Hagen/Manila. Der Hagener Christopher Viardo erzählt von der irren Basketball-Kultur des WM-Schauplatzes Manila. Dem DBB-Team traut er viel zu.

Tausende basketballverrückte Hagener blicken in dieser Woche auf einen Ort, der noch viel basketballverrückter ist als die Volmestadt: Manila, Hauptstadt der Philippinen und Schauplatz der Basketball-Weltmeisterschaft. Ort der Kontraste und Superlativen. „Basketball ist dort eine Lebenseinstellung“, sagt der Hagener Christopher Viardo (41), der seine Wurzeln auf den Philippinen hat und dort drei Jahre professionell auf Körbe warf. „Das ist wie Fußball in Brasilien.“

Von Phoenix auf die Philippinen

Als Viardo 24 Jahre alt war – im Jahr 2006 – reifte in ihm der Entschluss, seine Basketballer-Laufbahn auf den Philippinen fortzuführen. Eigentlich stand der Spielmacher in Diensten von Phoenix Hagen, aber „Itop“, wie er genannt wird, wollte es unbedingt mal wagen: Professionell spielen im Heimatland seiner Eltern, wo Basketball wie eine Religion ist. „Du findest an jeder Straßenecke einen Korb, sei es ein richtiger Basketballplatz, ein Spielzeugkorb oder ein Mülleimer, der zum Korb umfunktioniert wurde“, erzählt Viardo.

Christopher Viardo ist Trainer bei der BBA Hagen.
Christopher Viardo ist Trainer bei der BBA Hagen. © BBA Hagen

Der gebürtige Hagener war zunächst in der Entwicklungsliga PBL aktiv – so schrieb es das Regelwerk vor, weil er nicht den klassischen akademischen Weg auf den Philippinen einschlug, sondern als Profi aus dem Ausland kam. Darauf folgten zwei Jahre im Basketball-Oberhaus, der PBA - das Maß aller Dinge im Inselstaat. Mit seiner Mannschaft, den Alaska Aces, schaffte er es bis in die Finals. Die Unterschiede zum Basketball-Standort Deutschland seien krass: „Selbst beim Training hast du einen Staff bestehend aus fünf Coaches und mehreren Betreuern, dazu zwei Schiedsrichter, die die Trainingsspiele pfeifen“, erklärt Christopher Viardo.

Hochprofessionelle Liga

Das Training ist hart: drei Stunden wird Vollgas gegeben, „und das ist das reine Training. Davor machst du noch zwei Stunden Stretching und Warm-Up, du wirst massiert, getaped und so weiter. Alles in einer eigenen Trainingsstätte, die jeder Klub hat. Die PBA ist eine höchst professionelle Liga.“ Von der Spielstärke her sei das philippinische Basketball-Oberhaus vergleichbar mit der 2. Bundesliga ProA/ProB, aber Viardo betont: „Wären die Philippinos größer und stärker, dann hätte die PBA das Niveau der deutschen BBL.“

Auf den Philippinen hat fast jedes Kind den Traum, in der PBA zu spielen – aber nur die Wenigsten schaffen es. Viele Filipinos zocken für Geldprämien draußen auf Freiplätzen , wo der Asphalt heiß ist und die Verletzungsgefahr groß. „Dort geht es richtig zur Sache, versichert ist aber niemand“, weiß Viardo. „Es wird gekratzt, geschubst und gerangelt. Du kriegst dort nichts geschenkt. Wenn du zum Korb ziehst, hast du auch schon mal Spucke im Gesicht. Aber ganz ehrlich: Das Niveau dort ist richtig gut.“

Die Filipinos lieben Basketball – und feuern ihre Mannschaft bei jedem Spiel frenetisch an.
Die Filipinos lieben Basketball – und feuern ihre Mannschaft bei jedem Spiel frenetisch an. © Fiba.com

Was Stimmung und Fankultur angeht, sind die Unterschiede zwischen Deutschland und den Philippinen riesig. „Es ist einfach anders“, grübelt Viardo, der aus der Ischelandhalle eine große Fan-Euphorie gewohnt war. Aber auf den Philippinen singen und trommeln die Fans nicht – sie schreien. Das ganze Spiel über. „Das ist verdammt laut“, sagt Viardo. „In der Halle ist die Stimmung quasi zweigeteilt, auch jetzt bei der WM in Manila: Die eine Hälfte jubelt für das eine Team, die zweite Hälfte für das andere Team.“ Als PBA-Spieler ist man ein Star, wird auf der Straße sofort erkannt. Alle wollen ein Foto mit dem Basketball-Profi. Und hier? „Das einzige Mal, dass mich in Deutschland ein Fan erkannt und angesprochen hat, war bei Hellwig in Boele an der Kasse“, lacht Viardo.

Der 41-Jährige wäre liebend gern zur Basketball-WM nach Manila gereist, aber die private Situation ließ es nicht zu: das Töchterchen ist gerade mal 1 Jahr alt, die Reisestrapazen wären enorm. Mit der philippinischen Nationalmannschaft hat Christopher Viardo mitgefiebert, aber die „Gilas Pilipinas“ ist trotz des Wahnsinns-Supports ihrer Fans schon in der Vorrunde ausgeschieden. Jetzt heißt es für ihn nur noch: Daumen drücken für Deutschland. Das DBB-Team trifft diesen Freitag im Halbfinale auf die USA (14.40 Uhr) und hätte beim Finaleinzug die Silbermedaille sicher. Viardo ist überzeugt: „Die Mannschaft hat nach der guten EM noch mal einen Satz nach vorne gemacht, sie spielt konstanter und mit viel Selbstvertrauen. Alles ist möglich.“