Şanlıurfa. Der Hagener Mehmet Kurt (26) wechselt vom Drittligisten Wehen Wiesbaden zu Şanlıurfaspor in die Türkei. Als Deutscher fällt er dort auf:

Wie schnelllebig das Geschäft im Profifußball sein kann und welche überraschenden Wendungen es bereit hält, erlebte der Hagener Mehmet Kurt (26). Bis vor wenigen Tagen stand der defensive Mittelfeldspieler in den Diensten von Drittligist SV Wehen Wiesbaden. Jetzt wagte er den Schritt und wechselte in die dritte türkische Liga zu Şanlıurfaspor. Doch wieso der Wechsel in das Heimatland seiner Eltern? „Im normalen Arbeitsleben ist es schwierig, mal so ein Abenteuer einzustreuen. Der Fußball ist eine gute Möglichkeit, um ungezwungen im Ausland zu spielen“, spielte Mehmet Kurt schon länger mit dem Gedanken – und nutzte nun seine Chance.

Kurz vor der Wechselfrist Vertrag unterschrieben

Drittligist SV Wehen-Wiesbaden offenbarte ihm kurz vor der Schließung des Transferfensters, dass nicht mehr mit ihm geplant wird. „Ich war dort eigentlich zufrieden, stand dann aber vor der Entscheidung, ob ich mit einem guten Vertrag ein Jahr auf der Bank sitzen will, oder ob ich wechsel – und ich hatte nichts zu verlieren.“

Über seinen Berater kamen verschiedene Angebote, auch aus der Türkei, herein. Und die Wahl des Hageners fiel schließlich auf Şanlıurfaspor. Eine Stadt weit im Osten der Türkei, nahe der Grenze zu Syrien. Obwohl Mehmet Kurt die Sommerferien früher bei seiner Familie in der Türkei verbrachte, ist ihm seine neue Heimatstadt fremd. Hunderte Kilometer trennen Şanlıurfa von den bekannteren Städten wie Istanbul, Ankara und Antalya. Kurz vor dem Ende der Wechselfrist, die in der Türkei noch eine Woche länger läuft als in Deutschland, unterschrieb Kurt den Vertrag, packte seinen Koffer und reiste zu seinem neuen Verein.

Ambitionen sind hoch

Şanlıurfaspor spielte lange Jahre in der zweithöchsten türkischen Liga und hat für die Zukunft wieder hohe Ambitionen: Der Wiederaufstieg soll gelingen. Dafür wurden neben dem Hagener noch weitere Spieler aus dem Ausland verpflichtet. Halb-Türken sind sie aber mindestens alle, denn unterhalb der beiden höchsten Ligen dürfen nur Spieler mit einem türkischem Pass auflaufen. Auch der Hagener musste sich so kurzfristig noch um eine Arbeitserlaubnis kümmern.

Inzwischen ist er in der zwei Millionen Einwohner großen Stadt angekommen und musste sich zuerst einmal an das Wetter gewöhnen: „Es ist gefühlt immer über 40 Grad.“ Und auch sonst fühlt sich der Fußballer oft als „der Deutsche“, wie er sagt: „Ich bin mit deutschen Werten groß geworden. Und auch wenn viele sagen, ich sei ja Türke, ist es schon eine Umstellung.“ Das Umfeld sei in der Türkei zwar fast ebenso professionell wie in Deutschland, aber an anderen Stellen, etwa bei Besprechungen, merke man doch Unterschiede: „Wenn ein Treffen für 14 Uhr angesetzt ist, sitzen die anderen Deutsch-Türken und ich spätestens um 13.59 Uhr bereit – und warten dann auf den Rest. Da sind wir typisch deutsch.“

„Die Stadt ist sehr fußballverrückt“

sDoch auch wenn nicht alles in solch geregelten Bahnen wie in Deutschland abläuft, hat etwas anderes den ehemaligen Jugendspieler von Borussia Dortmund überzeugt: „Die Stadt ist sehr fußballverrückt.“ Und das zeigte sich gleich beim ersten Spiel, das er live miterlebte.

Im Derby gegen Amed SK waren aus Sicherheitsgründen keine Gästefans zugelassen. Dafür kamen 20.000 Heimfans in das Şanlıurfa GAP Stadı. „Es war toll, mal vor so einer Kulisse zu spielen“, sagt Mehmet Kurt, der ganz unverhofft zu seinem Debüt kam: In der 60. Minute wurde er überraschend eingewechselt. „Eigentlich meinte der Trainer, ich soll mich erst einmal eingewöhnen.“

Herzliche und offene Menschen

Aber aus der Eingewöhnung wurde nichts, er musste gleich ran. In seiner neuen Heimatstadt wird er schon nach den wenigen Tagen erkannt: „Es ist ganz verrückt. Die Menschen hier im Osten sind sehr herzlich und offen miteinander.“ Während sein Vater seinen Türkei-Wechsel bestärkte, fiel es seiner Mutter schwer, dass ihr Sohn nun in ihrem Heimatland sein Geld verdient.

Eine wichtige Frage wird ihm auch in seiner neuen Heimat immer wieder gestellt: Galatasaray oder Fenerbahçe Istanbul? „Das ist schlimmer als bei Schalke und Dortmund“, sagt BVB-Fan Kurt mit einem Schmunzeln. Aber ebenso wie seine Liebe für die Borussia, kann es für ihn nur eine richtige Antwort geben: „Fenerbahçe Istanbul!“