Attendorn. Der SV 04 Attendorn hat sich nach der Flutkatastrophe im Ahrtal engagiert. Nun sind Jugendfußballer zu Besuch im Hansastadion.
Zum ersten Mal nach der Jahrhundertflut im Ahrtal mit ihren schweren Verwüstungen auch in seinem Heimatort Dernau kann Patrick Koßmann an diesem Wochenende etwas abschalten. „Das war ein bisschen wie Urlaub“, erzählt der D-Jugendtrainer der JSG Mittelahr vom Aufenthalt am „Leuchtturm“, dem Gastronomiebetrieb auf dem Biggedamm. Das ist nur einer der vielen Programmpunkte, den der SV 04 Attendorn für seine Gäste aus dem Katastrophengebiet zusammengestellt hat.
Das Wasser ist in diesen Stunden keine Bedrohung für Patrick Koßmann, seine Trainerkollegen und die Nachwuchskicker der JSG Mittelahr, einem Zusammenschluss von fünf Vereinen aus dem Ahrtal. Dort ist nichts mehr, wie es war. Auch die sportliche Infrastruktur in Dernau, Bachem, Kreuzberg, Walporzheim und Mayschoß wurde von den Wassermassen weggerissen oder liegt tief unter Schlamm und Dreck.
Alle Plätze unbespielbar
„Bei uns ist kein Platz bespielbar“, berichtet Koßmann. A-Jugendtrainer Jürgen Wolber zeigt ein Foto auf seinem Smartphone. Wo früher unterhalb der Burg Kreuzberg Fußball gespielt wurde, stapeln sich Hunderte von Müllsäcken. „An der Ahr werden wir keinen Sportplatz mehr genehmigt bekommen“, sind sich die beiden Übungsleiter einig.
Der Spielbetrieb ist für die nächsten Monate ausgesetzt, nur Freundschaftsspiele auf anderen Plätzen sind möglich. Mit seiner D1-Jugend ist Patrick Koßmann bei einem anderen Verein untergekommen. Oder besser: Mit dem, was von seiner Mannschaft noch übriggeblieben ist. Von 17 Spielern sind nur acht gewechselt. „Die anderen sind verschollen“, sagt Koßmann, der sich mit seiner Frau Johanna in der JSG Mittelahr engagiert. Etliche Schulen im Ahrtal sind regelrecht abgesoffen, die Kinder müssen woanders in Nachmittagsunterricht. „Viele haben auch den Kopf nicht frei“, erzählt der Mann aus dem schwer beschädigten Dernau.
„Vollgelaufen wie eine Badewanne“
Jürgen Wolber hat Glück gehabt. „Unser Haus war nicht betroffen, aber ich habe trotzdem vier Kilo abgenommen.“ Seine Heimatort Altenburg ist „vollgelaufen wie eine Badewanne“. Ein Trainerkollege konnte sich mit seiner Frau vor den Fluten auf den Dachboden retten. Bei den Koßmanns, die direkt an der Ahr wohnen, stand das Wasser meterhoch. Das erst vor ein paar Jahren komplett renovierte Haus ist unbewohnbar, eine Bleibe haben sie in der Ferienwohnung seines Chefs gefunden. Nächstes Jahr wollen sie wieder zuhause einziehen. „60 bis 70 Prozent der Menschen bleiben nachts nicht in Dernau, viele Ältere ziehen komplett weg“, berichtet der Nachwuchscoach.
Beeindruckt sind die Ahrtaler von der „Solidarität und Hilfsbereitschaft“. Noch immer ist ein Shuttle-Service mit freiwilligen Helfern im Katastrophengebiet im Einsatz. Auch zahlreiche Attendorner haben vor Ort geholfen. Vor einigen Wochen waren Thomas Bassitta, Christof Schmidt und Albert Hasenau vom SV 04 Attendorn mit einem Anhänger voll mit Fußballschuhen, Trikots, Trainingshemden usw. bei der JSG Mittelahr.
Viele glückliche Gesichter
Vorher hatten sich die Vorstandsmitglieder Anne Bruse und Bassitta haben sich vor Ort ein Bild von den verheerenden Folgen des Hochwassers gemacht. Jetzt folgte der Gegenbesuch.
„Für die Kinder war das ein Riesenspaß. Der SV 04 hat ein tolles Programm auf die Beine gestellt“, bedanken sich Patrick Koßmann und Jürgen Wolber bei den Hansestädtern. Auch Thomas Bassitta freute sich über ein „ganz tolles Wochenende und so viele glückliche Kindergesichter“. „Ganz viele Attendorner“, so Thomas Bassitta, haben den SV 04 unterstützt. „Das soll keine einmalige Geschichte sein“, sichert Vorstandskollege Christof Schmidt der JSG Mittelahr die Solidarität und Hilfe aus der Hansestadt zu.
Von einer Anlage wie dem Hansastadion können die Ahrtaler nur träumen - schon vor der Jahrhundertflut. „Das ist beneidenswert“, blickt Patrick Koßmann auf die beiden Kunstrasenplätze und den Naturrasenplatz mit dem Vereinsheim. Der einzige Kunstrasenplatz der JSG in Dernau, den man 2016 noch vor dem Hochwasser retten konnte, liegt unter Schlamm, das Vereinsheim muss abgerissen werden. Auch der im Frühjahr angelegte Bolzplatz ist komplett weg.