Hagen. Jürgen Lohse achtet als Corona-Beauftragter des TC Schwarz-Gelb Hagen auf die Einhaltung der Hygieneregeln. Warum das nicht so einfach ist.
Beim Betreten der Sportanlage des TSV Hagen 1860 an der Hoheleye wird schnell klar: Irgendwie ist hier alles anders. Ein Konstrukt aus Holzpaletten versperrt die Zufahrt zum Parkplatz vor dem Vereinsheim. „STOP“ steht in grellgrünen Lettern auf den Asphalt geschrieben. Wo sich noch vor einigen Wochen Autos eng aneinander quetschten, sind jetzt Outdoor-Kursräume geschaffen worden. Sport an der frischen Luft – in Coronazeiten ein Renner. 40 Meter weiter steht Jürgen Lohse (47) und blickt zufrieden auf die Tennisplätze an der Hoheleye, die seit einigen Tagen wieder belebt sind.
Corona-Beauftragte sind Pflicht
Elf Tennisspieler und ein Trainer tummeln sich an einem kühlen Mittag auf den Courts, das „Ploppen“ der Bälle ist wieder zu hören. Es ist ein angenehmes Geräusch für Lohse, den Sportwart des TC Schwarz-Gelb Hagen, der Tennisabteilung des TSV 1860. Er ist jetzt öfter als sonst hier, fünfmal die Woche, um genau zu sein. Mal zwei, mal fünf Stunden, mal mehr.
Denn seit ein paar Tagen ist Lohse „Corona-Beauftragter“ beim TC. Jeder Tennisverein muss einen Verantwortlichen stellen, der die Hygiene- und Abstandsregeln einführt und darauf achtet, dass diese auch eingehalten werden. Lohse macht das, „damit der Laden weiter läuft. Wir haben uns im Vorstand zusammengesetzt und schnell stand fest, dass ich das Amt übernehme. Irgendeiner muss es ja machen“, sagt der Sportwart ganz pragmatisch.
Amt mit viel Verantwortung
Das „Amt“, das dem 47-jährigen Lehrer auferlegt wurde, beinhaltet nicht wenige Pflichten. Allein die Worte „Corona“ und „Beauftragter“ lassen ja schon vermuten, dass viel Verantwortung in der Aufgabe steckt. Jürgen Lohse zeigt auf eine Reihe von Aushängen, ausgedruckte Zettel mit Regeln. Wo im letzten noch Sommer noch geschrieben stand, welche Eissorten man sich gönnen kann, heißt es jetzt: „Es gilt immer eine Abstandsregelung von mindestens 1,5 m!“
Lohse hat seinen Humor angesichts der außergewöhnlichen Umstände nicht verloren. „Die Tennisspieler müssten eigentlich eine Stunde vor ihrem Spiel kommen, um sich erstmal alles hier durchzulesen“, scherzt er.
Die neuen Corona-Spielregeln
Auch interessant
Ein grober Umriss der Regeln: Abstand halten, nicht abklatschen, Menschenansammlungen vermeiden, Dusch-, Umkleide- und Gesellschaftsräume bleiben geschlossen und Zuschauer zu Hause. Im Vereinshaus sind Einbahnstraßen mit schwarz-gelben Pfeilen auf dem Boden gekennzeichnet.
Wer also aufs WC muss oder sich ein Getränk am Automaten holt, kommt sich mit niemandem in die Quere. Und bevor man den Tenniscourt betritt, muss man sich erst in eine Liste eintragen. So kann im Fall der Fälle eine Ansteckungskette nachvollzogen werden. Jürgen Lohse prüft das Register. „Hier hat jemand nur sein Initial hingeschrieben. Na ja, manches muss sich noch einspielen.“
Tennisspieler müssen sich erstmal einspielen
Einspielen müssen sich auch die Tennisspieler erst einmal wieder, denn eine fast zweimonatige Sportabstinenz wirkt sich unweigerlich auf die Fähigkeiten mit dem Schläger aus. Aber auch wenn die Kondition bei vielen Akteuren noch zu wünschen übrig lässt und dem Aufschlag die Wucht fehlt: „Wir sind total froh, dass es jetzt erst einmal wieder losgeht. Für uns als Verein mit unseren knapp 300 Mitgliedern ist das ein wichtiger Schritt“, sagt Stefan Finck, erster Vorsitzender der Schwarz-Gelben.
Auch interessant
Er freut sich auch für den Vereinstrainer Benedikt Klenke, der seinen Beruf wieder ausüben kann. Er mache keinen Cent Umsatz, sagte der Trainer vor einigen Wochen im Gespräch mit unserer Zeitung, solange nur Individualtraining erlaubt ist.
Tennistrainer dürfen aufatmen
Wie hunderte andere hauptberufliche Tennistrainer in NRW, kann Klenke wieder aufatmen. Denn am 8. Juni geht ja auch der Spielbetrieb wieder los. Noch wenige Tage haben die Vereine Zeit, um ihre Mannschaft an- oder abzumelden. Die Saison wird auf freiwilliger Basis gespielt. „Von 22 Mannschaften haben sich bisher vier abgemeldet. Tendenz: die Älteren überlegen, die Jungen spielen“, erläutert Lohse.
Nicht wenige Vereinsmitglieder üben Kritik an den Umständen: Fahrgemeinschaften sind untersagt, geduscht werden muss zu Hause. So mache das doch alles keinen Spaß, sagen sie. Dann gibt es wiederum Spieler, die eine Infektion mit dem Coronavirus trotz strenger Hygieneregeln sehr fürchten. „Wir haben natürlich Verständnis, wenn jemand die Saison nicht spielen möchte,“ sagt Sportwart Lohse.
Die Geselligkeit auf der Anlage fehlt
Und es gibt noch einen Grund, warum manche – vor allem ältere Spieler – erst wieder im nächsten Jahr aufschlagen werden: Die Geselligkeit kommt in Zeiten der Kontaktbeschränkung kurz. „Das Zusammensitzen, das Bier oder die Cola nach dem Spiel, das ist doch das, worauf sich viele Tennisspieler die ganze Woche freuen. Das fehlt jetzt einfach“, bedauert Finck.
Wenige Meter weiter vom Klubchef spielen vier Senioren ein Doppel, und sie sind beim Herausposaunen frecher Sprüche untereinander mindestens so engagiert wie beim Retournieren. Der Wettbewerb scheint ihnen gut zu tun. Jürgen Lohse und Stefan Finck beobachten das Geschehen und können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Irgendwie ist alles anders. Aber irgendwie ist auch alles wie immer.