Heid. Um ein Haar hätte die erfolgreiche Fußballkarriere des Hendrik Boßert gar nicht stattgefunden.
23 Jahre war der heute 32-Jährige alt, als er sich entschloss, mit dem Spielen aufzuhören und stattdessen zu studieren.
Diesen Entschluss hatte Boßert seinem damaligen Verein, dem FSV Gerlingen, frühzeitig bekanntgegeben. Natürlich waren seine Familie, seine Freundin und jetzige Frau, eingeweiht. „Alle wussten Bescheid,“ erinnerte er sich. Alle rechneten mit einer Verabschiedung im letzten Heimspiel, was zugleich der Abschluss einer Riesen-Rückrunde war. Und dann mit 23 aufhören, wo es doch so fantastisch lief?
Als sich alles zur Zeremonie im Mittelkreis fertig machte, kam die Überraschung. An die erinnerte sich Hendrik Boßert genau. „Viele Zuschauer waren da. Alle wurden verabschiedet. Nur ich nicht.“ Klar wurde er nachher darauf angesprochen. Was denn da los gewesen sei. Jetzt, acht Jahre später, erklärt er es noch mal: „Pauli Brüser war ausschlaggebend, dass ich weitergemacht habe. Er hat mich irgendwann beiseite genommen und gesagt: Das geht nicht. Auch wenn du nur einmal trainieren kannst, kommst du eben nur einmal. Bitte hör nicht auf. Wir machen das. So gesehen war es ein Agreement zwischen Pauli und mir.“
Magische Mai-Nacht
Zur Wahrheit gehörte aber auch: „Es war aber auch so, dass ich noch nicht wirklich ohne Fußball konnte. Zum Glück, denn in der darauffolgenden Saison sind wir in die Landesliga aufgestiegen.“ Heute weiß man: Es wären acht Fußballerjahre geworden, die Boßert verpasst hätte. Denn nun steht es fest, dass er seine Karriere beendet. Zuletzt war er drei Jahre beim SV Rothemühle gewesen. Als Spielender Co-Trainer. Zwei Jahre unter Daniel Morillo und eines unter Avdi Qaka.
In Gerlingen waren Paul-Heinz Brüser und Dirk Hennecke für Hendrik Boßert prägend. „Beide hatten Eigenschaften, die einen Trainer erfolgreich machen“, mochte Boßert keinen höher einstufen als den anderen. „Paul-Heinz Brüser war eher die Vaterfigur, der ruhende Pol. Er ging sehr ruhig, sachlich und bestens strukturiert an die Sache heran. Dirk Hennecke war mehr der Kumpel Typ, dazu mit einer gewissen Energie, Leidenschaft - und zu jenem Zeitpunkt mit Sicherheit noch ein Trainer-Jungspund, der uns damals aber gut mitgenommen und es auch selber vorgelebt hat.“
Mit Dirk Hennecke feierte Hendrik Boßert seinen größten Erfolg: Den Aufstieg in die Fußball-Westfalenliga. An diesen magischen Mai-Tag 2019, an die Aufstiegs-Relegation in Dortmund gegen Westfalia Kinderhaus (2:1) kann sich Hendrik Boßert natürlich noch genaustens erinnern. „Als wir da zum Warmmachen rauskamen, und sahen, wie viele Leute von uns da waren, das war einfach unglaublich. Der Support während des Spiels, aber auch der Empfang in Gerlingen, vor dem Lokal von der Moni - was da für ein Alarm war, was für eine Party, das war einfach nur sensationell. Ich glaube, es kann nicht jeder von sich behaupten, einen solchen Aufstieg miterlebt zu haben.“
Kapitän war damals Florian Brüser, Hendrik Boßert gehörte dem Mannschaftsrat an. Das zeigt, dass Boßert ein gutes Standing im Team hatte, und bereit war, Verantwortung zu übernehmen. „Das habe ich eigentlich in all den Jahren wahrgenommen“, antwortet er. Kann man so etwas lernen, oder liegt einem sowas im Blut? Wäre mal interessant, das aus erster Hand zu erfahren. „Ich denke nicht, dass man das so einfach erlernen kann, man muss auf eine Art und Weise schon ein Typ dafür sein. Man muss auch neben dem Platz vieles organisieren.“ Lernen könne man mit Sicherheit von anderen. Boßert: „Auch da muss ich Flo Brüser erwähnen, den habe ich ja über Jahre als Kapitän erlebt, und von ihm gelernt. Ich hatte immer das Glück, in Mannschaften zu spielen, in denen Teamgeist über allem stand. Wir sind oft zusammen rausgegangen. Und haben uns sehr gut verstanden.“
Erlebnis Westfalenliga
Mit seiner Karriere ist Boßert zufrieden. Westfalenliga hat er gespielt, er ist dankbar für die Erfahrungen, die ihn aber auch an seine Grenzen stoßen ließen. „Die Plätze und Stadien in dieser Liga zu erleben, das war schon schön.“
Die Geschichte von 2014 wird sich nicht wiederholen. Diesmal ist Boßerts Abschied vom Fußball niet- und nagelfest und amtlich. Kein Wunder, hat sich doch sein Leben seitdem gravierend verändert. Heute hat er zwei kleine Kinder, ein und drei Jahre alt. In Heid ist er glücklich, er lebt dort in seinem Elternhaus – und kann vom Wohnzimmerfenster aus den Sportplatz des SV Rothemühle sehen. „Ich habe zwar mit dem Fußball aufgehört, aber ruhiger geworden ist es dadurch nicht.“ Die beiden Kleinen machen ihn flotter als Paul-Heinz Brüser und Dirk Hennecke zusammen, oder? Boßert lacht: Zumindest wissen die beiden Kinder nicht, wann Schluss ist.“
Von großen Verletzungen ist Hendrik Boßert weitgehend verschont geblieben. Bis auf den Ellbogenbruch im vergangenen Jahr, „ein Ding, was mir heute noch teils Probleme bereitet.“ Diese Verletzung ereilte ihn übrigens genau einen Tag vor dem Geburtstag, an dem sein Ältester zwei Jahre alt wurde. Erst tags drauf war er im Krankenhaus und sollte sofort unters Messer. Im Krankenhaus setzte er Prioritäten. Der Junge zu Hause war wichtiger. Seine Antwort im Krankenhaus war entsprechend deutlich: Liebe Leute, ihr könnt mich gerne operieren, aber nicht heute.“