Olpe. Volleyball durchzieht sein sportliches Leben. Fasziniert davon war Helmut Tölle, als er 1972 die Olympischen Spiele im Fernsehen verfolgte.

„Da hat es ‚klick‘ gemacht.“ Es war für den gebürtigen Paderborner wie ein Urknall, der sein sportliches Leben entscheidend prägen sollte. Und er hatte das Glück, dass an seiner Schule ein engagierter Sportlehrer samstags in einer Volleyball-AG den interessierten Schülern die ersten technischen Elemente lehrte.

Es war sicher kein Zufall, spielte doch der ansässige Verein VBC 69 Paderborn schon drei Jahre nach seiner Gründung in der Bundesliga. Die Ostwestfalen waren über viele Jahre ein Aushängeschild des Volleyballsports in der alten Bundesrepublik. Da nahm die Karriere des jungen Helmut Tölle erst so richtig Fahrt auf.

„In der Jugendabteilung des VBC habe ich dann das Volleyballspielen erst richtig gelernt“, schaut er zurück, „und als Linienrichter konnte ich umsonst hautnah bei den Bundesligaspielen dabei sein“. Diese Motivation drückte sich auch in seinem Trainingseifer aus. „Ich war mindestens sechs Mal in der Woche in der Halle, und wenn möglich wurde auch noch im Freibad gespielt, vor dem Training.“Es waren auch die Trainingseinheiten, der er manchmal mit seinen Vorbildern im Verein absolvieren konnte. „Wenn da jemand fehlte, durfte ich mittrainieren. Das trug natürlich dazu bei, das eigene Niveau zu verbessern.“ Der VBC Paderborn hatte damals einen klangvollen Namen. Später, in den frühen 80ern, wurden die Ostwestfalen sechs Mal Deutscher Vizemeister.

Berlin, Berlin...

Zweite Station: Berlin. Berlin? „Da konnte ich mir die Bundeswehr ersparen.“ Der Maschinenbau-Student begann als „Trainer mit Werksvertrag“ (O-Ton Tölle) sich sein zweites Volleyball-Standbein zuzulegen. „Nicht nur spielen“ war seine Devise. Mit zahlreichen Volleyball-Interessenten gründete er eine AG an der Hochschule – und das war folgenreich. „Durch meinen Trainerjob hab ich mir gleich eine Spielerin geangelt.“ Und Gertrud hängt heute noch am Angelhaken. „Trainieren ist ja auch nicht alles, und so haben wir schnell eine Mannschaft im Berliner Volleyball-Verband unter TuS Lichterfelde angemeldet.“

Was dann folgte, könnte fast mit dem unaufhaltsamen Aufstieg der Fußballer der TSG Hoffenheim verglichen werden. Aus der Kreisliga bis in höchste Ligen. In Hoffenheim spielte Geld keine Rolle. Beim TuS Lichterfelde auch nicht, man hatte ohnehin keines. Die Grenze des unaufhaltsamen Aufstiegs war eben – die Grenze. „Wir sind fünf Jahre hintereinander aufgestiegen, bis wir in der höchsten Klasse in Berlin angekommen waren.“ Die Regionalliga wäre die nächste Station gewesen. Doch das hätte bedeutet, dass die Tölle-Truppe aus Berlin rausmusste – und da war ja die DDR-Staatsgrenze im Weg. „Dieser Aufstieg wäre aber nicht sinnvoll gewesen, da wir zu jedem Auswärtsspiel durch den Grenzkorridor nach Niedersachsen fahren mussten.“

Strand-Wochenenden in Barcelona

Und doch: irgendwann musste das Thema Berlin abgehakt werden. Als gestandener Maschinenbauer und Konstrukteur bei AEG wurde der Volleyballfreak in die katalanische Region beordert. In Sant Cugat, Nähe Barcelona, wartete der nächste Baustein seiner Volleyball-Vita. „Hier hatte ich die Möglichkeit, bei einer sehr guten Mannschaft das ein oder andere Mal mitzutrainieren. Doch am schönsten waren immer die Wochenenden am Strand, wo man mit einem Ball und einem provisorischen Netz die Vorläufer des heutigen Beach-Volleyballs ausüben konnte.“

Volleyball-Abteilungsleiter des TV Olpe Helmut Tölle mit seinem späteren nachfolger Marius Stuff.
Volleyball-Abteilungsleiter des TV Olpe Helmut Tölle mit seinem späteren nachfolger Marius Stuff. © volkher pullmann

Tölle blickt in den Rückspiegel: „Da haben wir im Sand rumgebuddelt. Immer, wenn eine neue Reisegruppe am Strand auftauchte, holten uns die Surflehrer zur Verstärkung. Die Großmäuler der Gruppen wurden dank unserer Teilnahme schnell ruhiger. Die hatten vorher immer eine große Klappe.“ Übrigens: Es war noch die „Beach-Urzeit“. Gespielt wurde wie in der Halle, Sechs gegen Sechs.

