Ottfingen. Fußball oder Volleyball? Das war nur für kurze Zeit die Frage für Isabel Schneider, Schülerin der Grundschule Ottfingen.

Kein Wunder. Papa Rudi kickte sehr erfolgreich für den heimischen SVO, während Mama Andrea das Spiel am hohen Netz bevorzugte. Wie die Entscheidung von Klein-Isa ausfiel, ist hinlänglich bekannt.

Zeitsprung um 15 Jahre. Juni 2013. Die Bilder von vor sieben Jahren sind noch immer da. „Die Gefühle kann man nicht beschreiben“, blickt Paul Bröcher, Großvater der U23-Weltmeisterin im Beach-Volleyball, zurück, „nach dem Spiel sind wir draußen herumgesprungen wie verrückt. Gänsehaut pur.“ Und Oma Rosi? Vergoss nur noch Freudentränen.

Ottfingen, 2200 Seelen-Ort, ist für einen kurzen Moment der Nabel der Beach-Welt. So schien es zumindest. Alles andere war an diesem Tag im Juni 2013 uninteressant. Mama und Papa Schneider waren in Myslowice (Polen) live dabei, sie verkündeten die frohe Botschaft, die ohnehin schon alle in Ottfingen kannten. Und da brachen im Haus An der Waare alle Dämme.

20 Kisten Bier müssen her

Jetzt begann für Opa Paul die Arbeit. Die Weltmeisterin musste ja gebührend empfangen werden. Isabels Vater Rudi, der Fußballer, wurde kontaktiert: „Bestell’ zwanzig Kisten Bier.“ Es folgte der Weg nach Saßmicke. „Ich brauche mindestens 15 Fahnen, nicht nur deutsche, auch von Brasilien, den Finalgegnerinnen, auch andere durften es sein.“ Haus und Garage verwandelten sich in ein Fahnenmeer.

Ein Triumphzug ohnegleichen. Begleitet von den Klängen des Musikvereins Treue Ottfingen. Fassungslosigkeit bei Isabel ob dieses Empfangs. Ottfingen stand Kopf an jenem Sommertag 2013. Die Protagonistin ist wie in Trance. Umarmungen, die kein Ende nehmen sollten. Emotionen pur. Alle wurden geherzt, ob sie wollten oder nicht. Aber wer wollte nicht? Auch Gudula Krause, ihre Trainerin aus Leverkusen, war plötzlich da. Nur nicht ihre kongeniale Partnerin Victoria Bieneck. Ob sie mit einem vergleichbaren würdigen Empfang in Berlin überrascht wurde? Zumindest war nicht ganz Berlin auf den Beinen. „Ich hatte das Glück, von den Eltern voll unterstützt zu werden“, wird Isa erzählen.

Volleyball war ihr sportlicher Mittelpunkt und blieb es bis heute. „Die Grundtechniken hat sie von ihrer Mama Andrea im Garten gelernt“, weiß Friederike Imhäuser, die seit den gemeinsamen Zeiten bei SFG zu ihren engsten Freundinnen gehört.

Kathrin Renker-Schlörb, heute Leiterin des Grundschulverbandes Düringer/Dahl und ehemalige Volleyballerin, erinnert sich: „Isabel kam im dritten Schuljahr zur AG. Ein Supertalent, sie hat alle in den Sack gesteckt. Sie war koordinativ herausragend, besaß eine schnelle Auffassungsgabe. Und: sie war total offen.“

Mit noch nicht einmal 14 Jahren spielte sie in der ersten Mannschaft. Parallel verstärkte sie die C-, später die B-Jugend des RC Sorpesee. In der Jugend war ein Zweitspielrecht für einen anderen Verein möglich. In dieser Zeit entwickelte sich eine dauerhafte Bindung mit Friederike Imhäuser, die Isa an den Sorpesee lockte. Es passte auch sportlich. Gemeinsam im blauen Trikot des RC Sorpesee sorgten sie bundesweit für Aufsehen: Platz 5 bei der U18-DM. Rike: „Während der gemeinsamen Fahrten und Übernachtungen haben wir viel Zeit verbracht, viel gelacht. Eine enge Freundschaft ist entstanden.“

Drei Schritte

Isabel Schneider teilt ihre sportliche Vita in drei Schritte. Im Sommer 2007 wechselte die gerade 16-jährige Kaderspielerin zum TuS Iserlohn, um wenig später für Bayer 04 Leverkusen in der Bundesliga aufzuschlagen. Bei den Kader-Lehrgängen wurde die Saat für die spätere Karriere gelegt. „Probiert es doch mal im Sand aus“, so ein Kader-Trainer. Und Isa probierte es von 2006 bis 2008 erfolgreich aus mit Lisa Schulte-Schmale vom RC Sorpesee: Zweimal Westdeutsche Meisterin (U17 und U18) sowie jeweils Halbfinale bei den „Deutschen“.

Am 28. August 2008 war es soweit: der erste internationale Auftritt mit Christina Aulenbrock vom VfL Oythe. In Loutraki verpassten sie nur knapp das Halbfinale. „Das war richtig cool, eine große Ehre für mich, für Deutschland spielen zu dürfen. Ich hatte jetzt Blut geleckt“. Isabel Schneider war mittlerweile beim Hamburger SV unter Vertrag.

Und es sollte mit den internationalen Meisterschaften weitergehen, ausgetragen an Orten, die für den normal Sterblichen Urlaub bedeuten. Aber nicht für Isabel Schneider und ihre wechselnden Partnerinnen, für sie war das immer harte Arbeit. „Von der Stadt, dem Land haben wir so gut nichts gesehen“, waren Isabels Standardantworten.

„2013, die WM, war meine letzte Möglichkeit, mich als Jugendspielerin endlich mit Edelmetall zu belohnen.“ Und sie holte sich den Lohn für konsequente, systematische Trainingsarbeit ab – zusammen mit Victoria Bieneck, die dann ab 2017 zu ihrer Standardpartnerin avancierte. Es war zugleich der Start zu einer gemeinsamen internationalen Karriere, die noch nicht zu Ende ist.