Hagen. Der Hagener Fabian Maibaum ist Schiedsrichter in der Regionalliga und Assistent in der 2. und 3. Liga. So erlebt er Spiele in der Coronakrise.

Seit Mitte März der Spielbetrieb im Fußball zunächst auf Eis gelegt und die Saison 2019/20 schließlich gänzlich für beendet erklärt wurde, gab es für Hagens Kicker eigentlich nichts mehr zu tun. Der einzige aus dem Hagener Fußball-Wesen, der noch aktiv sein durfte, war Fabian Maibaum vom Hasper SV, der derzeit klassenhöchste Schiedsrichter des Fußball-Kreises Hagen. Der 33-jährige Vertriebsdisponent eines Hasper Autohauses ist als Assistent in der 2. Bundesliga und der 3. Liga sowie als Schiedsrichter in der Regionalliga aktiv. Im Gespräch erzählt er von seinen Erlebnissen im bezahlten Fußball vor und nach der Corona-Pause und über den Umgang mit ungewohnt viel Freizeit.


Fabian Maibaum, im Rückspiegel betrachtet: Wie verlief die letzte Spielzeit im bezahlten Fußball?
Fabian Maibaum: Es war zunächst der übliche Saisonbeginn wie in den Jahren davor auch. Ich habe mittlerweile nach vier Jahren in der 2. Liga natürlich mehr Erfahrung und Routine. Die Ansetzungen kamen in regelmäßigen Abständen, weil die Teamleistung einfach gut war. Auch der Auftakt nach der Winterpause verlief noch ganz normal.

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Wann kamen die ersten Anzeichen, dass es nicht so normal bleiben würde?
Wir hatten Ende Februar einen Schiedsrichter-Lehrgang in Frankfurt. Das Thema Corona-Virus war in den Medien bereits sehr präsent, und auf diesem Lehrgang bekamen wir die ersten Hygienehinweise. Danach hatte ich noch einen Zweitliga-Einsatz in Fürth und ein Regionalliga-Spiel in Jena. Das waren meine letzten Einsätze, dann kam der Lockdown.


Wie wurden Sie in der Zwangspause von der DFB-Schiedsrichter-Kommission betreut?
Wir wurden ständig auf dem Laufenden gehalten, wie es terminlich weitergehen könnte. Anhand von Videoszenen, die zu Hause bearbeitet werden mussten, wurden wir zu verschiedenen Themenschwerpunkten weiter geschult. Und von unserer Athletik-Abteilung bekamen wir wöchentliche Trainingspläne, die auf die Situation zugeschnitten waren.


Seit 20 Jahren Schiedsrichter: Fabian Maibaum
Seit 20 Jahren Schiedsrichter: Fabian Maibaum © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Wie geht man in sportlicher Hinsicht mit der ungewohnt vielen freien Zeit um, wenn man sonst jedes Wochenende in ganz Deutschland unterwegs ist und plötzlich zweieinhalb Monate zu Hause sitzt?
Normalerweise läuft man am Tag nach einem Spiel als Nachbearbeitung noch locker aus, geht auch regelmäßig zur Physiotherapie. Es folgen in der Woche meist zwei, drei Einheiten Ausdauer- und Intervalltraining, um sich auf das nächste Spiel vorzubereiten. In der Pause habe ich aber relativ viel trainiert und mehr gemacht als sonst während der Saison. Unter anderem habe ich einen Halbmarathon bestritten und damit ein sportliches Ziel erfüllt, das ich mir mal vorgenommen hatte.

Und irgendwann kam vom Deutschen Fußballbund (DFB) das Signal: ‘Es geht wieder los.’
Die DFL (Deutsche Fußball-Liga; d. Red.) hatte ein Hygienekonzept erstellt. Das wurde uns per Videokonferenz vorgestellt, vor allem, was uns Schiedsrichter im Besonderen anging. Die Schiedsrichter-Führung hatte dann Anpassungen vorgenommen, um unsere Bedürfnisse ins Gesamtkonzept zu integrieren.


Was hatte sich speziell für die Referees geändert?
Im Gegensatz zur Zeit vor Corona, brauchten wir nicht mehr einen Tag vorher zu den Spielen anzureisen. Die Anreise selbst, die wir sonst meist gemeinsam im Team mit der Bahn durchführten, musste nun einzeln im eigenen PKW erfolgen. So sollten die Kontakte so gering wie möglich gehalten werden. Die Ansetzungen wurden, möglichst heimatnah, so vorgenommen, dass die Anreise an einem Tag möglich war. Dazu wurde auch die Landesverbandsneutralität aufgehoben. Das heißt, dass ich als Westfale auch bei einem westfälischen Verein angesetzt werden konnte.


Am 16. Mai wurde erstmals wieder offiziell Fußball gespielt. Wohin führte Sie ihr erster Einsatz?
Ich war gleich am 16., schon um 13 Uhr, beim Zweitligaspiel VfL Bochum gegen den 1. FC Heidenheim mit dabei und gehörte damit zu den ersten, die wieder auf den Platz durften.

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Wie beurteilen Sie die spezielle Situation an diesem „ersten“ Spieltag im Nachhinein?
Es war klar, dass auf dem ersten Spieltag ein besonderer Fokus liegen würde. Auch wenn es im Vorfeld über das Für und Wider eines Neustarts etliche Diskussionen gegeben hatte, Fußball-Deutschland hatte ja auf den Wiederbeginn gewartet. Man hat da natürlich auch den Druck verspürt, dass alles glatt gehen musste. Man hat auch allen Beteiligten angemerkt, dass die Situation für alle ungewohnt war und keiner etwas falsch machen wollte.


