Menden. Der ehemalige Fifa-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer ist bald Teil der „Viererkette“ beim Zeltdachfestival. Das verbindet ihn noch mit Menden.

Wenn es um die Elite der deutschen Fußball-Schiedsrichter geht, dann führt kein Weg an Thorsten Kinhöfer vorbei. Von 2001 bis 2015 gehörte der heute 53-jährige mit zu diesem Zirkel der ausgewählten Unparteiischen in der Bundesrepublik. Das wird durch die beeindruckende Zahl der von ihm geleiteten Spiele untermauert. So standen unter anderen 213 Partien in der ersten Bundesliga sowie deren 139 in der zweiten Liga unter seiner Leitung. Von 2006 bis 2014 war er als Fifa-Schiedsrichter international im Einsatz. Dass seine Meinung bei allerlei Themen rund um den Fußball gefragt ist, davon können sich die Gäste des Mendener Zeltdachfestivals am Sonntag, 29. August, überzeugen.

Thorsten Kinhöfer wird dann ab 19 Uhr im Rahmen des Fußball-Talks „Viererkette“ mit weiterer Fußball-Prominenz wie Weltmeister Jürgen Kohler, Reporter-Legende Manni Breuckmann und dem Moderator der Talkrunde, dem Fußball-Fachjournalisten Thomas Hennecke, über Fußball diskutieren. Und man darf davon ausgehen, dass der einstige Klasse-Schiri nicht mit seiner Meinung zurückhalten wird, wenn es zum Beispiel um die Betrachtung eklatanter Fehlentscheidungen und Entwicklungen geht. Sein Engagement als Experte und Kolumnist der Bild am Sonntag belegt das ausführlich.

Kritik an Markus Gräfe

Die Teilnahme an der „Viererkette“ ist übrigens nicht der erste Kontakt mit Menden. Den Lendringser Florian Steuer kennt er aus gemeinsamen Zeiten als DFB-Schiedsrichter. „Florian war einige Male bei mir Assistent. Ein Top-Typ“, erinnert sich Thorsten Kinhöfer. So hat er auch seine Meinung zur Debatte um den einstigen Kollegen Manuel Gräfe, der ja bekanntlich altersbedingt zum Ende der vergangenen Saison aus dem Schiedsrichter-Dienst auf höchster Ebene ausscheiden musste. Der 47-jährige Berliner möchte den DFB deshalb sogar verklagen. Ein Umstand, der Thorsten Kinhöfer niemals in den Sinn gekommen wäre. „Ich habe doch jahrelang von dem System profitiert“, mag Kinhöfer die Reaktion seines Schiedsrichterkollegen nicht nachvollziehen. „Das wäre für mich niemals in Frage gekommen. Die Altersgrenze hat es doch immer gegeben“, so Kinhöfer.

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„Das war schon zu Zeiten eines Walter Eschweilers oder eines Markus Merk so. Auch da ist die Bundesliga weitergegangen. Auch nach einem Thorsten Kinhöfer ging es weiter, und das wird auch nach der Zeit von Manuel Gräfe so sein. Man sollte sich als Schiedsrichter nicht wichtiger nehmen, als man ist – ein Nebendarsteller auf der Fußballbühne“ Die heutigen Bundesliga-Schiedsrichter beneidet Thorsten Kinhöfer schon ein wenig um den „Video Assistent Referee“, dem VAR aus dem Kölner Keller. In einem Interview brachte der Herner es auf dem Punkt: „Damals hat mir einer bei einer deutlichen Fehlentscheidung den Allerwertesten gerettet.“ Für Kinhöfer bedeuteten Fehlentscheidungen während seiner aktiven Zeit durchaus schon kurze Nächte. „Das hat mich dann doch sehr intensiv beschäftigt. Da war an Schlaf nicht zu denken“, blickt Thorsten Kinhöfer noch einmal auf die eigene Laufbahn zurück.

Sympathien für den kleinen Fußball

Allerdings sind heutzutage solche Reaktionen im Fußball fehl am Platz. „Fußball ist heute knallhartes Geschäft, und da dürfen keine Fehler passieren“, macht Kinhöfer deutlich, der für Romantiker eindeutig keinen Platz mehr im großen Fußball sieht Allerdings, sagt er, sollte man aufpassen, dass man die „Fußball-Schraube“ nicht zu fest zieht. Denn wenn man sich von den Fans beziehungsweise Zuschauern immer weiter distanziert, wird der Fußball Schaden nehmen.

Deshalb macht der Geschäftsführer eines Container-Terminals in Herne keinen Hehl aus seiner stets vorhandenen Sympathie für den kleinen Fußball. „Ich gehe gerne zum Kreisliga-Fußball“, erzählt Kinhöfer von einer Begegnung am Rande einer Partie mitten in der Ruhrgebietsmetropole. „Da hat ein Zuschauer versucht, mir Kritik am Schiedsrichter des Spiels zu entlocken. Er meinte, dass der doch Scheiße pfeift. Ich antwortete: ‘Hast Du gesehen, was ihr für eine Scheiße spielt?’ Und schon war das Eis gebrochen und es gab ein Kaltgetränk. Das sind Momente, wo die Basis einfach unerlässlich ist“, so Kinhöfer.

Im Fußball fehlen die Typen

Ein Stück Menschlichkeit, das dem großen Fußball immer mehr verloren geht. „Es gibt halt keine Typen mehr wie einen Mario Basler oder Stefan Effenberg, die mal eben einen raus hauten, und dann ging es weiter“, blickt Kinhöfer auf die nie um einen lockeren Spruch verlegenen einstigen Nationalspieler. Die heutige Spielergeneration hingegen möchte keine Fehler machen, und Thorsten Kinhöfer hat durchaus Verständnis für deren Lage. „Die Angst ist halt da, dass man in den sozialen Medien etwas lostritt“, bringt Kinhöfer einen ganz speziellen Gegner der heutigen Profi-Generation ins Spiel und führt als Beispiel eine Geschichte aus seiner Schiedsrichter-Zeit an.

„Es ist schon einmal passiert, dass ein Spieler nach Spielschluss in die Schiri-Kabine gekommen ist. Es wurde diskutiert und mal ein Glas Bier zusammen getrunken. Heute undenkbar. Denn wenn da einer ein Foto macht und das in die sozialen Medien stellt – ein Shitstorm wäre perfekt“, sagt Kinhöfer in aller Deutlichkeit. Der Fußball hat aus der Sicht des ehemaligen Fifa-Schiedsrichters etwas von seiner Leichtigkeit verloren.