Hagen. Phoenix Hagen startet am Samstag in die Saison. Im Interview erklären die Verantwortlichen, wo der ProA-Klub wirtschaftlich und sportlich steht.

Die Playoffs sind das Ziel, das bekräftigen die Verantwortlichen von Basketball-Zweitligist Phoenix Hagen auch vor dieser Saison. Aber das Erreichen der Endrunde um die Meisterschaft wird schwieriger als je zuvor, denn die Spielzeit steht wegen der Coronakrise auf wackeligen Füßen. Vor dem Punktspielstart bei den Bayer Giants Leverkusen (Samstag, 19.30 Uhr) sprechen Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel, Vereinsvorsitzender Wolfgang Röspel und Cheftrainer Chris Harris über zähe Verhandlungen, mentale Herausforderungen und eine Mannschaft mit viel Potenzial.

Wie geht es Phoenix Hagen wenige Tage vor dem Saisonstart wirtschaftlich?
Wolfgang Röspel:
Wir können am Ende des Monats die Gehälter zahlen, aber die Coronakrise trifft uns natürlich schwer, weil 40 Prozent unserer Einnahmen aus dem Ticketverkauf kommen. Wir mussten nach dem Saisonabbruch Kurzarbeit anordnen und haben bei der KfW-Bank ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro bewilligt bekommen. Außerdem benötigen wir die staatlichen Coronahilfen für den Profisport wegen versäumter Ticketverkäufe. Pro „Geisterspiel“ macht das bei uns zwischen 20.000 und 25.000 Euro aus. Die erste Tranche umfasst den April dieses Jahres, aber das betraf nur ein Spiel von uns, und die zweite Tranche geht von September bis Dezember. Wir leben derzeit von der Hand in den Mund. Aber wir sind sehr froh, dass uns unsere Sponsoren nicht im Stich lassen.
Patrick Seidel:
Uns sind drei Heimspiele weggebrochen, und manche Fans wollten ihre Ticketausgaben erstattet bekommen. Manche Sponsoren haben ebenfalls anteilmäßig eine Rückerstattung gefordert, was ich aber nicht als moralisch verwerflich darstellen will. Somit ist uns im abgelaufenen Wirtschaftsjahr, das bis Ende Juni ging, ein Schaden von 125.000 Euro entstanden. Die Anträge auf Coronahilfe ziehen sich leider sehr hin, und ich verstehe nicht, wieso wir für die ausgefallenen Spiele im März nichts bekommen können. Das alles ist, nachdem wir uns in den letzten drei Jahren viel aufgebaut haben, ein herber Schlag.

Wie schwierig waren die Verhandlungen mit Sponsoren?
Seidel:
Insbesondere von April bis Juni war es schwierig, weil viele Unternehmen erstmal schauen mussten, wo sie selbst stehen. Was die Vertragsgestaltungen angeht, brauchen beide Parteien ein Höchstmaß an Geduld und Flexibilität. So kommt es zum Beispiel, dass ein Sponsor seinen Geldbetrag nicht in zwei, sondern in acht Raten zahlt. Manche Unternehmer müssen sich strecken, und werfen teilweise Geld aus der privaten Kasse rein. Das Engagement unser Sponsoren ist beachtlich.

Zur Professionalisierung der Vereinsstrukturen sollte auch der Bau einer eigenen Trainingsstätte am Höing gehören. Liegt das Projekt auf Eis?

Phoenix-Vereinschef Wolfgang Röspel.
Phoenix-Vereinschef Wolfgang Röspel. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann


Röspel:
Wir wurden auf Eis gelegt. Wir haben Ende 2019 bei der Stadt eine Voranfrage gestellt, und seitdem ziehen sich die Rückfragen, die bei mir auf wenig Verständnis stoßen. Die Halle ist ja für das Training da, aber am Wochenende finden dort Jugendspiele statt, zu denen Eltern und eine Handvoll Zuschauer gehen. Und das war das große Problem für das Bauordnungsamt. Jetzt musste der zuständige Architekt noch mal mit jedem einzelnen Nachbarn sprechen. Mittlerweile fehlt noch eine Unterschrift. Auf der anderen Seite ist die Finanzierung durch Sponsoren wegen Corona gerade schwierig.