Was war aus Schiedsrichtersicht anders als vorher?
Normalerweise sitzt ein Beobachter auf der Tribüne und analysiert anschließend mit dem Gespann die Partie. Das wurde nun nur am Fernseher gemacht und das Spiel im Nachgang mit dem Schiedsrichter, in speziellen Fällen auch mit den Assistenten, besprochen. Es herrschte für uns Maskenpflicht vom Betreten des Stadions bis zur Ausrüstungskontrolle der Spieler kurz vor dem Anpfiff, für den vierten Offiziellen in den ersten Partien auch während des Spiels. Nach dem Spiel hieß es: duschen und ab nach Hause, um die Aufenthaltszeit im Stadion so kurz wie möglich zu halten.

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Zuschauer waren bei den Spielen bis zum Saisonende nicht zugelassen. Wie haben Sie das erlebt?
Was für mich als Fußball-Liebhaber auch immer einen besonderen Reiz ausmacht, ist es, in ein volles Stadion einzulaufen. Man bekommt sowieso nicht immer alles mit, was von außen hereingetragen wird, weil man sehr auf das Spiel fokussiert ist. Aber ohne die Stimmung im Stadion fehlt einfach etwas.


Die Ansetzungen der Schiedsrichter wurden nicht wie sonst üblich zwei Tage vorher, sondern erst am Spieltag veröffentlicht, wenn für die Referees ein negativer Corona-Test vorlag. Wie muss man sich so einen Test für Schiedsrichter vorstellen, und wer führte den durch?
Da war von den Schiedsrichtern eine immense Flexibilität gefragt, denn wir mussten jeweils am Tag vor den uns vorab angekündigten Einsätzen zu einem Erst-, Zweit- oder Drittligisten oder zu einem Damen-Bundesligisten fahren, die auch zu diesem Zeitpunkt getestet haben. Zu meinen Tests war ich unter anderem bei Borussia Dortmund, Schalke oder Bayer Leverkusen, um den Mund-Nasenabstrich vornehmen zu lassen.

+++Hintergrund+++

Das Hobby als Fußball-Schiedsrichter oder Assistent im bezahlten Fußball ist gerade in Zeiten von Corona sehr zeitaufwendig. Nimmt man mal die vergangene Saisonwoche von Fabian Maibaum mit drei entscheidenden Spielen genauer unter die Lupe, kommt man zu einem ganz engen Zeitplan: Samstag ein Corona-Test in Bochum, Sonntag ein Zweitligaspiel mit FIFA-Schiedsrichter Marco Fritz in Fürth gegen Karlsruhe, Dienstag Test in Köln, Mittwoch das Spiel Viktoria Köln gegen Würzburg, Freitag Test in Duisburg, Samstag Spiel in Duisburg. Acht Tage, sechsmal unterwegs für den Fußball.

Seit drei Wochen Vater

Mit 14 Jahren legte Fabian Maibaum seine Schiedsrichterprüfung ab. Mit 17 leitete er sein erstes Seniorenspiel. Innerhalb eines Jahres schaffte er es von der Kreisliga in die Landesliga.

Weitere jährliche Aufstiege führten ihn schnell zunächst in die Oberliga, drei Jahre später als Schiedsrichter in die Regionalliga sowie als Assistent in die 3. Liga.

2015 schaffte er es als Assistent in die 2. Liga. Mit Referee Thorben Siewer aus Olpe und Mitja Stegemann aus Bonn bildet Maibaum seit Jahren ein Gespann. Er ist verlobt und seit gut drei Wochen Vater eines Sohnes.

Dazu wurde Maibaum vor gut drei Wochen erstmals Vater. Der Umgang mit einem derart zeitintensiven Hobby fordert viel Nachsicht vom Umfeld. „Im Privatbereich kann der Fußball nur im Vordergrund stehen, weil meine Partnerin das nötige Verständnis aufbringt. Sonst hätten wir den Schritt mit unserem ersten Kind auch nicht gemacht“, sagt Maibaum. „Die übrige freie Zeit muss man natürlich zu Hause einbringen, für den Partner da sein, für das Kind da sein.“

Maibaum in Elternzeit

Derzeit befindet sich Maibaum in Elternzeit. Die Rückkehr in den Beruf fällt quasi mit der Sommerpause zusammen. „Bis die Saison wieder losgeht, kann man so einen Schritt nach dem andern machen und dafür sorgen, dass sich das Familienleben einspielt.“ Es gab schon immer Leute, die sich am Schiedsrichter und seiner vermeintlichen Nicht-Leistung abgearbeitet haben. Das war früher auf den Sportplatz beschränkt. In Zeiten von Social Media sieht das ganz anders aus. „Es gab mehrere, die haben mein Profil auf Facebook aufgesucht und mich angeschrieben, weil ich angeblich schlecht gepfiffen oder gewunken hätte. Dass Menschen, vor allem anonym, in denunzierender Art und Weise ihre Beleidigungen über andere Personen verbreiten können, hat mich sehr geärgert, begründet Maibaum, warum er seinen Facebook-Account vor einem Jahr gelöscht hat.

In sportlicher Hinsicht könnte es noch einen Schritt weitergehen. „Ich bin natürlich stolz, dass ich in der 2. Liga aktiv sein darf. Das ist nicht vielen Schiedsrichtern vergönnt.“ Die letzte Saison verlief für Maibaum persönlich sehr gut, und wer weiß, vielleicht ist bald noch die 1. Bundesliga drin. „Natürlich ist das mein Ziel, aber das darf man nicht so verbissen angehen“, bringt Maibaum die dazu nötige Gelassenheit auf. „Wenn ich etwas wirklich Wichtiges sehen will, dann schaue ich zu Hause ins Kinderbett.“