Hagen. Die Smartphone-App Sight Running NRW führt auch in Hagen auf ganz neue (Lauf)Routen - ein Selbstversuch.
Die Idee klingt überzeugend. Laufen und dabei die eigene Stadt besser kennenlernen. Mit diesem Konzept wirbt die Smartphone-App Sight Running NRW. Und ein kleiner Hinweis vorab: Ich kann Ihnen nun sagen, was die Heilig-Geist-Kirche mit der Moschee in Köln-Ehrenfeld zu tun hat und wieso das Theater Hagen bei seiner Eröffnung für Aufregung sorgte. Auf zwölf Kilometern wird durch Teile der Hagener Geschichte geführt.
Technik-Streik
Was ich Ihnen allerdings auch sagen kann: Technik ist hinterlistig. Für den Test der Strecke war alles parat: Laufkleidung, eine Armhalterung für das Telefon, Kopfhörer und ein laufbegeisterter Vater als Begleitung. Wie vom Hersteller empfohlen, wurde die Route im Vorfeld herunter geladen – passt alles. Am Startpunkt angekommen, versagte allerdings die liebe Technik auf allen Geräten. Die App schloss sich, sobald man loslegen wollte. Drei Anrufe beim Vertreiber später ist klar, was wir schon vorher wussten: geht nicht. Also das Ganze um eine Woche nach hinten geschoben.
An dieser Stelle muss man allerdings wirklich den Service loben. Anrufe, E-Mail-Verkehr und ein paar Tage später die Beteuerung: jetzt geht’s. Auf ein Neues. Also noch einmal in gleicher Besetzung los. Und tatsächlich angekommen am Startpunkt Hagener Hauptbahnhof empfängt uns über die Kopfhörer auch der Audioguide. Und während wir uns noch fragen, ob der Hauptbahnhof wirklich das Aushängeschild ist, welches man zuerst von Hagen sehen möchte, geht es auch schon los.
Orientierungsprobleme
Am Hauptbahnhof und in der Innenstadt herrscht Maskenpflicht. Allerdings steht bei diesem Lauf auch nicht die Zeit oder Geschwindigkeit im Fokus. Mit der Monotonie eines Auto-Navis wird man vom Hauptbahnhof Richtung Theater geführt. Während man hört, welchen Skandal die heute noch erhaltenen nackten Frauenfiguren über dem Eingang des Theaters auslösten, geht es schon weiter in Richtung Osthaus- und Emil-Schumacher-Museum.
Über den Marktplatz weiter zur Stadthalle und das Wasserlose Tal hinauf. Doch hier zeigen sich die ersten Tücken in der Navigation. Eigentlich muss das Smartphone durchgehend in der Hand gehalten werden, um die Orientierung nicht zu verlieren. Denn zum Teil sind die Angaben versetzt. Angekommen bei der Arbeitersiedlung Walddorf folgt das nächste Orientierungsproblem. Während man zuvor vor allem entlang der Hauptstraßen geleitet wird, heißt „die nächste links“ auf einmal, dass man die unscheinbaren Stufen am Wegesrand erklimmen soll. Also einmal die Kehrtwende und wieder zurück. Durch Schleichwege geht es nun weiter. Doch die nächste Hauptstraße ist nicht weit, plötzlich stehen wir wieder an der Rembergstraße. Der nächste und nicht letzte Berg auf dieser Route. „Wo es rauf geht, geht es ja auch wieder runter“, lautet die Bemerkung meines Vaters dazu. Ich zweifele daran.
Abwege
Über die Gartenstadt Hohenhagen und den Hohenhof geht es über Emst weiter zur Heilig-Geist-Kirche. Nur zweimal kommen wir vom richtigen Weg ab, die Quote bessert sich. Doch dann wird es schwierig. „Ein kurzes Stück durch das Naturschutzgebiet Hardt“, soll es gehen.
Leider wird daraus ein Hindernislauf über Baumstämme und nach einiger Zeit die Erkenntnis, dass wir uns wohl auf dem falschen Weg befinden. Umdrehen ist allerdings keine Option, das haben wir schon zu oft gemacht. Also immer weiter hinein. Ein Blick auf das Smartphone zeigt: die Stadthalle ist in der Nähe. Was uns jedoch noch von eben dieser trennt, ist ein steiniger, unwegsamer Abhang. Und so hangeln wir uns unsicheren Tritts hinunter. Aber nach nur einem Ausrutscher meinerseits sind wir auch schon an der Stadthalle. Weiter geht es, das Ende kommt näher.
Kennen Sie die Böhmerstraße? Eine tolle Straße, wirklich. Aber nicht, nachdem Sie sich durch einen Waldweg gekämpft haben, einen Abhang hinabgestiegen sind, sich mehrmals verlaufen haben und einfach nur dem Ende entgegensehnen. Dann hat die Böhmerstraße, beziehungsweise deren Steigung, nichts Tolles mehr. Während der 30 Jahre ältere Vater scheinbar mühelos den Berg hinauf strackst und nur sagt: „Na ja, den Berg hätten sie vielleicht nicht unbedingt ans Ende packen müssen. Für ungeübte Läufer ist das schon eine Herausforderung.“
Ob das eine Spitze gegen mich war? Ich kann es Ihnen nicht sagen, da ich zu diesem Zeitpunkt andere Sorgen hatte. Nachdem man irgendwann im Stadtgarten angekommen ist, geht es auch schon genauso schnell wieder hinunter. Am Krankenhaus hinab, zurück zum Hauptbahnhof. „Ihre Route endet hier.“
Fazit
16 Kilometer waren es am Ende anstatt zwölf. Und ein Abenteuer war die Tour auf jeden Fall. Im Großen und Ganzen lässt sich sagen: Die App ist noch verbesserungswürdig. Die Wege sind trotz Heimvorteils zum Teil zu versteckt, der Wechsel von Hauptstraße auf Waldweg manchmal noch zu abrupt. Auch ist sich die Navigation manchmal selbst nicht ganz sicher, wo es eigentlich hin gehen soll. Während auf dem Display „links abbiegen“ steht, schickt der Audio-Guide den Läufer nach rechts.
Die Grundidee ist allerdings eine schöne. Selbst als gebürtige Hagenerin habe ich noch einiges Neues dazu lernen können. Wenn Sie also genügend Zeit mitbringen und am besten auch die Schleichwege von Emst und Eilpe kennen, machen Sie sich doch auch einmal auf den Weg. Und denken Sie immer daran: Wo es bergauf geht, geht es auch irgendwann bergab. Hoffentlich.