Maumke. Heute würde man den alten Fußballplatz des SV Maumke wohl als „Hybrid“ bezeichnen. Denn er hatte alles: Sand, Split, Wiese und Asche.

Kein Mensch würde sich an diesem ungemütlichen Tag auf diese Wiese zwischen dem Lenne-Ufer und dem Bahngleis verirren. Nur ein Mann, der sich mit einem Holzstapel am Rande eines kleinen Wäldchens beschäftigte, nahm den Berichterstatter wahr und nutzte dessen Besuch als willkommenen Anlass, eine zu rauchen.

War hier mal der Sportplatz des SV Maumke? Ja, antwortete der Holzsäger und erwies sich als sehr ortskundig. „Hier stand das eine Tor“, sagt er und zeigte auf dem Rand des Wäldchens, „und dort stand das andere“, fügte er hinzu, während dorthin wies, wo sich die Wiese zu einem breiten Tal Richtung Germaniahütte öffnet.

Eine Woche Aufräumarbeiten

Es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, dass dieses Geläuf einige Male von schweren Überschwemmungen heimgesucht wurde. „Allerdings. Wenn es etwas mehr regnete, hatten wir immer Hochwasser“, berichtet Dieter Matzner (73), ehemaliger Spieler des SV Maumke, „da war alles überschwemmt. Wir haben manchmal eine Woche gebraucht, um den Platz wieder so hinzukriegen, dass wir spielen konnten.“

Holz und jede Menge anderer Mitbringsel lud die Lenne auf dem Rasen ab. Da erwies sich der VfB Meggen als hilfreicher Nachbar. Dort fanden die Maumker einen Ausweichplatz. Wenn das Wasser abzog, blieb nur noch Schlamm und Matsch. Nach ein paar Wochen wagte sich wieder ein zaghaftes Grün hervor. Heute würde man den Platz möglicherweise beschönigend als Hybrid bezeichnen. Viele Materialien waren auf den 50x100 Metern vertreten, allesamt wenig fußballfreundlich. Im Strafraum war eine Art Split oder feiner Sand. Der Platz selber war eine Wiese.

Paul Völmicke, Metzgermeister und ehemals Spieler der Ersten, ergänzte: „In der Mitte war etwas Asche. Und vor den Toren war Kraut und Rüben. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“ Nur im Sommer, sagte Dieter Matzner stolz, „da war dieser Rasen bundesligatauglich. Der wurde total gepflegt, dafür sorgte der Flammen Jupp.“ Josef Flamme korrekt ausgedrückt. Der kümmerte sich um alle Belange des Platzes. Vor jedem Spiel mussten die Verantwortlichen Sägemehl aus der Schreinerei nebenan holen. Mit dem wurden die Linien abgestreut.

Einen Unterstand hatte der Platz nicht, geschweige denn eine Tribüne. Aber dennoch hatte er eines exklusiv: einen Zirkuswagen. Den hatte ein Zirkus, als er sein Winterlager in Altenhundem verließ, ausrangiert und dem Sportverein zur Verfügung gestellt. Wenn es regnete, konnten die Spieler sich zumindest in der Halbzeit aufwärmen. „Aber meistens sind wir während der Pause auf dem Platz geblieben, auch wenn es in Strömen regnete“, erinnert sich Matzner. Schon allein, weil keine 22 Spieler plus Schiedsrichter in diesen Zirkuswagen hineinpassten. Die duschten sich im Vereinslokal Hufnagel im Dorf.

Klein-Schalke, Klein-Herne

Der Sportplatz am Lennestrand erlebte die Glanzzeiten des SV Maumke in den 60er Jahren. Der hatte zu der Zeit etwas von dem Mythos eines Revierclubs. Klein-Schalke, Klein-Bochum, Klein-Herne. Denn der SV Maumke war, wie die Ruhrgebietsvereine, von Bergleuten geprägt. Es fing schon mit der A-Jugend an. Dieter Matzner: „Acht von uns waren Bergmannskinder, mein Vater selber ist 30 Jahre unter Tage gewesen. Diese Truppe hatte größten Zusammenhalt. Die Spieler wohnten alle in einer Straße, sie haben von der untersten Jugend bis in die erste Mannschaft zusammen gespielt.“ Die Fußball-Verrücktheit war grenzenlos. In den Schulpausen war die Milchdose der Ball. Kurzum: Straßenfußballer, wie sie im Buche stehen.

