Wetter. Wie ist das, wenn man weder die Schiri-Pfiffe noch die Kommandos der Mitspieler hören kann? Ulrich Golberg vom TuS Esborn kann es berichten:
Man sieht, wie der Schiedsrichter in seine Pfeife bläst, aber man kann den Pfiff nicht hören. Der Mitspieler reist den Mund auf, aus dem jedoch kein Ton kommt – für Ulrich Golberg sind das alles ganz normale Situationen. Weil er seit seiner Geburt gehörlos ist, kann er sich auf dem Fußballplatz nicht auf seine Ohren verlassen, sondern muss seinen anderen Sinnen vertrauen. Und damit, wie er seine Behinderung kompensiert, hat er bei seinem neuen Verein TuS Esborn aus der Fußball-Kreisliga A2 schon einige Leute ins Staunen versetzt.
So auch in seinem ersten Spiel vor knapp zwei Wochen, als er das erste Mal in der Startelf stand. Er machte bei seinem Debüt seinen Job so gut, dass der Trainer ihn gar nicht auswechseln wollte. Sein einziges Manko: Der Stürmer blieb beim 0:7 gegen den FC Gevelsberg-Vogelsang ohne Torerfolg. Dass er bald aber auch zum Torjubel abdrehen wird, da sind sich alle sicher. „Er ist nämlich ein hervorragender Fußballer“, ist TuS-Trainer Jürgen Lappe von ihm überzeugt.
Ulrich Golberg muss sich auf dem Platz auf seine Augen verlassen. Kommandos von seinen Mitspielern kann er auf dem Feld nicht wahrnehmen, weil er seine Hörhilfe nicht tragen kann. Er ist dann komplett taub. Wenn er also nach einem Steilpass in die Tiefe startet, achtet er nicht auf den Pfiff des Unparteiischen. „Sondern ich habe gesehen, dass alle auf dem Feld stehengeblieben sind. Daher wusste ich, dass es Abseits war“, erzählt er.
Aber nicht nur die offensichtlichen Dinge fallen ihm während eines Spiels auf. Sondern auch alles, was seine Kollegen normalerweise hören, nimmt er auf andere Weise wahr. „Ich muss immer schauen, was um mich herum passiert“, sagt er. Und so sieht der neutrale Zuschauer einen Angreifer, der sich mit vielen Kopfbewegungen immer einen guten Überblick verschafft – eine Fähigkeit, bei der viele Kreisliga-Kicker eigentlich immer ihre Probleme haben.
Keine unnötigen Ballverluste
Vor allem versucht Ulrich Golberg dann immer wieder zu verstehen, was seine Mitspieler auf dem Platz vorhaben. Dabei achtet er besonders auf das Verhalten seiner Teamkollegen. „Ich schaue immer auf die Körpersprache von meinen Kameraden. Ich kann dann erkennen, ob sie einen Doppelpass spielen wollen oder ob sie einen Ball in den Lauf haben möchten“, berichtet er, wie er mit seinem fehlenden Hörsinn auf dem Platz umgeht.
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Dieses Zusammenspiel mit den Fußballern vom TuS Esborn klappt dabei ohne große Probleme – und das, obwohl er erst seit kurzer Zeit bei dem Abstiegskandidaten vom Böllberg unterwegs ist. Das merkt man auch, wenn man dem Trainer aufmerksam zuhört. Aus Lappe bricht das Lob über seinen neuen Schützling geradewegs heraus, wenn er auf ihn angesprochen wird. „Er hatte noch keinen unnötigen Ballverlust. Er sieht immer alles um sich herum. Auch die Verständigung auf dem Platz klappt hervorragend“, schwärmt er über den Neuzugang, der bald für mehr Offensivgefahr sorgen soll.
Dass Golberg bei dem Wetteraner Verein gelandet ist, kam dabei sehr plötzlich. Denn eigentlich hatte er zuvor eine Pause vom Fußball eingelegt. Doch auf seiner Arbeitsstelle sprach er mit einem Kollegen über das gemeinsame Hobby. „Er hat mich dann irgendwann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, bei Esborn zu spielen“, erinnert sich der Angreifer an das Gespräch zurück. Seitdem hat er sich beim TuS prächtig eingelebt. „Alles läuft hier sehr gut und ich wurde gut aufgenommen. Ich habe großen Spaß hier“, ist er von dem Verein aus Wetter angetan.
Mit Esborn Spiele gewinnen
Mit diesem wird er in den kommenden Wochen um den Klassenerhalt in der höchsten Kreisliga kämpfen müssen. Denn Esborn ist abgeschlagener Tabellenletzter – mit sieben Zählern Rückstand zu dem rettenden Ufer. Das soll nicht so bleiben. „Ich möchte hier meinen Teil dazu beitragen, dass wir in den kommenden Wochen wieder mehr Spiele gewinnen“, sagt Ulrich Golberg.