Rothemühle. Das Drama wird jeder noch in Erinnerung haben, der es live miterlebt hat. Es war der 18. Mai diesen Jahres.
Da blieb Thomas Korn, Torwart des Fußball-Bezirksligisten SV Rothemühle, in der 86. Minute des Halbfinales im Krombacher Pokal beim FC Lennestadt im Fünfmeterraum liegen und wurde minutenlang behandelt.
Spektakulär war die voraufgegangene Szene nicht. Ein Luftkampf wie viele. Der Keeper streckte sich nach einem hohen Ball. Umso größer das Entsetzen, als herauskam, was sich der 32-Jährige da zugezogen hatte: Es war ein Wadenbeinbruch, dazu war das Syndesmoseband gesprengt, außerdem waren die Innen-und Außenbänder gerissen. Liest sich wie eine Fußball-Horrorstory.
Wie geht es Thomas Korn heute? „Eigentlich recht gut“, antwortete er, „ich bin wieder im Lauftraining, mache Physiotherapie. Ich habe zwar noch die Platte drin, aber die kommt im Februar raus.“
Korn „verarztet“ sich selbst
154 Tage ist das heute her. Trotzdem hat Thomas Korn diesen Abend noch genau in Erinnerung. „Ich habe eine Flanke abgefangen, da wurde ich leicht angerempelt, dann bin ich aufgekommen und der rechte Fuß ist 90 Grad nach außen weggeknickt.“ Das Unglaubliche: „Ich habe den Fuß genommen und ihn einfach um 90 Grad wieder zurückgedrückt“, erzählte der Keeper.
Das muss doch irre weh getan haben. Korn: „Ich hatte immer nur den einen Gedanken: Du musst es jetzt machen, so lange du noch Adrenalin im Körper hast und bevor der Schmerz kommt.“ Richtig gemacht. „Bis zum nächsten Tag, bis zur OP, habe ich auch keine Schmerzmittel gebraucht.“ In Altenhundem ist Thomas Korn dann operiert worden und zehn Tage später nochmals, da wurde ihm eine zweite Platte eingesetzt.
Zur Rückrunde versuche er, wieder langsam einzusteigen, fügte er hinzu. Sein Traumziel. Dafür schuftet er, wie aus Rothemühler Reihen zu vernehmen war. „Das stimmt. Ich versuche, so oft wie möglich bei der Mannschaft zu sein. Wenn die trainiert hat, habe ich mich auf die Terrasse des Klubhauses gesetzt, bin dort Fahrrad gefahren und habe ihnen beim Training zugeguckt.“
So weit das Körperliche. Aber da ist auch noch der Kopf, in dem sich in solch einer Lebenssituation einiges abspielt. „Durch den Fußball habe ich immer den Kopf von der Arbeit frei gekriegt“, sagt der selbstständige Schreiner, „das Zusammensein mit der Mannschaft hat mir gefehlt, die Abende in der Kabine, das Bierchen.“ Stattdessen hat er acht Wochen nicht gearbeitet, ist mit Krücken ins Büro. „Das ist auch nicht immer so schön.“
Seine Mannschaftskameraden bauen ihn auf, sagt Thomas Korn dankbar. Sie hatten T-Shirts gefertigt, bedruckt mit Genesungswünschen. „Wir sind eine eingeschworene Truppe.“ Er gibt zurück, was er zurückgeben kann, schaut sich jedes Spiel an, hilft dem Verein als Linienrichter und Betreuer.
Mit 32 kann man noch mal angreifen. „Es ist ein schmaler Grat“, entgegnet Korn, „in meinem Beruf habe ich Verantwortung. Wenn ich alles schmerzfrei machen kann, mache ich noch was.“ Insgesamt sind sie zu zehn Leuten im Schreinerbetrieb. Wenn da einer länger fehlt...
Mit 3:2 gewann der SV Rothemühle das Halbfinale beim Westfalenligisten FC Lennestadt. Eine Riesenüberraschung war der Einzug ins Endspiel - zu dem der SVR dann nicht antrat, was zu Recht hohe Wellen schlug und dem Verein eine Pokalsperre bis 2024 einbrachte.
Thomas Korn ist ein Teil der Geschichte, seine Paraden verhalfen den Rothemühlern zum Sieg im Henselstadion. Deshalb kommt man nicht umhin, ihn nach seiner Sicht der Dinge zu fragen. Wie hat er diesen Skandal damals erlebt? Noch im Krankenhaus. „Da sind von vielen Seiten damals falsche Entscheidungen getroffen worden,“ antwortete er, „ich hätte schön gefunden, wenn wir gespielt hätten, ich hätte es den Jungs gegönnt, aber jetzt kann man es nicht mehr ändern. Vielleicht hätte man sich noch einigen können. Aber ich bin nur Spieler, ich hab’s nicht zu entscheiden.“ Und dann sagt er noch: „Wenn wir in zwei Jahren wieder mitspielen dürfen, habe ich vielleicht nochmal die Chance...“