Wetter. Nach dem Untreue-Fall des Ex-Klubchefs bei der TGH Wetter war die Mitgliederversammlung emotional. So geht es beim Traditionsklub weiter:

„Sachlage Untreue“ heißt der Tagesordnungspunkt schlicht, an Position fünf folgt er auf Totengedenken und Ehrungen. Und ist doch das Thema, das für eine hoch emotionale Mitgliederversammlung der TGH Wetter sorgt. Nach dem Griff des Ex-Klubchefs in die Vereinskasse, der einen Schaden von mindestens 39.000 Euro verursacht hat (wir berichteten), ist die Tagung die erste Gelegenheit für die Mitglieder, Informationen aus erster Hand über den existenzgefährdenden Skandal beim Traditionsklub und die Lage der TGH zu erhalten. Und gehörig Luft abzulassen. Zweieinhalb Stunden tagt Wetters mit 800 Mitgliedern zweitgrößter Sportverein, am Ende ist der verbliebene Vorstand entlastet, im Amt bestätigt - und personell verstärkt. „Im Januar nächsten Jahres sind wir wieder bei Null“, hofft die neue Vorsitzende Saskia Büßing auf schnelle Erholung: „Wir bauen den Verein von neuem auf.“ Die Chronologie:

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Worum es geht, macht Stefan Wedegärtner vor dem Auftakt deutlich. „Entweder ziehen alle mit - oder wir können den Verein nach 160 Jahren einstampfen“, sagt der Vorsitzende der HSG Wetter/Grundschöttel, der die TGH bis 2019 geführt hat. Mit 15-minütiger Verspätung beginnt die Tagung angesichts des Andrangs, 74 stimmberechtigte Mitglieder wollen Erklärungen und Perspektiven. Und Vorstandsmitglied Christoph Gutgar-Büßing, der moderiert, sieht Anlass zur Aufforderung: „Bitte ausreden lassen, die Fragen nacheinander stellen. Und niemanden persönlich so angehen, dass es unter die Gürtellinie geht.“

Es bleibt weitgehend sachlich, auch beim Aufreger-Thema Untreue, das Saskia Büßing minutiös erklärt. „Wir sind vom 1. Vorsitzenden, der auch alleine die Kasse geführt hat, hintergangen worden“, sagt sie: „Wir sind Lügen aufgesessen, das tut uns leid.“ Statt mit gefälschten Kontobelegen vorgegaukeltem Guthaben von insgesamt 37.149,40 Euro habe man Anfang Dezember ein Minus von 20.149,40 Euro auf dem Giro-Konto und ein Guthaben von 8,32 Euro auf dem Sparkonto vorgefunden. Nach anfänglichem Zögern habe der Ex-Klubchef den Griff in die Kasse zugegeben, daraufhin habe man Anzeige erstattet. Und ein Schuldanerkenntnis erreicht. „Wir haben einen Titel von 39.079 Euro, das ist aber nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Saskia Büßing, „es ploppen immer mehr Dinge hoch, vieles ist nicht bezahlt worden.“ Der Sportbetrieb aber, das versichert sie, sei gesichert. Der Kontostand aktuell betrage minus 6695,80 Euro, so weit habe man das Defizit durch Mitgliedsbeiträge, Vermietung des Vereinsheims und Fördergelder bereits reduzieren können: „Wir kommen durch das Jahr.“

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Jeder habe Ex-Klubchef vertraut

Reichlich Beifall folgt, ebenso aber auch viele kritische Nachfragen. Warum es keine Unterkonten der Abteilungen gebe, ob die Gemeinnützigkeit gefährdet sei, ob man überhaupt Mitgliedsbeiträge in dieser Lage hätte einziehen dürfen, ob man die Kreditinstitute in Mithaftung genommen habe. Und warum Vorsitz und Kassenführung in einer Hand gelegen hätten. „Ich habe kein Verständnis, dass von vier Vorstandsmitgliedern drei keine Ahnung haben“, bringt es Heinz Krause vom Ältestenrat auf den Punkt. Vorher habe jeder dem bisherigen Vorsitzenden vertraut, betont darauf Gutgar-Büßing: „Die Dokumente waren so gut gefälscht, das haben auch Sparkassen-Mitarbeiter nicht erkannt.“ Und Kassenprüfer Clemens Asbeck erklärt: „Es gibt Grenzen, bis zu denen der Kassierer alles machen kann, die wurden nicht überschritten. So machen viele kleine Beträge zusammen einen großen.“

Keine Geschenke für Jubilare

Nachdem die Kassenprüfer dem verbliebenen Vorstands-Trio attestieren, die Buchführung einsichtig aufgeklärt zu haben, werden Saskia Büßing, Christoph Gutgar-Büßing und Sabine Schnarr - mit Gegenstimmen - entlastet, der bisherige Klubchef dagegen nicht. „Wir brauchen Unterstützung“, wirbt Saskia Büßing vor den Neuwahlen, bei denen sie zur 1. Vorsitzenden gekürt wird. Auch Christoph Gutgar-Büßing und Sabine Schnarr werden im Amt bestätigt, verstärkt durch die bisherige Kassenprüferin Dagmar Lehmkühler und Andrea Wedegärtner. Nach 90 Minuten hat die TGH einen neuen Vorstand.

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Aber auch ein Loch in der Kasse, zumal man vom Ex-Klubchef trotz Titel und Pfändung keine Rückzahlungen erwartet. Knapp 52.000 Euro an jährlichen Kosten listet Sabine Schnarr auf: „Die müssen erwirtschaftet werden, um den Verein am Laufen zu halten.“ Auch deshalb empfiehlt eine Versammlungs-Mehrheit, die bisher üblichen Vier-Euro-Geschenke - meist ein Topfblümchen - bei der Gratulation von Jubilaren ab 65 vorerst zu streichen.