Katalonien Ade. „Der Strand fehlte schon, aber das wurde durch die Herzlichkeit der Olper wettgemacht“, beschreibt Helmut Tölle den letzten Standortwechsel 1986 von der sonnenverwöhnten Costa Brava in das nicht gerade vom Wetter verwöhnte Sauerland. „Und doch“, so der Ostwestfale Tölle, „ist natürlich aller Anfang schwer.“ Er erinnert sich: „Ich hatte schon vier Wochen beim TV Olpe mittrainiert und keiner kannte meinen Namen. Ausgerechnet der jüngste Spieler im Kader traute sich dann mich anzusprechen, wer ich denn sei.“ Irgendwie typisch? Der „Büterling“ nahm’s nicht krumm, denn: „Ist erst einmal das Eis gebrochen, so fühlt man sich hier sehr wohl.“

Aufwühlender Moment

Dass Helmut Tölle etwas vom Volleyball verstand, erkannte auch der damalige Abteilungsleiter Bruno Müller sehr schnell. Aus traurigem Anlass wurde der Paderborner beim TV Olpe 1999 Nachfolger von Bruno Müller. „Drei Tage vor Brunos Tod hat er mich zu sich nach Hause gebeten, um seinen Job zu übernehmen.“ Es war ein sehr aufwühlender Moment, doch: „Wer kann da nein sagen?“.16 Jahre sollte er das Amt innehaben, bevor er es in jüngere Hände legte: Marius Stuff lenkt seitdem die Geschicke der Abteilung. „Die Teilnahmen an Westdeutschen Meisterschaften waren dabei immer das größte Erlebnis sowohl für die Spieler als auch für den Trainer und die mitgereisten Eltern.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Deutsche Meisterschaften haben immer eine besondere Zugkraft. 1989 und 1990 haben die männliche E- bzw. D-Jugend des TV Olpe als Westdeutscher Meister zu den nationalen Titelkämpfen geschafft und die Jungs kamen mit Rang 5 bzw. 6 nach Hause. Es war einmal…und kam bis heute nicht wieder.

Die Mauer fiel und Deutschland wurde wiedervereinigt. Und das erfuhren Gertrud und Helmut Tölle, beruflich bedingt, in Fernost. „Um die Japaner kennenzulernen, spielt man Volleyball. Aber Neun gegen Neun auf normaler Spielfeldgröße. Irgendwie verrückt. Aber es war toll.“

Winter-Vierkampf

Eine ganz andere Art von Meisterschaft war die DM im Winter-Vierkampf. Eine Mannschaft in Olpe war schnell zusammengestellt. Außer Neuenrade war der TV Olpe der zweite Vertreter an der DM in Bayern. Der Mehrkampf setzte sich aus Ski alpin, Ski nordisch (Langlauf), Schwimmen (Freistil-Staffel) und Volleyball zusammen. Mehrere Jahre hintereinander nahmen die TVO-Volleyballer an diesem außergewöhnlichen Event teil. „Es war immer wieder ein Erlebnis, mit solch hochkarätigen Sportlern um die Plätze zu fighten“, ist Helmut Tölle selbst heute noch fast euphorisch.Ergänzt wurde der Winter-Vierkampf durch eine fünfte Disziplin, den Kameradschaftsabend. „Der wurde durch die schützenfesterprobten Olper entsprechend mitgeprägt. Es wurde dann schon einmal so lange mit Weizenbier auf die bayrische Blaskapelle eingeredet, bis diese bereit war, Preußens Gloria zu spielen.“

Deutsche Meisterschaften

Die Antwort auf eine Anfrage des TuS Iserlohn an Helmut Tölle und Michael Rademacher (beide Jahrgang 1958), mittlerweile in der zarten Altersklasse Ü47 angekommen, war schnell parat. „Wollt ihr mit uns zusammen an den Westdeutschen Meisterschaften teilnehmen?“ Und ob man wollte. Später kam auch noch Bernhard Halbe, der aus Olpe stammende Bürgermeister von Schmallenberg, hinzu.„Wir spielten regelmäßig um die Plätze eins bis vier mit, scheiterten aber regelmäßig an den Senioren des Bundesligisten Dürener TV.“ Und doch: drei Mal waren die Oldies aus Olpe dabei. Die beste Platzierung war Rang 4. „Dieses Jahr wäre es sicherlich wieder ein Platz unter den ersten Vier geworden, aber da schlug das Virus erbarmungslos dazwischen.“ Und dann offenbarte Helmut Tölle seinen geheimsten Wunsch: „Einmal Deutscher Meister, dann höre ich auf.“ Naja, der Oldie ist ja erst 62…