Kirchhundem. Sport kann für Menschen mit Migrationshintergrund ein wichtiges Mittel zur Integration sein. Beispiel: Die Brüder Ali und Venhar Bivolaku.
Die Bivolaku-Brüder machten Karriere in zwei verschiedenen Sportarten. Während Venhar es als Fußballer bei der SG Betzdorf bis in die Oberliga und beim FC Lennestadt bis in die Westfalenliga schaffte, wurde Ali ein begeisterter Handballer beim SV Würdinghausen und der HSG Lennestadt/Würdinghausen. Einige Jahre war Ali Bivolaku Trainer der 2. Mannschaft, die er 2016 in die Kreisliga B führte. Darüber hinaus fungierte er als Schiedsrichter.
Geboren in Pristina
Ali (1985) und Venhar Bivolaku (1989) wurden in Pristina der Hauptstadt des Kosovo geboren. In diesen Jahren flammten die Unruhen im Kosovo und in Ex-Jugoslawien auf, die dann in den verheerenden Bürgerkriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 90er Jahren mündeten. „Ich kann mich noch vage daran erinnern, wie alles anfing. Viele Nachbarn von uns wurden von den Polizisten krankenhausreif geschlagen. Einige wurden ohne Grund inhaftiert und drangsaliert. Mein Vater hatte damals einen Super-Job. Er wurde von heute auf morgen entlassen und bekam kein Gehalt mehr“, erzählt Ali Bivolaku.
1991 zog Alis und Venhars Vater die Konsequenzen. Er ging nach Deutschland. „Mein Vater wollte sich um eine sichere Arbeitsstelle und um eine Wohnung kümmern. 1993 hat mein Vater eine familiäre Lebensgrundlage für uns schaffen können und holte und nach Deutschland. Gemeinsam zogen wir zuerst nach Würdinghausen, später dann nach Kirchhundem“, berichtet Venhar Bivolaku über die ersten Schritte der Familie in Deutschland.
Blick zurück mit Stolz
Venhar Bivolaku blickt mit Stolz zurück: „Es war sehr aufregend. Meine Eltern waren sehr offen und kontaktfreudig. Wir konnten uns schnell einleben. Die deutsche Sprache erlernte ich schnell. Als Kind war ich fast jeden Tag auf dem Sportplatz. In meinen ganz bekloppten Zeiten war ich bei Wind und Wetter ganz allein auf dem Platz und habe zum Beispiel Freistöße geübt. Ich habe das Trainieren geliebt.“ Die Bivolaku-Brüder fanden schnell Anschluss in der neuen Umgebung in Deutschland. Wichtig war unter anderem. auch der Sport. Eine Dame aus der Nachbarschaft meldete uns damals im Verein an, da viele Kinder auf der Straße freudig Fußball spielten“, erzählt Ali Bivolaku.
Bei Ali Bivolaku startete die aktive Handball-Laufbahn beim SV Würdinghausen und setzte sie dann bei der HSG Lennestadt/Würdinghausen fort. Ali Bivolaku: „Irgendwann bin ich dann Schiedsrichter geworden, zunächst im Duo mit Christian Starick und später mit Klaus Kraß. Ich habe bis zur Oberliga gepfiffen. Es war die Idee von Klaus Kraß, dass ich Trainer werde. Vor fünf Jahren bin ich dann von der ersten Mannschaft in die Zweite gewechselt und bin deren Trainer geworden. Ein Jahr später sind wir in die Kreisliga B aufgestiegen. Kurz danach habe ich meine Handball-Karriere beendet.“
Für Ali Bivolaku steht fest: „Wem ich viel zu verdanken habe, ist Reiner Rölle. Der hat mich irgendwie überall hin mitgeschleppt. Er hat mir gezeigt, wie es in Deutschland funktioniert.
Venhar Bivolaku machte in der gleichen Zeit im Fußball Karriere: „Angefangen habe ich in der F-Jugend in Kirchhundem. Von dort aus ging ich zu den Sportfreunden Siegen. Dort spielte ich von der C- bis zur B-Jugend. Mein damaliger Trainer empfahl mir, zur SG 06 Betzdorf zu wechseln, da er dort größere Chancen für mich sah, höherklassig spielen zu können“.
Intermezzo in Olpe
Nach zwei Jahren in der A-Jugend-Regionalliga und einem Jahr in der Senioren-Oberliga mit Betzdorf, wechselte Venhar Bivolaku zur SpVg Olpe. Anschließend ging er zu seinem Heimatverein FC Kirchhundem zurück. 2016 wechselte er zum FC Lennestadt, der gerade in die Westfalenliga aufgestiegen war. Seit dem 1. Juli ist Venhar Bivolaku Spielertrainer des B-Kreisligisten SV Rahrbachtal. Venhar Bivolaku: „Mein Papa hat mich damals mehrmals die Woche zum Fußball gefahren und am Wochenende an der Seitenlinie unterstützt. Ohne ihn hätte ich mein Hobby nicht so ausleben können.“
Durch gemeinsame Hobbys entwickeln sich erste soziale Kontakte und Freundschaften. „Man hat gemeinsame Interessen und der Spaß steht im Vordergrund. Es ist nicht zwingend notwendig, die Sprache auf Anhieb perfekt zu beherrschen. Sport spricht seine eigene Sprache. Der Fußball vermittelt Werte wie Teamgeist, Fair-Play, Zielstrebigkeit und Akzeptanz. Diese Werte sind im gesellschaftlichen Miteinander ebenfalls sehr wichtig“, so Venhar Bivolaku.
Zur Ausreise gelockt
In schwierigen Zeiten sind vor allem „gute Kontakte“ wichtig gewesen. Ali Bivolaku: „2001 endete der Krieg im Kosovo. Aus diesem Grund sollten wir in unser Heimatland zurückkehren. 70 bis 80 Prozent wurden mit finanziellen Mitteln zur freiwilligen Ausreise gelockt. Meine Eltern haben das zum Glück nicht gemacht. Sie wussten, dass das nicht gut geht“.
In der Zeit sei es wichtig gewesen, gute Freude zu haben, die uns unterstützten. Sicher hatten wir auch Glück, die richtigen Leute zur richtigen Zeit kennengelernt zu haben. Viele dieser Leute haben wir durch den Sport kennengelernt“.
Die Bivolaku-Brüder blicken heute dankbar zurück. „Der Sport hat eine große Rolle für unsere Integration gespielt“, sagt Ali Bivolaku in unserem Gespräch, „wichtig war, dass wir schnell die deutsche Sprache erlernt haben. Das ist in jungen Jahren und in einer Gruppe mit Gleichaltrigen natürlich sehr viel einfacher, als wenn man schon älter und allein ist. Wir sind unseren Eltern und unserem sozialen Umfeld sehr dankbar, dass sie uns weltoffen erzogen und begleitet haben und wir so problemlos in Deutschland Fuß fassen konnten“.