Fühlt sich Phoenix Hagen generell von der Politik im Stich gelassen?
Röspel:
Die Wertschätzung fehlt, ja. Wir wollten einen runden Tisch mit Eintracht Hagen und der Stadt machen, um Hygienekonzepte zu planen, aber darauf gab es seitens der Stadt keine Antwort. Dann haben wir angeregt, die Hallennutzungsgebühren für alle Vereine auszusetzen. Darauf gab es ein ellenlanges Schreiben vom Kämmerer, warum das nicht geht. Dann haben wir angeregt, dass man uns nicht immer sagen soll, was nicht geht, sondern auch mal was geht. Phoenix Hagen spielt in der zweiten Liga, bildet Nationalspieler aus, ist wichtiger Sozialfaktor für Kinder, aber trotzdem tut sich die Stadtverwaltung schwer, uns unter die Arme zu greifen.
Seidel:
Mir fehlen, seitdem ich hier in Hagen bin, ein Stück weit die Dynamik und die Bereitwilligkeit, uns Wege aufzuzeigen. Man kann es sicherlich nicht eins zu eins mit Hagen vergleichen, weil wir hier in einem großen Ballungsraum sind, aber die Profiabteilung der Rostock Seawolves wird jetzt mit 500.000 Euro vom Land unterstützt, und die Jugendabteilung des Vereins mit 167.000 Euro. Wir sind in vier Jahren aus eigener Kraft von null auf 1,6 Millionen Euro Etat gekommen, aber wir merken auch, wir bräuchten 300.000 bis 400.000 Euro mehr, um in der Liga oben anzugreifen.


Am 24. Oktober steht das erste Heimspiel an, und die aktuellen Entwicklungen machen wenig Hoffnungen auf eine Halle mit vielen Zuschauern.
Seidel: Ich gehe aktuell von einem Spiel ohne Zuschauer aus. Die Sieben-Tages-Inzidenz muss ja unter den Wert von 35, damit wir wie geplant vor 944 Fans spielen könnten, und ich glaube eher, dass sich die hohen Infektionszahlen erstmal stabilisieren. Bei Geisterspielen haben wir wenigstens die Aussicht auf staatliche Kompensation. Emotional sind Spiele ohne Fans für uns natürlich eine Katastrophe.

Wie belastend ist die Coronakrise für Verantwortliche und Spieler von Phoenix Hagen mental?
Chris Harris: Es ist eine Perspektivsache. Wir versuchen, eine gewisse Leichtigkeit und eine gewisse Dankbarkeit an den Tag zu legen. Klar ist es belastend, aber wir konzentrieren uns auf das, was wir kontrollieren können und versuchen adaptiv zu sein.
Seidel:
Die mentale Belastung steht dem Team erst noch bevor, wenn Ligaspiele abgesagt werden müssen. Ich glaube, dass wir nicht wie letzte Saison sieben, acht Spiele mit einem Wurf verlieren dürfen (lacht).

Sie haben betont, dass das neue Team mindestens so gut ist wie das der Vorsaison, obwohl das Budget um rund ein Drittel gesunken ist. Wie haben Sie das denn geschafft?
Harris: Man darf den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich glaube, wir haben ein gutes, konkurrenzfähiges Team auf die Beine gestellt. In diesem Sommer waren viele Spieler froh, nach Deutschland kommen zu können, weil Deutschland ein sicheres Land mit einem intakten Gesundheitssystem ist. Letztes Jahr hätte so mancher Amerikaner sicher mehr Geld genommen, das hat uns jetzt in die Karten gespielt.


An welchem Punkt befindet sich das Team jetzt?
Harris: Es ist ein Prozess, man darf ja nicht vergessen, dass die halbe Mannschaft ausgetauscht wurde. Viele Gewohnheiten müssen sich noch einspielen, weshalb wir auf viele Teambuildingmaßnahmen gesetzt haben. Wir machen Fortschritte, niemand hat sich verletzt, obwohl die Pause so lang war, und wir mussten niemanden nach Hause schicken. Das alles stimmt mich zuversichtlich.

Auch interessant


Seidel: Ich sehe die Mannschaft in dieser Saison als ausgeglichener an. Wir hatten letztes Jahr mehr Aufs und Abs. Michael Gilmore war noch ein sehr roher Spieler, und Daniel Zdravevski, der auf seiner Position spielt, ist jetzt deutlich weiter als er es war. Die ersten neun Spieler unserer Rotation sind sehr ProA-tauglich. Von den vier US-Amerikanern, die wir geholt haben, haben drei bereits Erfahrung in Europa. Und der Rookie, Jermaine Bishop, hat enorm viel Potenzial.


Welches Ziel setzen Sie sich?
Harris: Das Ziel ist nicht anders als im letzten Jahr. Wir sehen uns als Playoff-Kandidaten.
Röspel: Die Stadt Hagen hat im nächsten Jahr 275-jähriges Jubiläum, und es wäre doch schön, wenn auch Phoenix Hagen etwas zu feiern hätte. Vielleicht ja noch mehr als den Playoff-Einzug.