Attendorn. . Mai 2015. Der Citylauf in Attendorn hat mittlerweile Tradition. Es ist die 23. Auflage.
Premiere aber hat: André Hoberg. Doch er läuft nicht mit. Er hat von Geburt an ein Handicap: er kann nicht laufen. Er sitzt im Rollstuhl. Auch auf den Wällen von Attendorn. Aber nicht als Zuschauer. Nein. Er will aktiv dabei sein. Inklusion ist das Gebot der Stunde. Gelebte Inklusion. Nicht von Amts wegen verordnet.
André Hoberg hat seinen Rollstuhl mit dem Hand-Bike getauscht. Die Technik liegt in den Händen seines Vaters Joachim, gelernter Automechaniker, jetzt Industriemeister im Ruhestand und Chefmechaniker des neu gegründeten „Team André“. Kein „e.V.“. Das Team ist auf Sponsoren angewiesen. André Hoberg ist natürlich nicht allein. Weder beim Start noch unterwegs. Er ist umringt, bestens geschützt von seinen „Bodyguards“ vor den hunderten Hobbyläufern, die für den Fünf-Kilometer-Lauf auf dem Asphalt rund um die Altstadt der Hansestadt gemeldet haben.
Björn Picker als Pacemaker vornweg
Vorneweg Björn Picker, Pacemaker. „Ich bin die Bulldogge“, verdeutlicht der 39-jährige Reha-Techniker, der für seinen Chef André den Weg zum Ziel frei macht. Und dieses Ziel ist eigentlich der Weg, den ihm sein Team ermöglicht. Hinter André Hoberg, quasi als Anschieber, Tom Kleine, der Mit-Initiator dieses außergewöhnlichen Bündnisses. „Das meiste macht André alleine“, so Kleine, Pressesprecher der Stadt Attendorn, „André ist topfit.“
Das Team
Aktive
André Hoberg (Kapitän), Ahmad Al Soud, Anke Reinitz, Björn
Picker, Dominik Strobel, Susanne Picker, Tom Kleine. Chefmechaniker: Joachim Hoberg.
Fans und Betreuer
Christel Hoffmann, Melanie Hoberg, Michael Wünneberg, Pascal Seidel, Thomas Becker.
Training/Treffen
Die Aktiven treffen sich im Sommer regelmäßig zum gemeinsamen Training am Biggedamm, etwa ein bis zweimal pro Woche. Dabei ist die Gemeinsamkeit noch wichtiger als die körperliche Betätigung.
Internet
www.team-andre.de
https://www.facebook.com/
teamandre1222/
Das aktuell schützende Quartett wird seitlich von Anke Reinitz, Lehrerin am St. Ursula-Gymnasium, und Susanne Picker, Verwaltungsangestellte in Olpe, gebildet. Damit sind die Aktiven der ersten Stunde genannt. Und das Team André ist jetzt in aller Munde. „Es ist einfach wichtig, ein Zeichen in Richtung Inklusion zu setzen. Viele reden davon, wir handeln“, sagt Anke Reinitz. Der Beifall, den sich André Hoberg auf jeder der gut drei Runden mehr als verdient hat, geht fast unter die Haut.
Der 34-jährige Kapitän, beschäftigt bei den Werthmann-Werkstätten, geht nicht unvorbereitet in den Citylauf. „Ich bin früher viel geschwommen“, blickt er auf seine sportlichen Aktivitäten zurück, „war bei der Versehrtensportgemeinschaft Plettenberg und hatte auch die Qualifikation für die Landesmeisterschaften im Rückenschwimmen. Als dann die Jugendgruppe nur noch drei oder vier Teilnehmer hatte, wurde sie aufgelöst.“ „André ist ein Multitalent“, rutscht es Tom Kleine heraus und ist richtig stolz auf seinen Captain, der zukünftig für Aquasport Plettenberg schwimmen wird.
TVA ist sofort Feuer und Flamme
Bevor die Teilnahme am Citylauf in trockenen Tüchern war, Anfrage beim TV Attendorn. „Und da trafen wir sofort auf offene Ohren, Andreas Ufer und Rolf Kaufmann war sofort Feuer und Flamme“, berichtet Tom Kleine, „das ist doch auch eine tolle Werbung in Sachen Inklusion für den Verein. Natürlich mussten wir Spielregeln einhalten, das war aber kein Thema.“
André Hoberg hat mittlerweile einen Mitstreiter. Dominik Strobel (26) aus Finnentrop, seit rund vier Jahren mit dem Rollator untrennbar verbunden, hat große motorische Probleme. „Bis zu diesem Zeitpunkt war alles normal“, erzählt er, bis epileptische Anfälle zur Störung der Beinmotorik führten. Dominik, ebenso wie André bei Werthmann beschäftigt, spielte vorher Fußball in der Schulmannschaft, absolvierte Lauftraining. Auf einmal war nichts mehr so, wie es zuvor war.
„In der Firma schaukeln wir uns auch gegenseitig hoch und wetten, wer beim nächsten Citylauf zuerst ins Ziel kommen wird“, erzählen sie unisono – das Leben mit der Behinderung wird hier voll angenommen. Man muss die beiden Handicap-Sportler bewundern. Auch Dominik Strobel hat bereits zwei Mal am Citylauf teilgenommen.
Teilnahme beim Lauf in Köln
Das „Team André“ ist mehr als nur der Namensgeber und Dominik Strobel. Dazu gehören auch fünf „Normalos“, wie es Tom Kleine nennt. Durch die Aufnahme von Ahmad Al Soud leistet das Team zudem Integrationsarbeit. Die Flucht 2016 führte den heute 29-jährigen Syrer aus dem Süden des Landes über Damaskus, Türkei, Griechenland und die Balkanroute direkt nach Attendorn.
Als es um seine Anerkennung als Flüchtling ging, lernte er innerhalb weniger Wochen sehr schnell Deutsch und holt sein Studium der Elektrotechnik, das er schon in Syrien absolviert hat, nach und will jetzt den Masters-Abschluss schaffen. Aber er hat es nicht nur im Kopf, sondern auch in den Beinen. „Wir nennen ihn Pfeil“, so Björn Picker, „der läuft uns allen davon.“
Zuletzt hat André Hoberg mit seinem Team beim „Run of Colours“ in Köln für Furore gesorgt. Die Teilnahme des „Team Hoberg“ war ein Novum in der zehnjährigen Geschichte dieses Lauf-Events zugunsten der AIDS-Hilfe. Mit dabei auch Ahmad Al Soud. André Hoberg hofft, mit seiner Aktion ein Zeichen für Menschen mit Handicap gesetzt zu haben. Und natürlich war die Teilnahme zugunsten der AIDS-Hilfe Köln eine Herzensangelegenheit für das Team.