Riva del Garda. Italien: Die Ausgangssperre trifft Mariella Susca hart. Das Windsurfen fehlt. So bekämpft die gebürtige Mendenerin anderthalb Wochen Mutlosigkeit.
Windsurfen – das klingt nach Windböen im Haar, nach rauschenden Wellen, nach Sonnenstrahlen im Gesicht. Nach einem Sport, der Freiheit verspricht. Doch auch dieser Sport ruht im Moment. Genauso wie jegliche Bewegung auf den Seen und Meeren, auf denen er normalerweise stattfindet.
Der Gardasee ist einer von ihnen. Nicht weit von der Lombardei, dem Corona-Hotspot Italiens, entfernt herrscht auch am Ufer des größten Sees des Landes kompletter Stillstand.
Und manche Bürger, die vielleicht gerade mal 500 Meter vom Ufer entfernt wohnen, aber ihre Wohnung nicht einmal für einen Spaziergang verlassen können, trifft es besonders hart. Vor allem, wenn sie als Windsurferin tagtäglich das Wasser sehen – ohne darauf Sport machen zu können.
Genau das ist es, was Mariella Susca gerade – in den italienischen Coronazeiten – erlebt.
Allein – seit Wochen
„Heute geht es mir besonders gut.“ Der Optimismus, der in ihrer Stimme mitschwingt, ist sogar durch den Telefonhörer zu erkennen. „Es gibt eigentlich keinen speziellen Grund“, erklärt Mariella.
Sie ist in Menden geboren, wohnt aber mittlerweile seit Jahren in Italien. Und das aktuell in kompletter Isolation. „Meine Kinder sind groß, von meinem Ex-Mann bin ich geschieden. Ich bin gerade total allein in meiner Wohnung“, schildert sie.
Die ersten Tage? Horror.
Besonders die ersten anderthalb Wochen seien unglaublich hart gewesen – eine der schlimmsten Zeiten in ihrem Leben. „Ich hatte keinen Rhythmus. Ich habe mich gefragt, wofür ich eigentlich aufstehen soll“, erinnert sich die Sportlerin zurück.
Sie habe zu der Zeit immer lange im Bett gelegen. Alltägliche Dinge wie das aktive Berufsleben, ihr Windsurfen und auch Yoga fehlten Mariella. „Vor allem, weil dieser ganze Shutdown von heute auf morgen kam“, beschreibt sie.
Was gegen die Depression hilft
Aber nach der schwierigen Anfangszeit in Quarantäne habe sie es geschafft, sich wieder aufzuraffen. „Dabei hat mir meine Mama geholfen, mit der ich täglich zweimal telefoniere. Und ich mache jetzt täglich Yoga und meditiere“, erklärt die Halbitalienerin.
Zweimal pro Woche nimmt sie an einem Workshop einer befreundeten Yogalehrerin aus Köln teil. „Das hilft, die Nerven zu beruhigen“, sagt sie. Und über eine Zoom-Videokonferenz meditiere sie sogar teils mit 800, 900 Menschen aus der ganzen Welt. Eine Aktion, die ihr Mut macht – und die beruhigt.
Lob an die Kanzlerin
„Ich zähle die Tage nicht, um Gottes Willen“, betont sie. Aber sie weiß das Datum genau: Seit dem 11. März ist sie in ihrer Wohnung alleine – und seitdem hat sie kein einziges Mal die Nachrichten im TV verfolgt. Denn das macht nervös und regt auf. „Ich muss nicht immer wieder die ganzen neuen Todes- und Infektionszahlen hören. Um etwas anderes geht’s nämlich nicht.“
Aus ihrer Sicht ist die Art und Weise, wie Angela Merkel mit der Krise umgeht, um einiges besser. Die Pressekonferenzen verfolgt sie nämlich. „Wir brauchen Hoffnung. Und die vermittelt sie in ihren Reden – mit einfachen Worten, Vertrauen und Ruhe“, erklärt Susca.
Bücher, Bücher, Bücher – auch übers Surfen
Eine Hoffnung, die sich Susca mittlerweile auch selbst wiedergeholt hat. Durch das Yoga und die Meditation, aber auch, weil sie wieder arbeiten kann. „Momentan übersetze ich einige E-Mails. Es ist gut, etwas zu tun haben“, erklärt die geborene Mendenerin, die eigentlich im Hotel an der Rezeption sitzt.
Und ihre Zeit vertreibt sich die Surferin jetzt auch gerne mit Büchern. Die hat sie sich nämlich – „Gott sei Dank“ – noch vor der Ausgangssperre zugelegt.
„Ich kann auch Bücher über die Techniken beim Windsurfen lesen, das wäre auch eine Idee“, überlegt die 56-Jährige. Die Sportart ist seit Jahren eine große Leidenschaft von Mariella geworden – und das nicht zuletzt, weil sie ihr eine Menge Selbstbewusstsein gibt.
Surfen macht selbstbewusst
2006 fing sie mit dem Sport an. „Ich bin jetzt nicht gerade super darin, ich hab ja auch erst spät angefangen“, erklärt sie. Sie erinnert sich noch genau daran, wie kurios es war, damals mit 42 Jahren bei einer 22-jährigen Surflehrerin zu sein.
Und wie ihre erste Stunde dann ablief? „Erstmal gab’s eine halbe Stunde Theorie“, erklärt Susca. Anschließend ging es ins Wasser. „Und dann steh’ erstmal!“, lacht sie. Keine leichte Sache. Aber dann lohne es sich – wirklich. „Das muss man einmal machen, eine Stunde lang mit dieser irren Geschwindigkeit über den See fliegen. Das ist wirklich unbeschreiblich!“, schwärmt Susca.
Darauf freut sie sich.
Verkehrsregeln auf dem See
Yoga in der eigenen Wohnung ist zwar ein Ersatz, doch kaum vergleichbar. „Aber es hilft auch dabei, Gleichgewicht fürs Surfen zu bekommen“, erklärt Susca.
Und übrigens: Auf dem See gibt es auch Verkehrsregeln. Es müssen zum Beispiel Vorfahrtsregelungen beachtet werden.
Pure Vorfreude
Den Moment, wenn sie endlich wieder auf dem Brett steht, kann Mariella Susca kaum erwarten. „Es gibt noch so viele Dinge zu lernen“, schwärmt sie, um zu ergänzen: „Aber wenn wir im Juli vielleicht wieder auf den See dürfen – dann wird erstmal voll gebrettert!“
Bis dahin hat sie ja immer noch Yoga und die Meditation.
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