Herdecke/Wien. Beim Herdecker TV ist Thomas Wild eine Institution: Seit 25 Jahren spielt der Österreicher für den Verein. Und es sollen Weitere folgen.

Es ist eine beispiellose Geschichte: Wenn Thomas Wild für jeden Kilometer, den er in seinem Leben für den Herdecker TV zurückgelegt hätte, einen Euro bekommen hätte, könnte sich der 44-jährige Tennisspieler wohl ein kleines Eigenheim leisten.

Seit 25 Jahren macht sich der ehemalige österreichische Tennis-Bundesligaspieler immer wieder aus dem rund 900 Kilometer entfernten Wien auf den Weg nach Herdecke, um die Tennis-Herren des HTV zu unterstützen. Macht für einen Spieltag 1.800 Kilometer, in einer Saison mit mindestens fünf Meisterschaftsspielen 9.000 Kilometer und in den vergangenen 25 Jahren rund 225.000 Kilometer. „Tendenziell aber auch schon etwas mehr, weil wir in manchen Spielzeiten auch sechs oder sieben Spiele pro Saison hatten“, sagt der Mann mit dem sympathischen österreichischen Akzent.

Spielervermittler stellt Kontakt her

Alles begann Mitte der 90er Jahre, als Wild als junger, ambitionierter Tennisspieler gerade in der österreichischen Bundesliga aufschlug und parallel sein Wirtschafts-Studium an der Universität Wien antrat. Durch den Tennissport und seine Einsätze in der höchsten Spielklasse des Alpenstaates finanzierte sich Wild die akademische Ausbildung.

Durch einen Spielervermittler kam 1995 der Kontakt zum Herdecker TV zustande, der seiner Zeit in der Westfalenliga antrat. „Der Verein suchte noch nach einem Spieler für die vorderen Positionen. Damals gab es dann noch etwas Geld dafür, dass ich nach Herdecke gekommen bin, da hat mir das Tennisspielen noch das Studium finanziert“, blickt Wild zurück.

Was zunächst als vorübergehende Station in Wilds Tennis-Laufbahn angedacht war, entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer intensiven Beziehung. Und der Österreicher stellte fest: Thomas Wild und der Herdecker TV: Das passt! „Ich habe mich schon in jungem Alter immer sehr wohl im Verein gefühlt. Ich wurde von allen Mitgliedern herzlich willkommen geheißen und wurde behandelt, als ob ich schon seit der Kindheit im Club wäre“, erinnert er sich.

Der entscheidende Faktor dafür, dass Wild in jedem Sommer für den HTV antrat, „war vor allem die familiäre Atmosphäre im Verein. Das hat am meisten dazu beigetragen, dass ich immer wieder gekommen bin“, erzählt er. Mittlerweile ist Wild der dienstälteste Spieler in der Herren Ü30-Mannschaft. Seinen Teamkapitän Philipp Spannagel kennt Wild seit Kindheitstagen. „Philipp habe ich schon auf dem Platz stehen sehen, da konnte er kaum übers Netz schauen“, scherzt er.

Mittlerweile verbindet die beiden eine innige Freundschaft. „Wenn ich zu Spielen komme, übernachte ich teilweise bei Philipp oder bei Tim Gens. Das hat sich über die Jahre so eingespielt“, so Wild.

Übernachtung bei Teamkollegen

Für den 44-Jährigen sind die Spieltags-Wochenenden in Herdecke nämlich mehr als das rein sportliche Kräftemessen in der Ü30-Südwestfalenliga: „Ich reise meist am Freitag an, dann gehen wir abends etwas essen oder unternehmen etwas miteinander. Nach den Spielen am Samstag sitzen wir dann meist noch am Vereinsheim oder gehen später noch etwas trinken in einer Bar. Das hat dann immer etwas von einem Wochenend-Urlaub“, erklärt Wild, der in Wien bei einem Versicherungsunternehmen angestellt ist.

Und auch was seine Fußball-Leidenschaft anbetrifft, kommt Wild in Herdecke voll auf seine Kosten: „Ich bin großer Fan des BVB, das trifft sich natürlich gut Wenn es passt, gehen wir mit der Mannschaft auch mal zu einem Heimspiel ins Westfalenstadion. Da hat man neben dem eigenen Tennis-Spiel dann noch ein weiteres sportliches Highlight am Wochenende“, sagt er.

„Es ist einfach schön, alte Bekannte wiederzutreffen, sich mit den Jungs auszutauschen und beisammen zu sitzen. Das macht mir einfach so viel Spaß, dass ich die ganzen Kilometer gerne auf mich nehme“, erklärt er die Gründe für seine jahrelange Vereinstreue.

„Mit den Jungs habe ich in den letzten Jahren schon so viel durchgemacht, das schweißt einfach zusammen“, so Wild, der mittlerweile fast nur noch mit dem Auto von Wien nach Herdecke reist. „Früher bin ich auch manchmal mit Billig-Airlines von Wien nach Düsseldorf geflogen. Mit dem Auto ist es aber einfach angenehmer, weil man flexibler ist.“

Ob Wild auch noch eine 26. Spielzeit in Herdecke absolviert, steht allerdings noch nicht fest: „Ich versuche den Jungs jedes Jahr zu erklären, dass es meine letzte Saison ist, aber im Endeffekt lasse ich mich immer wieder überreden, weil es einfach so viel Spaß macht. Solange ich der Mannschaft noch helfen kann und mehr Spiele gewinnen als verliere, bleibe ich also denke ich noch weiter dabei“, so Wild.