Olpe. Oussama Lajnef, Handballer des TV Olpe, gewann mit seinem Dreher gegen die DJK Bösperde die Abstimmung zum Tor des Monats.
Nein, mit Physik habe er nicht so viel zu tun, antwortete Oussama Lajnef (32) und lacht. Trotzdem gelang es dem Landesliga-Handballer des TV Olpe, mit einem Dreher physikalische Gesetze außer Kraft zu setzen. So jedenfalls kommt es dem Betrachter des Video-Clips vor.
Das Tor beim Auswärtsspiel gegen die DJK Bösperde ist eine Sternstunde des heimischen Handballs. Eine Sternsekunde, korrekter gesagt. Jenes 15:15 ist mit Riesenvorsprung bei einer Online-Abstimmung des Deutschen Handballbundes (DHB) und Liqui Moly zum Tor des Monats gewählt worden, Lajnef ließ mit seinem unglaublichen Wurf um die Ecke sogar den Nationalspieler Uwe Gensheimer hinter sich. Um der Tollheit die Krone aufzusetzen: Der Olper vollführte dieses Stück Magie mit ausgekugeltem Finger. Die Verletzung hatte er sich während der Vorbereitung zugezogen.
Ziemliche Herausforderung
Selbst mit intaktem Finger wäre die Herausforderung enorm gewesen. Es war ein Freiwurf mit der Halbzeitsirene, das heißt, dem Olper blieb nichts anderes übrig, als direkt aufs Tor zu zielen. Der Winkel war spitz, der gegnerische Block verdeckte das Tor und den Torwart. Eben alles. „Der Block war drei Meter breit, zwei Meter hoch. Ich sah überhaupt nichts vor mir,“ schilderte er seine aussichtslose Ausgangsposition.
Jetzt verraten Sie uns mal: Wie haben Sie’s denn trotzdem hinbekommen, Herr Lajnef? „Mein Kollege Bölsing fragte: Willst du einen Dreher machen? Ich sage: Okay, mache ich einen Dreher.“
Sprachs und nahm den Ball in die rechte Hand, nutzte die wenigen Sekunden, um den Wurf in Gedanken durchzuspielen. Ihm war klar, dass er dem Ball einen extremen Drall verpassen musste. „Aber ich musste ihn auch so nah wie möglich am Block vorbei werfen, damit der Torwart ihn sehr spät sieht,“ enthüllt er seinen Plan, „und ich musste zusehen, dass der Ball so nah wie möglich vor dem Tor auftitscht.“
Drei Zutaten für diesen perfekten Wurf mussten her. Und Oussama Lajnef brachte sie allesamt auf den Teller, auf das Parkett. „Physikalisch war es eigentlich klar. Aber die Ausführung? Ich hätte nicht gedacht, dass es so optimal laufen würde, dass der Ball auch noch an den Innenpfosten geht.“ Dass der Ball drin war, hat Oussama Lajnef zunächst gar nicht mitbekommen. „Ich sah den Torwart nicht, er sah mich nicht.“
In Anzug und Krawatte
Im Jahr 2017 kam Lajnef vom Drittligisten TV Leichlingen zum TV Olpe. Beruflich ist er in der Rezeption des Fünfsterne-Hotels Schloss Bensberg tätig. Er spricht fünf Sprachen und trägt Verantwortung.
Aber das bedeutet auch: Schichtdienst. Der war auch eine der Gründe für seinen Wechsel zum TVO. „In Leichlingen habe ich vier Mal die Woche trainiert und hatte die weiten Fahrten. In Olpe ist zweimal Training, und die Spiele sind später,“ sagt Lajnef.
Dankbar ist er für die „Kulanz“ seines Trainers Jo Braun und seiner Mitspieler. „Es kommt vor, da bin ich fünf Minuten vor Anpfiff da,“ lacht er, „und das noch in meinem Anzug, mit Hemd und Krawatte von der Arbeit.“ Bei Olper Auswärtsspielen, wenn man ihn nicht kennt, nehme ihm keiner ab, dass er einer der Spieler ist. Wenn er derart fein gekleidet aus dem Auto steigt, mit der Sporttasche am langen Arm. Aber das ändert sich schnell: Umziehen, kurz aufwärmen und hinein ins Handball-Vergnügen. Die Zeit ist knapp. Oussama Lajnef: „Ich hoffe immer, dass nichts los ist auf der A4.“
Zurück zum „Zaubertor“ von Bösperde. Es ist nicht so, dass Oussama Lajnef diesen Wurf tausend Mal geübt hat. „Ab und zu im Training. Klar. Das kann man nicht vergleichen mit der Situation im Spiel,“ weiß er, „selbst ohne Block und ohne Torhüter ist es schwer.“
Und erst recht, wenn sich das eine wie das andere in den Weg stellt. Für das Spiel in Bösperde galt: Wenn’s läuft, dann läuft’s. Für Oussama Lajnef lief die Partie wie gemalt. Die Manndeckung, in die er von den Bösperdern genommen wurde, ging völlig in die Binsen.
Was die 15 Tore des TVO-Spielers in jenen 60 Minuten eindrucksvoll unterstreichen.