Herdecke. Vier Extremläufe durch die Wüsten der Welt in einem Jahr. Wie der Herdecker Michele Ufer es in den exklusiven „4 Deserts Club“ schaffen will:

Dieser Club ist sehr exklusiv, weltweit gehören ihm weniger als 300 Mitglieder an. Michele Ufer möchte am Ende dieses Jahres zu eben diesem „4 Deserts Club“ gehören, als erst vierter Deutscher. Um das zu schaffen, muss der Extremsportler und Sportpsychologe aus Herdecke den Grand Slam des Ultra-Ausdauersports bewältigen: Vier Extremläufe über je 250 Kilometer auf vier Kontinenten, in der Wüste Namib, im Kaukasus, in der Atacama-Wüste und in der Antarktis. Und das innerhalb von sieben Monaten, zwischen dem 1. Mai und Ende November. „Das ist natürlich sehr herausfordernd“, freut sich Ufer auf eine Grenzerfahrung: „Aber zu meinem 50. Geburtstag ist das auch das geniale Geschenk an mich selbst.“

Bis vor elf Jahren waren Extremläufe für Michele Ufer, den ehemaligen Fußballspieler, „jenseits der Vorstellungskraft“. Bis der Herdecker sich mit den Rennen weit jenseits der Marathondistanz in den unwirtlichsten Weltgegenden beschäftigte und 2011 beim Atacama-Crossing in Chile - „in der trockensten Wüste der Welt“ - erstmals startete. „Es war mein Einstieg in die Laufszene“, sagt er, „vorher bin ich nicht mehr als zehn Kilometer am Stück gelaufen.“ Es folgten 15 Ultra-Marathons auf fünf Kontinenten, am Mount Everest ebenso wie im Dschungel Perus oder auf den Fidschi-Inseln, in der Kalahari-Wüste wie beim Ice Ultra in Nordschweden oder beim Trans Ural Race. Bis zum Beginn der Pandemie. „Danach war es im Prinzip zwei Jahre zappenduster mit Veranstaltungen“, bedauert er, „ich brauchte wieder ein großes, attraktives Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Das war auch psychologisch für mich wichtig, wenn vorher alles wegbricht.“

Georgien als Ersatz für Gobi-March

Über Stock und Stein: In der Atacama-Wüste startet Michele Ufer schon 2011
Über Stock und Stein: In der Atacama-Wüste startet Michele Ufer schon 2011 © RacingThePlanet | RacingThePlanet

Und dieses Ziel, die „4 Deserts Ultramarathon Series“, ist gewaltig. Vier sechstägige Etappen-Läufe über insgesamt 1000 Kilometer im unwegsamen Gelände, bei denen sich die Teilnehmer selbst versorgen müssen und nur einen Platz in einem Zelt und Wasser gestellt bekommen. „Mein erster Lauf in der Atacama-Wüste war der Ursprung dieser Serie“, sagt Michele Ufer, „warum also nicht jetzt die ganze Serie?“ Im Dezember hat er sich final angemeldet für die Serie, die mit dem „Namib Race“ in Namibia am 1. Mai startet. „Drei Tage später ging das los mit der Omikron-Variante in Südafrika, das war ein Schlag in den Nacken“, denkt der Herdecker zurück.

Relativ schnell zeigte sich aber, dass die Läufe dennoch - Stand heute - stattfinden können. Mit einer Einschränkung: Der eigentlich zur Serie gehörende „Gobi March“ in der Mongolei fällt auch 2022 aus, weil das Land noch immer für Touristen dicht ist, stattdessen geht es ab dem 19. Juni nach Georgien in den Kaukasus. Es folgt das Ufer schon bekannte „Atacama Crossing“ ab 25. September, ehe „The Last Desert“ in der Antarktis ab dem 22. November zum Abschluss das „absolute Highlight“ wird.

Alles zum Überleben auf dem Rücken

Schon die jeweils in sechs Tagen zu laufenden 250 Kilometer sind eine große Herausforderung, die Umstände sind es noch mehr. „Alles, was man in sechs Tagen Wüste zum Überleben braucht, nimmt man mit“, weiß Ufer; im etwa zehn Kilogramm schweren Rucksack müssen Schlafsack, Isomatte, Trocken-Nahrung und Erste-Hilfe-Ausstattung Platz finden. Zudem ist die Streckenführung auch nur ungefähr bekannt, kann sich durch Erdlawinen oder Bach-Überschwemmungen auch jederzeit ändern („Alle paar hundert Meter stecken kleine Fähnchen, da muss man genau aufpassen“), die Temperaturen schwanken zwischen 40 Grad am Tag und jenseits des Gefrierpunkts nachts. „Das alles macht es aber auch so komplex und spannend“, sagt Ufer: „Ein Straßen-Marathon ist sicher auch nicht einfach, im Vergleich dazu aber ein All-Inclusive-Lauf.“

Bei vier Ultraläufen in so kurzer Zeitspanne ist es darüber hinaus nicht möglich, sich zwischendurch vollständig zu erholen. Mit vernünftiger Ernährung, Tiefen-Entspannung („Körper und Kopf müssen komplett runtergefahren werden“) und vielen Dehnübungen versucht der Herdecker, sich bestmöglich zu erholen. Zur Vorbereitung auf die Extremläufe trainiert Ufer dreimal pro Woche laufend, darunter am Wochenende eine lange Strecke über vier Stunden „durch die heimischen Hügel mit sukzessive mehr Gepäck“. Hinzu kommen Kraftübungen und Einheiten auf dem Indoor-Bike. Essenziell sei aber auch eine andere Vorbereitung: „Der Kopf spielt bei solchen Belastungen eine ganz wichtige Rolle.“

Erfahrungen im Alltag nutzen

Seine Erfahrungen bei den vier Ultra-Rennen will der Sportpsychologe bei seiner Arbeit, bei der er Sportler wie Manager oder Profimusiker coacht, nutzen. „Was ich ihnen über Ausdauer und mentale Strategien erzähle, ist authentisch und kann in andere Kontexte übertragen werden“, sagt er, „das, was ich erlebe, kann für andere nutzbar gemacht werden.“ Was gerade in Pandemie-Zeiten gelte. „Die Bewältigung der Corona-Zeit ist ein Marathon, heißt es oft“, sagt er, „das stimmt nicht, es ist ein Ultramarathon.“

Zu seinem ersten Ultralauf seit drei Jahren startet Michele Ufer Ende April Richtung Namibia, um sich an das Klima zu gewöhnen. Dabei helfen kann sein am Mittwoch gestarteter Trip nach Fuerteventura. „Um den Kopf frei zu bekommen“, sagt er, „und es ist ein ideales Trainingslager.“ Und den 50. Geburtstag kann der Herdecker auf der Kanaren-Insel auch feiern. . .