Apeldoorn/Balve. Der Olympia-Traum ist geplatzt – und lebt trotzdem weiter. Wie Volleyballerin Kimberly Drewniok aus einer bitteren Niederlage neue Kraft zieht.
Der Lärm aus diesem roten Meer von Fähnchen auf den Tribünen und der Jubel der Gegnerinnen klang noch lange in ihren Ohren nach. Die eigene Enttäuschung – wollte ebenfalls nicht weichen. Nur eine Niederlage musste Kimberly Drewniok mit der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Sommerspiele 2020 hinnehmen. Im Finale. Gegen die Türkei. Mit 0:3. Der Tokio-Traum? Geplatzt.
Mit etwas Abstand zum Turnier in Apeldoorn in den Niederlanden sprach die aus Balve stammende 22-Jährige, die in der Bundesliga das Trikot des SSC Palmberg Schwerin trägt, über das bittere Olympia-Aus im letzten Moment und erklärt, was sich nach und nach trotzdem einstellt.
Frau Drewniok, hinter Ihnen liegt ein Turnier, für das die Mannschaft mit Lob überhäuft wird. Das Olympia-Ticket holte sich aber die Türkei. Was überwiegt bei Ihnen – der Stolz auf die Leistung oder der Ärger über den geplatzten Tokio-Traum?
Kimberly Drewniok: Wir werden mit Lob überhäuft, das stimmt. Allerdings überwogen bei uns allen direkt nach dem Spiel natürlich die Enttäuschung und der Ärger. Du bist so kurz davor, dein Ziel, deinen großen Traum zu erreichen… Es war ja wirklich nur ein Spiel, das uns von den Olympischen Spielen in Tokio trennte.
Es wäre das erste Mal seit 2004 gewesen, dass wieder eine deutsche Frauenmannschaft bei den Olympischen Spielen aufgeschlagen hätte.
Ja, und weil wir dieses eine Spiel so eindeutig verloren haben, waren wir sehr enttäuscht und traurig. Es benötigte etwas Zeit, bis die Enttäuschung wenigstens etwas verflog.
Bis die Enttäuschung wenigstens etwas verflog – und sich der Stolz auf ein klasse Turnier durchsetzte? Sie sind immerhin als Sieger einer sehr schweren Gruppe ins Halbfinale eingezogen.
Mit ein klein wenig Abstand sind wir natürlich super stolz auf das, was wir geleistet haben. Hätte uns am Anfang jemand gesagt, dass wir so eine starke Leistung zeigen würden, hätte das bei der Gruppe, in die wir gelost waren, doch keiner geglaubt. Dass wir mit dem Gruppensieg `rausgegangen sind, war sehr bemerkenswert.
Ebenso bemerkenswert war ja das Halbfinale gegen die Gastgeberinnen, welches souverän mit 3:0 gewonnen wurde.
Daran, dass wir das Halbfinale gegen die Holländerinnen so dominiert haben, sieht man, welches Potenzial in unserem Team steckt. Wir haben so ein junges Team und haben noch so einen großen Zyklus vor uns, in dem wir uns alle weiterentwickeln werden und noch stärker zusammenwachsen. Für unsere Zukunft bin ich deshalb sehr optimistisch gestimmt. Olympia ist das größte Ziel und seit Jahren war keine Mannschaft so nah dran wie wir in Apeldoorn.
Sind Sie in das Endspiel vielleicht etwas zu selbstsicher gegangen? Immerhin gelang Ihnen zum Auftakt des Turnieres schließlich ein 3:1-Sieg gegen die Türkei.
Nach unserer Vorrundenleistung kam die klare Niederlage im Endspiel etwas überraschend. Aber ich denke nicht, dass das Vorrundenspiel damit zu tun hatte. Die Türkinnen waren einfach sehr gut vorbereitet und wir haben zum ersten Mal im Turnier unsere Lockerheit verloren, die uns zuvor auszeichnete. Vor dem Finale war uns allen bewusst: Noch ein Spiel – und wir fahren zu den Olympischen Spielen. Plötzlich hatten wir etwas zu verlieren. Wir wurden zu passiv in unseren Aktionen. Unser aggressives Spiel, durch das wir zuvor dominiert hatten, ging verloren. Etwas darf man aber auch nicht vergessen.
Nämlich?
Die Türkei verfügt über eine Top-Mannschaft, die dank ihrer Erfahrung Schwächen des Gegners sofort ausnutzt. Außerdem hatte die Türkei quasi ein Heimspiel. Die Halle war voll mit türkischen Fans und die Spielerinnen haben die Atmosphäre aufgesogen und waren mit Adrenalin vollgepumpt.
Wie fällt mit etwas Abstand Ihr persönliches Fazit aus? Sie stehen im Nationaldress meistens etwas im Schatten von Top-Angreiferin Louisa Lippmann, gehörten aber im abschließenden Gruppenspiel beim 3:0-Sieg gegen Kroatien mit zehn Punkten zu den erfolgreichsten deutschen Angreiferinnen.
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Ich habe ein lächelndes und ein trauriges Auge, aber ohne auf persönliche Statistiken zu schauen. Ich bin super stolz auf die Mannschaft, die weiter zusammengewachsen ist. Und ich freue mich darauf, was die Zukunft bringt. Wir bleiben positiv und können noch Großes schaffen. Bei dem Turnier haben wir gesehen, woran wir noch arbeiten müssen – und das werden wir in den nächsten Jahren in Angriff nehmen.
Das heißt, dass auch Ihr olympischer Traum weiterlebt?
Der Traum lebt weiter. Nächstes Ziel ist – in weiter Ferne – Paris. Es ist einfach immer der beste Weg, nach vorne zu blicken. (lächelt)