der Leistungssport im Rahmen der hochkarätigen Wettkämpfe wie Snowboard Weltcup, Skispringen, Rennrodeln oder Bob und Skeleton sind davon nicht betroffen. Diese Veranstaltungen sind dank entsprechender Techniken sicher. Dazu gehören auch die Trainingsmöglichkeiten in der Bobbahn. Sicher fällt es insbesondere unseren nordischen Skigebieten nach so einem Winter schwerer, den Nachwuchs für den Skisport zu begeistern. Wenn man nur wenige Tage in der Heimat auf Schnee trainieren kann und oft in Deutschland oder Europa Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten suchen muss, ist das eine Herausforderung für Kinder, die Eltern, die meist ehrenamtlichen Betreuer und die Vereine. Im alpinen Bereich und im Kufensport ist die Situation aufgrund der Trainingsstätten und ihrer Trainingsmöglichkeiten eine andere Situation.

Lohnen sich angesichts des Klimawandels noch größere Investitionen in die Wintersportanlagen oder verändern sich diese?

Die Investitionen sind rein privatwirtschaftlicher Natur. Jeder Liftbetreiber und damit Unternehmer entscheidet selbst, ob und in was er investieren möchte. Die Situation stellt sich allerdings für große Skigebiete und ihre Projekte anders dar als für die kleinen. Dort fällt es schwerer, die notwendigen Finanzierungen zu bekommen und die Skigebiete zukunftsfähig zu machen. Zumal die Fördermittel für Skigebiete als touristische Infrastruktur so wie in anderen Bundesländern nicht zur Verfügung stehen.

Naturschützer sehen Konflikt

Die Naturschutzorganisation BUND Hochsauerlandkreis blickt skeptisch auf die Folgen für die Natur in den sauerländischen Wintersportgebieten in Zeiten des Klimawandels. „Noch mehr Winterkarussell oder mehr Naturfläche? Das sind die Herausforderungen der nächsten Zeit“, sagt Herbert Bartezko.

Der Sprecher des BUND im Hochsauerlandkreis sieht die Veränderung der Sauerländer Landschaft mit „großer Skepsis“. Er verweist auf die Postwiese in Winterberg, wo durch wissenschaftliche Gutachten die Pflanzen nach jeder Ski-Saison bewertet würden, um seltene Gewächse vor dem Aussterben zu bewahren. „Durch den Druck der Schneemassen ist die Flora gefährdet, der Kunstschnee verhält sich anders als natürlicher Schnee und pappt sehr“, sagt Bartezko. Der „Trend zur Verrummelung“ der Landschaft habe ehemals ruhige Zonen einem Druck durch die Tourismusindustrie ausgesetzt.

Wirtschaftlicher Druck

Am Erfolg der Sauerländer Touristiker zweifelt Bartezko nicht. „Sie werden bei Schneemangel in den kommenden Jahren sicher neue Freizeitvergnügen erfinden. Die Bespaßung der Gesellschaft schreitet voran und wird neuen Formaten Raum geben.“ Bartezko sieht aber auch wirtschaftlichen Druck, der gegebenenfalls submaximale Wintersportstandorte zur Aufgabe bringen wird. „Die Beschneiung wird durch solche Winter wie 2020 zu einer teuren Sache“, sagt Bartezko.

Verlierer des Klimawandels seien nicht nur die Betriebe, sondern vor allem auch die Naturflächen. „Der enorme Energieeinsatz oder die Infrastruktur des Tourismus - das alles lastet auf der Bilanz unsere Landschaft“, kritisiert Bartezko.

Der Naturschützer glaubt, dass die Aufforstung der Wälder dem Sauerland ein neues Gesicht geben. Die Entscheidung „Naturraum oder Wirtschaftsfläche?“ werde zum Beispiel an den Borkenkäferflächen neu verhandelt. „Ich sehe hier die Chance für neue Sauerländer Urwaldflächen“, sagt Bartezko. Mehr Skiflächen brauche es da nicht.