Der SV Maumke galt als Talentschmiede, die Vereine haben etliche Spieler weggeholt. Matzner. „Viele Maumker spielt woanders, wie Hansi Kny, oder Dirk Neubauer, hier liefen immer gute Spieler rum.“ Da mochte sich Matzner selber nicht ausnehmen. „Mich wollte der VfB Meggen haben, wenn ich das nebenbei mal so sagen darf. Da gab es einen, der wollte mich bezahlen. Aber ich habe gesagt: ich bin Maumker und bleibe Maumker. Ich habe auch nie bereut, dass ich in Maumke geblieben bin.“

Mit der ersten Mannschaft gewann der SV Maumke in den 60er Jahren das Halbfinale gegen den FSV Gerlingen, den Landesligisten. Wobei Sternstunde relativ ist, denn, so Matzner: „Ich habe ein Eigentor gemacht.“ Dabei hatte er dort hinten nichts zu suchen. „Ich war damals der Torjäger“, verrät er, „in der Schüler habe ich manchmal in einem Spiel acht Tore geschossen, in der A-Jugend immer so zweieinhalb oder drei.“

Der Höhenflug des SV Maumke in den 60er Jahren war furios. Die Saison der Kreisliga B beendete er ohne Niederlage. Auch in der Kreisliga A trumpfte er auf, wurde als Neuling 1968/69 auf Anhieb Vizemeister. Eigentlich ein Grund, stolz zu sein, wäre da nicht der Fünf-Punkte-Vorsprung, den sie im Endspurt an den TV Grevenbrück, den Vorgängerverein von Rot-Weiß Lennestadt, abgaben. Die letzten fünf Spiele verloren die Maumker allesamt. Heute sagt Matzner: „Ich habe zu früh aufgehört, Fußball zu spielen. Der Beruf hatte Vorrang.“ Er hat bei Thyssen gearbeitet in Finnentrop, und dann noch 35 Jahre in seinem Beruf als Maler.

1970 war dann auch die Geschichte des alten Platzes an der Lenne zu Ende geschrieben. Der SV Maumke bekam einen neuen. Mitten im Dorf. Heute aus der Rückschau lässt sich das alles auf einen kurzen Nenner bringen. „Wir hatten eine Klasse Mannschaft“, blickt Matzner zurück, „wenn wir nur einen besseren Platz gehabt hätten!“

Matzner hat vier, fünf Gegenspieler

Eigentlich war der Besuch bei Dieter Matzner in Maumke nur als Fototermin gedacht. Es galt, ein aktuelles Bild vom einstigen Torjäger des SV Maumke aufzunehmen. Doch da stand auf einmal Kaffee und Marmorkuchen auf dem Tisch. Was der Berichterstatter - sonst eher eilig - dann doch nicht verschmähen mochte.

Dieter Matzner, heute 73 Jahre, hat viel zu erzählen, er hat die großen Zeiten des SV Maumke mitgestaltet. „Ich sah damals in der Jugend schon älter aus, als ich war“, berichtet er von seiner kräftigen Gestalt. Die hat manchen Gegner veranlasst, nach dem Spiel Protest einzulegen. Matzner: „Die dachten, der dürfte gar nicht mehr in der Jugend spielen, ich sei zwei, drei Jahre zu alt dafür.“ Ein weiterer Effekt: „Ich hatte immer vier oder fünf Mann gegen mich, dadurch waren die anderen natürlich frei.“

Prozession aus Bonzel

Der Maumker berichtet über Spiele vor 800 Zuschauern. Das waren die Derbys gegen Altenhundem, aber auch die gegen Bonzel. „Wenn die Bonzeler über den Berg kamen, dann sahen wir sie schon von unserem Sportplatz aus den Berg runter kommen. Das sah aus wie eine große Prozession“, erzählt er. Matzner hätte sicherlich auch höher spielen können. Aber er beließ es, was den großen Nachbarn VfB Meggen anging, bei seiner Rolle als Zuschauer. „Die Mannschaft hat mir imponiert, da waren viele Bergleute drin, und die hatten eine unheimliche Kampfkraft,“ schwärmte Matzner.

So pilgerte er immer mal wieder zum alten Sportplatz in der Grubenstraße. Einmal wurde er Zeuge eines ganz besonderen Ereignisses. Nämlich, als der SV 04 Attendorn dort mit 3:0 führte. Deren Fans hatten das Spiel abgehakt, gingen in eine nahe gelegene Gastwirtschaft und kamen kurz vor Schluss wieder zurück, um sich nach dem Endergebnis zu erkundigen. Matzner lächelte: „Da stand’s 6:3 für Meggen.“

Den Ton gab Tura Altenhundem an. „Die wurden immer Erster“, erzählte Matzner, „die hatten einen überragenden Torwart, den Wolfgang Ebert. Der hielt alles! Ich kann mich erinnern, als wir gegen die 1:3 verloren haben - da haben wir unser Tor gefeiert wie einen Sieg.“