Hagen. Mehr als ein Jahr seiner Karriere hat Marco Hollersbacher durch eine Knieverletzung verloren. Doch er arbeitet weiter am Traum Profi-Basketballer

Es kribbelt, bei jedem Spiel. Es kribbelt, wenn er im Kraftraum an den Geräten schuftet und NBA-Partien über den Bildschirm laufen. Und es kribbelt natürlich in der Krollmann Arena, wenn Phoenix Hagen aufläuft, seine Mannschaft. Doch Marco Hollersbacher muss warten, jetzt schon sehr lange. „Das A und O ist es, geduldig zu bleiben“, weiß der 19-Jährige, „und das ist das schwerste.“ Auch weil in seinem Alter, wenn man durchstarten will, Geduld eher nicht die vorrangige Tugend ist. Aber sein muss, wenn ein Knorpelschaden die Karriere zu beenden droht, ehe sie richtig angefangen hat. Marco Hollersbacher glaubt nach langer Leidenszeit noch an eine Profi-Laufbahn. „2019 war ein weggeschmissenes Jahr“, sagt er, „aber 2020 ist es mein großes Ziel, wieder auf dem Feld zu stehen.“

Zur Person: Marco Hollersbacher

Marco Hollersbacher wurde am 29. Oktober 2000 in Hagen geboren. Er spielte im Nachwuchs der SG VFK Boele-Kabel sowie bei den Phoenix Hagen Youngsters und Juniors in Jugend- und Nachwuchs-Bundesliga. Im Mai 2017 wurde er mit einem Vertrag ausgestattet und in den Hagener Profikader für die 2. Bundesliga ProA aufgenommen.

Früh gehörte Marco Hollersbacher den Jugend-Nationalteams des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) an, nahm an den Europameisterschaften der U16 im Jahr 2016 und der U18 in den folgenden beiden Jahren statt. Bei der U18-EM in Lettland gehörte er zu den stärksten Spielern des deutschen Teams, das Rang sechs belegte.

Trotz seiner schweren Knieverletzung im letzten Jahr verlägerte Phoenix Hagen im letzten Sommer den Vertrag mit ihm um eine Saison. „Wir wollen den Weg mit Marco gehen“, betonte Geschäftsführer Patrick Seidel: „Auch wenn es seine Zeit dauert, bis er wieder im Profisport-Modus sein kann.“ Nach seiner Rehabilitation soll Hollersbacher zunächst verstärkt in Phoenix-Geschäftsstelle und bei Basketball-AGs eingesetzt werden.

Es war sein stärkster Auftritt in der 2. Basketball-Bundesliga, 13 Punkte in nur elf Einsatzminuten erzielte Marco Hollersbacher am 2. Februar für Phoenix gegen die Tigers Tübingen. Die 89:101-Heimniederlage konnte der Jugend-Nationalspieler damit nicht verhindern, doch endlich schien er im Hagener ProA-Team etabliert, sich das Vertrauen von Trainer Chris Harris erarbeitet. Endlich nach mehreren Verletzungen, denn schon 2018 hatte Hollersbacher mit zwei Knieblessuren zu kämpfen, war erst im letzten Moment für die U18-Europameisterschaft im Sommer fit geworden und nach erneutem Rückschlag spät im November in die Zweitliga-Saison eingestiegen.

Gegen Tübingen bestritt Marco Hollersbacher im Februar sein bestes Spiel für Zweitligist Phoenix Hagen - und sein bisher letztes.
Gegen Tübingen bestritt Marco Hollersbacher im Februar sein bestes Spiel für Zweitligist Phoenix Hagen - und sein bisher letztes. © imago/ZUMA Press | Maik Boenisch

Doch der 41. Einsatz in der ProA sollte für den jungen Hagener auch der vorerst letzte sein, für mindestens ein Jahr. In der Trainingswoche danach verletzte er sich erneut am rechten Knie. Und diesmal war es nicht wie im Jahr zuvor, als Hollersbacher sich beim Albert-Schweitzer-Turnier im Einsatz mit dem deutschen U18-Nationalteam die Kniescheibe ausgekugelt hatte, mit ein paar Wochen Pause und intensivem Aufbautraining getan. „Die Ärzte haben mir früh klar gemacht, dass ein Jahr meiner Karriere weg ist“, erinnert sich Hollersbacher, „ich habe da eine harte Diagnose bekommen.“

