Hagen. Radrennfahrer Tobias Müller holt sich den deutschen Meistertitel. Der Hagener ist auf der Straße und auf der Bahn erfolgreich. Er investiert viel

Er reckt den Arm siegessicher in die Luft und lässt sein Rad ausrollen während seine Familie begeistert jubelt. Bis fast 65 km/h schnell jagen die Bahnradfahrer über die Radrennbahn in Köln, doch jetzt geht es nur noch darum, das Gefährt zum Stehen zu bekommen und die Gratulanten zu empfangen. Denn Tobias Müller hat es geschafft. Im Punktefahren sicherte sich der 17-jährige Bahnradfahrer den Deutschen Meistertitel, mit Silber in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung, und Zweiermannschaftsfahren sowie einem achten Platz in der 3000-Meter-Einerverfolgung krönte der Hagener seinen Start bei den Deutschen Bahn-Meisterschaften.

Eigentlich fährt der Schüler Straßenrennen. Doch die beiden Disziplinen vermischen sich, zumindest in der Jugend, noch häufig. „Es ist wie eine Zusatzausbildung, welche die Fahrer bekommen“, erklärt Tobias Müller. Für die Rennen auf der Bahn, die deutlich schneller sind, müsse auch das Auge geschult werden, um die engen Lücken zu erkennen, ebenso die Radbeherrschung. Denn die Bahnräder verfügen über keine Bremse und keinen Freilauf.

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Früh durchgesetzt

Beim Punktefahren kam dem Schüler nach eigenen Angaben zugute, dass er sich schon früher immer durchsetzen musste in Rennen. „Ich bin viel mit Auge gefahren und habe die Lücken gesehen. Und es macht mir einfach Spaß.“

Doch was macht die Rad-Disziplin für den Hagener Schüler so interessant? „Es ist schon eine ganz andere Atmosphäre als auf der Straße“, zudem sei es ein besonderer Kick, auf dem 250 Meter langen Holz-Oval zu fahren.

Nur zwei Bahnen gibt es im näheren Umfeld, auf denen Tobias Müller trainieren kann: einmal in Köln-Müngersdorf, einmal in Kaarst-Büttgen. Einmal in der Woche trainiert er dort, „vor Meisterschaften auch öfters.“ Das restliche Training findet auf der Straße statt. Und erfordert vor allem viel Selbstdisziplin: „Es geht viel über den persönlichen Einsatz. Bei einem Mannschaftssport ziehen die Mitspieler einen mit, wenn man mal keine Lust hat. Aber beim Radsport muss der innere Schweinehund selbst überwunden werden“, berichtet der ehrgeizige Radrennfahrer.

Vier Stunden auf dem Rad

Nach der Schule kann es dann schon mal sein, dass sich der 17-Jährige für vier Stunden auf sein Rad schwingen muss und eine Strecke bis zum Möhnesee und zurück hinlegt. Hinzu kommen Krafttraining und die Rennen. Tobias Müller ist in der Rad-Bundesliga aktiv, die Saison geht von April bis Oktober. Dass sein Hobby zeitintensiv ist, ist auch dem Schüler der Hildegardis-Schule bewusst: „Gerade vor Rennen bleibt da wenig Zeit für andere Dinge.“ Unterstützt wird es zusätzlich noch von einem persönlichen Trainer, mit dem er jeden Tag kommuniziert und sein Training abstimmt.

Und die Bemühungen scheinen sich auszuzahlen: Noch gehört der Hagener zwar nicht zu den Kaderathleten der Nationalmannschaft, doch mit seinen zuletzt tollen Leistungen sowohl auf der Bahn als auch in der Bundesliga, wurde der Nationaltrainer auf ihn aufmerksam. Anfang August bekommt Müller nun erstmals die Chance sich als Teil der Nationalmannschaft zu beweisen. „Das bedeutet für mich einen riesen Schritt nach vorne und ich freue mich, dass die Bundestrainer meine Leistung anerkennen“, freut sich Tobias Müller auf das Etappenrennen in Belgien.

Mit hoher Geschwindigkeit in die Kurve. Für Tobias Müller (vorn) ist das Rennen ein Kick.
Mit hoher Geschwindigkeit in die Kurve. Für Tobias Müller (vorn) ist das Rennen ein Kick. © WP | Radsportverband NRW

Ob es ihn künftig eher auf die Bahn oder die Straße zieht, hält der Schüler sich noch offen: „In den nächsten zwei Jahren möchte ich erst einmal weiter zweigleisig fahren. Aber je älter ich werde, desto professioneller werden beide Disziplinen, da muss dann eine Entscheidung her.“

Eine Radsportfamilie

Dass sich Tobias Müller nicht für Fußball oder andere Mannschaftssportarten interessiert, sondern seine Freizeit auf dem Rad verbringt, wurde ihm quasi mitgegeben. „Wir sind eine Radsportfamilie“, sagt er nicht ohne Stolz. Sowohl seine Mutter, als auch sein Vater waren im Rennradsport unterwegs. Viola Müller (geb. Paulitz) nahm 1988 in Seoul sowie 1992 in Barcelona an den Olympischen Spielen teil. Dreimal wurde sie Deutsche Straßen-Meisterin (1989, 1992 und 1996) und gewann zudem 1988 den Titel im Punktefahren auf der Bahn.

Vater Ulrich Müller war nicht als Profi aktiv, sondern auf hohem Niveau im Amateurbereich. „Heute wäre das vermutlich mit dem Niveau eines Profis zu vergleichen“, sagt der Hagener und ergänzt: „Wir leben den Radsport .“ Und das auch beruflich. Mit rad-net.de betreibt die Familie mit ihrem Unternehmen ein Radsport-Internetportal, welches auch als amtliches Organ des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) fungiert. Ebenso leiten sie mit dem RSV rad-net einen Verein für den auch Sohn Tobias startet. Bei den Bundesligarennen tritt er für die Landesverbandsmannschaft Rose-Team NRW an. Wo seine Reise nun hingeht, möchte er schauen: „Ich möchte gerne in den Nationalkader, da bin ich ja jetzt schon mal auf einem guten Weg“, so der Sportler, der in dieser Saison sogar noch dem jüngeren Jahrgang der U19-Altersklasse angehört. Nach seiner schulischen Laufbahn will er den Fokus künftig auf den Radsport legen: „Mein Ziel ist es, mich mit guten Leistungen möglichst einem Profiteam zu empfehlen und somit dann auch mit meinem Sport Geld zu verdienen.“