Hagen. Mit 85 Jahren steht sie immer noch vor ihren Frauen. Seit 50 Jahren leitet Ulla Pelta in der Turnhalle an der Kampfbahn ihre Frauenriege.
Als der Tag gekommen war, da standen so viele Frauen in dieser ehrwürdigen, aber vollkommen aus der Zeit gefallenen Sporthalle an der Kampfbahn in Boelerheide, dass Ulla Pelta sich erstmal sammeln musste. Mit Rosen in der Hand sangen sie für sie. Für die 85-Jährige, die hier an genau dieser Stelle seit 50 Jahren Frauen aus Boelerheide bewegt – körperlich und emotional.
Die Turnhalle an der Kampfbahn in Boelerheide hat etwas Paradoxes. Sie ist ein derart altes Schätzchen, dass man sofort für einen Film Turnunterricht aus den 60er-Jahren hier nachstellen könnte, ohne auch nur einen Handschlag in der Halle machen zu müssen. Sie wäre aber ganz sicher auch ein Gebäude, das von den Menschen des Viertels vermisst würde, wenn es plötzlich weg wäre. Weil eben viele Erinnerungen, Spaß und vor allem Bewegung daran hängen. In gewisser Weise passt diese Halle wie die Faust aufs Auge zu der Geschichte von Ulla Pelta.
45 Jahre lang im Schuhhaus
Wenn Ulla Pelta so von früher erzählt, dann wirkt das, als wären die Momente gerade mal eine Woche oder zwei her. Wie sie ihren Mann Franz (86) im Jahr 1954 auf der Kampfbahn in Boelerheide Fußballspielen sah und dachte: „Der mit den dunklen Haaren, der könnte mir gefallen.“
Wie sie 1971 bei der SG Boelerheide den Förderring gründeten, die Männer in der Halle Basketball spielten und die Frauen sich zügig der Gymnastik widmeten. Wie sie 45 Jahre im Schuhhaus Böhmer als Verkäuferin gearbeitet hat. Dabei geht es hier um Jahrzehnte, kleine Ewigkeiten, richtig weite Zeitabschnitte.
In ihren jungen Jahren war Ulla Pelta Leichtathletin beim TSV 1860 Hagen, der Dreikampf ihr Gebiet. Parade-Disziplinen: 100 Meter und die Hürdenstrecken. Weil ihre Eltern – sie hat elf Geschwister – logischerweise finanzielle Grenzen hatten, wurde sie von jemandem vom Ischeland gefördert. Als sie später aufhörte, traute man ihr angesichts dieses Hintergrundes wohl zu, Gymnastik-Stunden zu geben.
„Die haben damals einfach gesagt ,Ulla, du kannst das’“, erinnert sich Pelta zurück. Dabei war sie weder Turnerin noch hatte sie einen Übungsleiterschein. Und trotzdem stand sie 1972 in der Turnhalle an der Kampfbahn plötzlich vor 45 Frauen.
Bis zuletzt noch Ski Alpin
Gruppen wie diese werden angesichts der Entwicklungen im Fitnessbereich und dem geänderten Freizeitverhalten immer seltener. Diese hier ist da quasi der Antitrend. „Bei uns ging es auch immer um mehr als nur Gymnastik. Viele Freundschaften sind im Laufe von 50 Jahren entstanden. Manche sind auch leider schon verstorben oder wir haben alle zusammen den Verlust der Ehemänner erlebt“, sagt Ulla Pelta. Eine der Weggefährtinnen der ersten Stunde ist beispielsweise Hildegard Spielmann.
Nun ist es nicht nur außergewöhnlich, dass man 50 Jahre lang eine „Frauenriege“ leitet, wie Ulla Pelta ihre Truppe selber nennt. Eine Gnade ist es auch, das mit 85 Jahren noch tun zu können. „Das weiß ich auch, sagt Ulla Pelta, die sich neben ihrer Mittwochsrunde in Boelerheide noch in zwei anderen Sportgruppen fit hält. Ihr ganzes Leben lang habe sie immer viel für sich und ihren Körper getan. Mit ihrem Mann Franz fuhr sie bis vor einigen Jahren noch Ski Alpin. „Ich bin ganz einfach immer in Bewegung geblieben“, sagt Pelta. Bewegung ist Leben.
Erfolgsrezept kann sie gar nicht nennen
Ein inhaltliches Erfolgsrezept in ihren Übungseinheiten könne sie gar nicht nennen. Sie greife auf bekannte Lieder zurück, bringe ganz einfach den ganzen Körper in Bewegung, achte auf Disziplin, aber eben auch darauf, dass eben das Allerwichtigste nicht zu kurz komme: dass man miteinander lache.
„Ich weiß nicht, wie lange ich das noch mache“, sagt sie, die mittlerweile mit ihrem Mann in Eppenhausen lebt. „Ganz einfach so lange, wie ich Spaß habe und wie die Knochen das noch mitmachen.“