Für Abitur Operation verschoben

Ein Knorpelschaden wurde bei Hollersbacher diagnostiziert, der in der Folge mehrere Ärzte konsultierte, nicht selten das Ende für eine Sportler-Laufbahn. „Aber Aufgeben war für mich zu keiner Sekunde eine Option“, sagt der Nachwuchs-Profi („Basketball ist mein Leben“): „Solange eine Chance besteht, dass ich meine Basketball-Laufbahn fortsetzen kann, werde ich alles dafür geben.“ Hätten die Ärzte nur ihn gefragt, das räumt er ein, dann hätte er sich sofort operieren lassen: „Doch meine Eltern haben darauf bestanden, dass die Schule an erster Stelle steht.“ Angesichts des nahenden Abiturs am Theodor-Heuss-Gymnasium, für das der Basketballer beim Sport-Leistungskurs auch praktische Prüfungen absolvieren musste, wurden die notwendigen Eingriffe verschoben. „Das Abitur wollte ich auf jeden Fall jetzt machen, das hatte Priorität“, sagt Hollersbacher, mit Schmerzmitteln ging er erfolgreich die Prüfungen am THG - 5000-m-Lauf, 100-m-Sprint und Basketball-Spiel - an: „45 Minuten den Kopf ausschalten und die Zähne zusammenbeißen.“

 Nach seiner Verletzung trainiert  Marco Hollersbacher imk Injoy an seinem Comeback.
Nach seiner Verletzung trainiert Marco Hollersbacher imk Injoy an seinem Comeback. © WP | Michael Kleinrensing

Was für die Monate danach noch in viel stärkerem Maße gelten sollte. Den Knorpelschaden hatte sich Hollersbacher „schon früher beim Fußball eingefangen und über die Jahre mitgeschleppt“, schon in seiner Zeit in der Jugend-Bundesliga war er daran operiert worden. Nun wurde eine Knorpel-Transplantation in zwei Eingriffen notwendig. Zwei Tage nach seinem Abi-Ball kam er am 10. Juli im Wuppertaler St. Josefs-Hospital bei Gelenkchirurgie-Spezialist Kai Russe unters Messer, im ersten Schritt wurden gesunde Knorpelzellen entnommen. Sechs Wochen später - den Termin 28. August hat sich Marco Hollersbacher genau gemerkt - folgte der zweite, größere Eingriff, bei dem die angezüchteten Knorpelzellen wieder ins Kniegelenk eingesetzt wurden. Das nun für sechs Wochen komplett ruhig gestellt wurde.

„Das war eine beschissene Zeit, ich konnte gar nichts machen“, denkt 2,02-m-Mann Hollersbacher zurück: „Selbst im Auto musste ich quer liegen, weil ich so groß bin.“ Für die Zeit der Immobilität zog er aus der Wohngemeinschaft mit Teamkollege Jasper Günther aus und zurück ins Elternhaus: „Ich wollte es Jasper nicht antun, mich rund um die Uhr zu versorgen.“ Lange acht Wochen des Nichtstuns später - unterbrochen nur von regelmäßiger Lymphdrainage und Motivations-Videos von seinen besten Spielen - durfte er sich endlich wieder bewegen und Auto fahren, kehrte in die Talent-WG zurück. In der er gegenüber der Hildegardis-Schule mittlerweile allein wohnt, weil Jasper Günther nach Münster gewechselt ist.

Basketball-Profi bleibt Plan A

Zuschauer an der Phoenix-Bank: Marco Hollersbacher (links) und Niklas Geske.
Zuschauer an der Phoenix-Bank: Marco Hollersbacher (links) und Niklas Geske. © WP | Michael Kleinrensing

Ein Stück Normalität kehrte so zurück, auch bei Phoenix-Spielen kann Marco Hollersbacher seit ein paar Wochen wenigstens auf der Teambank wieder mitzittern. Von der Rückkehr aufs Parkett ist der 19-Jährige aber noch weit entfernt. Tägliche Physiotherapie in der Praxis von Phoenix-Physiotherapeut David Lopez und Einheiten im Kraftraum absolviert er bisher, Phoenix-Athletiktrainer Jonas Müller-Preuß schreibt ihm die Trainingspläne dazu. Das operierte Knie darf dabei noch nicht belastet werden, das gilt auch noch mindestens zwei Monate. „Der Knorpel muss sich erst bilden, da muss ich die Biologie machen lassen“, weiß Hollersbacher um die notwendige Geduld. Ende Februar steht eine entscheidende MRT-Untersuchung an, sechs Monate nach der Knorpel-Transplantation könnte er im besten Fall wieder langsam mit dem Muskelaufbau beginnen.

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Die Saison 2019/2020 findet also komplett ohne den Forward statt, den Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel zu den Top fünf seines Jahrgangs in Deutschland zählt. „Mein Ziel ist es, in der Vorbereitung auf die nächste Saison wieder zu 100 Prozent fit zu sein“, sagt Hollersbacher, „dann wäre alles perfekt gelaufen.“ Seinen Traum einer Karriere im Leistungssport hat der Hagener, der in jungen Jahren schon etliche schwerere Verletzungen überstanden hat, jedenfalls noch nicht aufgegeben. „Mit 19 bin ich ja noch jung, mein Fokus gilt weiter dem Profi-Basketball“, sagt er, „und wenn es nichts werden sollte, bin ich auch erst 20. Dann kann ich mich immer noch auf einen anderen Weg konzentrieren.“ Mit dem Abitur unter Schmerzen, für das die Knie-Operationen warten musste, habe er die Grundlage gelegt. Für Plan B, Plan A bleibt der Basketball.

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