Arnsberg-Neheim. Von Neheim nach Essen führt die 3. Etappe der Deutschland Tour. Wie ein Hobby-Radler die Profi-Strecke erlebt – und wo Höhepunkte für Zuschauer sind.
Auf dem Neheimer Marktplatz herrscht ein wuseliges Treiben, als ich auf meinem Rad zum Startpunkt der dritten Etappe der Deutschland Tour rolle. Viele Menschen bauen Verkaufsbuden und Zäune auf. Mit dem bald beginnenden Radrennen hat das aber noch nichts zu tun. Die letzten Vorbereitungen für das Jägerfest, das später am Tag startet, laufen.
Da möchte ich natürlich nicht im Weg stehen und schwinge mich fix wieder in den Sattel. Von Neheim fahre ich zunächst über Landstraßen an Voßwinkel vorbei in Richtung Menden. Das Streckenprofil ist wellig, die Anstiege kurz und wenig steil. Das sorgt für viel Fahrspaß – zumal es noch nicht besonders heiß ist. Der Blick schweift nach rechts über das Ruhrtal, das an diesem Morgen noch von Wolken und Nebel verhangen ist.
Kurz nach Erreichen des Mendener Stadtgebiets biege ich rechts ab gen Fröndenberg, wo mit dem Anstieg an der bei Radfahrern der Region berühmten Eulenstraße mit ihren bis zu 13 Prozent Steigung schon das erste echte Highlight auf der Strecke – und die erste Bergwertung des Tages – ansteht. „Da erwarten wir 2000 bis 3000 Zuschauer“, sagt Jörg Scherf, Teamchef des Saris Rouvy Sauerland Teams. „Ich habe schon von vielen gehört, die zum Start nach Neheim kommen und dann nach Fröndenberg fahren, um zu sehen, wie das Rennen die Eule hochkommt.“ Langsam quäle ich mich die steile Straße hoch, am hözernen Eulen-Ehrenmal vorbei. Zum Glück sind die Anstiege der dritten Etappe deutlich kürzer als die der zweiten im Sauerland.
Profis fahren bei Deutschland Tour durch Hagen zur Hohensyburg
Über kurvige Alleen, vorbei an großen Feldern geht es durch den grünen Unnaer Süden. In Schwerte-Ergste folgt die erste Sprintwertung, ehe die Strecke bei Tiefendorf Hagener Stadtgebiet erreicht. Die Straße durch das Tal führt vorbei an Bauernhöfen und dem Märkischen Golfclub. Mittlerweile ist der Himmel hellblau und die Temperatur deutlich über die 25-Grad-Marke gestiegen. Schön, aber auch schweißtreibend. Kurz vor Berchum bietet sich eine schöne Sicht auf Hagens Innenstadt, während der Geruch von Kühen noch in der Nase hängt. Landluft und Stadtleben!
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Als nächstes warten die markanten Serpentinen der Hohensyburg – und damit Jörg Scherfs nächster Tipp für Zuschauer. Vorteil Hobby-Fahrer: Ich kann mich vorher am Hengsteysee in Ruhe mit zwei köstlichen Kugeln Zitroneneis für den Anstieg stärken. Das zahlt sich aus, in langsamem Tempo lassen sich die Serpentinen gut bezwingen.
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Umso rasanter geht es hinab in Richtung Herdecke, dort dann erst die Ender Talstraße (zwei Brücken bieten gute, aber voraussichtlich kurze Ausblicke von oben auf die Strecke) hoch und wieder herunter in Richtung Wetter. Nach Überquerung der Ruhr folgt der nächste Anstieg – von Oberwengern geht es steil bergauf durch die Felder gen Voßhöfen. Pralle Mittagshitze ohne Fahrtwind – der Schweiß tropft von meinen Armen herab. Doch die schöne Landschaft entschädigt für die physischen Strapazen.
Über Esborn geht es auf wenig befahrenen, aber häufig geflickten Straßen vorbei an Wiesen, Wäldern und Bauernhöfen in den Südkreis. Schnell ist Sprockhövel auf passiert, bald steht mit dem Sender Langenberg der nächste Anstieg an.
Stärkung für den Anstieg hoch zum Sender Langenberg
Vorher brauche ich aber dringend eine Pause. Eine große Portion Nudeln in Velbert, drei kalte Getränke – so einfach und doch so gut. Auf dem Weg hoch zum Sender, der für die Profis die zweite Bergwertung und Zuschauer ein Spektakel bedeutet, komme ich mit einem anderen Radler ins Gespräch, was zumindest die gefühlte Leidenszeit verkürzt. Die folgende Abfahrt über die Waldseite des Hügels bereitet wenig vergnügen. Zu steil geht es bergab, zu verwinkelt ist die Straße.
Deutlich angenehmer ist die Aufwärts-Fahrt durch das dünn besiedelte Nordrather Tal. Auch, weil hier gerade kaum Autos fahren.
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Doch das ändert sich schnell. Die Teilstrecke über Wülfrath und Heiligenhaus in Richtung des Essener Südens verläuft für die Profis überwiegend auf großen Landstraßen – die jetzt am späten Nachmittag sehr stark befahren werden. Ich nutze die Radwege neben den Straßen und ärgere mich auf 25 Kilometern über schmerzhaft schlechte Oberflächen, die Reste von fünf zersplitterten Glasflaschen und plötzlich endende oder aus dem Nichts beginnende Radwege. Ärgernisse, an denen die Profis in hohem Tempo auf der Straße vorbeifahren werden.
Deutschland Tour führt in zwei Runden durch Essens Innenstadt
Im Essener Süden steigt meine Laune wieder. Die Gegend um die Ruhr herum ist grün, die Straßen sind gut – und das Ziel nicht mehr allzu weit entfernt. Zumindest von der räumlichen Distanz her, denn es dauert doch noch eine ganze Weile, bis ich das Ziel erreiche. Der Grund ist der Rundkurs durch die Essener Innenstadt, den die Fahrer der Deutschland Tour zwei Mal bewältigen müssen. Von der Hauptbahnhof führt die Strecke zunächst an der Philharmonie vorbei. Hier befindet sich auch der Zielbereich der insgesamt zwei Mal durchfahren wird – bei der ersten Durchfahrt steht für die Profis die zweite Sprintwertung an.
Die Sprints kann ich mir sparen. Ich fahre von roter Ampel zu roter Ampel zu roter Ampel – typisch Großstadt eben. Vom Stadtgarten aus transportieren graue Rauchwolken unzähliger Holzkohlegrills den Duft von Gebratenem. Vom Sternviertel geht es gen Norden, einmal um den Berliner Platz herum, zurück am Hauptbahnhof vorbei in Richtung Philharmonie – und dann noch einmal das Ganze.
So voll es in Essens Innenstadt auch ist: Als ich das zweite Mal die Philharmonie erreiche, ist es dort angenehm ruhig – und von wuseligem Treiben, wie es noch am Morgen auf dem Marktplatz in Neheim herrschte, nichts zu sehen.