Hagen. Das Aufstiegsspiel mit Rot-Weiß Hagen verpasst er, doch die Vorfreude wächst: Mitte August wechselt Tennis-Talent Marwin Kralemann ans US-College.
Die Saison war makellos bisher, die Krönung steht noch aus. Am 22. September treffen die Tennisherren des TC Rot-Weiß Hagen in der Relegation auf den Lüdenscheider TV, es geht um den Verbandsliga-Aufstieg. Hagens Nummer eins wird dann nicht dabei sein – aus gutem Grund: Marwin Kralemann wechselt im August an ein US-College in San Antonio/Texas, um seinem Traum von einer Profi-Karriere voranzutreiben. „Für viele führt der Weg vom College zum Profi-Tennis“, weiß der 18-Jährige: „Es ist eine Chance, wenn ich sie jetzt nicht nutze, bereue ich es.“
College statt Verein
In Deutschland findet leistungsorientierter Sport in der Regel in traditionellen Vereinen statt, die in den unterschiedlichen Ligen jährlich um den Auf- und Abstieg kämpfen. Ein solcher Vereinssport existiert in Amerika nicht, denn dort findet der Spielbetrieb an den Colleges statt. Die jeweiligen Mannschaften werden im Kampf um die nationalen Meisterschaften von ihren Universitäten finanziell unterstützt, so dass diese meist mit modernen Sportanlagen und gutem Equipment ausgestattet sind.
Der Spielbetrieb teilt sich in die drei Divisionen (Divisionen I, II und III) der NCAA und in die NAIA auf, wobei dieses System nicht dem deutschen Ligensystem entspricht. Die Zuordnung der Colleges zu den einzelnen Divisionen der NCAA bzw. der NAIA ergibt sich u.a. aus der Anzahl der Sportteams, dem Budget der Universität und der Größe des Athletic Department.
Der Wechsel an ein amerikanisches College nach dem Abitur, um dort die Basis für eine professionelle Laufbahn zu schaffen, ist für heimische Sport-Talente nicht ungewöhnlich. Bisher waren es vornehmlich Basketballer, die diesen Weg gegangen sind, vor Jahrzehnten der spätere Nationalspieler Oliver Herkelmann, dann Thomas Reuter, aktuell ist der zuvor bei den Phoenix Youngsters spielende Vladimir Pinchuk in New Mexico. Mit Marwin Kralemann wechselt nun erstmals ein junger Tennisspieler an eine amerikanische Hochschule. „In den USA bietet sich eine gute Kombination, Tennis und Studium zu verbinden, die man in Deutschland so nicht finden kann“, erklärt Rot-Weiß-Trainer Nils Langer, selbst ehemaliger Profi auf der ATP-Tour, hier könne man nur entweder studieren oder sich auf Tennis fokussieren.
„Nach der Schule habe ich mich gefragt, wie ich meinen Traum vom Tennis-Profi weiter angehen kann“, sagt Marwin Kralemann, der sein Abitur im Frühjahr am Schwerter Bährens-Gymnasium abgelegt hat. Finanziell sei das in Deutschland schon angesichts der Trainer-Kosten mit einem sehr hohen Aufwand verbunden, ein Stipendium an einem US-College sei da als Sprungbrett zu einer professionellen Karriere eine gute Möglichkeit. Mit Hilfe einer Agentur legte der gebürtige Herdecker, der seit 2012 für den TC Rot-Weiß spielt, ein Profil von sich an, ein Video wurde erstellt: „Damit sich die Coaches in den USA ein Bild von mir machen können.“
Private Hochschule in San Antonio
Für den amtierenden U18-Westfalenmeister im Einzel und Doppel, aktuell auf Platz 34 in der deutschen Rangliste seiner Altersklasse, kamen mehrere Angebote von US-Hochschulen. In Interviews per Skype mit College-Trainern konnte er sich ein Bild von den Schulen machen, diese wiederum sondierten Kralemanns Motivation oder Englisch-Kenntnisse. Letztlich entschied er sich für die „University oft he Incarnate Word“, eine private katholische Hochschule in der texanischen Millionen-Metropole San Antonio. Mit ihrer Athletik-Fakultät – als Incarnate Word Cardinals treten 23 Teams in verschiedenen Sportarten von Baseball und Football bis zu Golf, Schwimmen oder Frauen-Fußball - zählt sie zur höchsten NCAA1-Division in der Southland-Conference. Nach Gesprächen mit Tennis-Chefcoach Jonas Andersson war Kralemann überzeugt: „Aus meiner Sicht ist das die bestmögliche Uni für mich.“ Zumal 90 Prozent der Uni-Gebühren – knapp 50000 Euro jährlich – durch ein Stipendium gedeckt sind.
Mitte August nach einigen letzten Turnieren in Westfalen fliegt das Rot-Weiß-Talent nach Texas, für eine Woche können sich die internationalen Studenten dann vor Ort orientieren, ehe das Semester startet. Kralemann wird ein Appartement auf dem Campus beziehen, seine Zimmerkollegen kommen aus Miami, Kroatien und Schweden. Er studiert Informatik und gehört dem etwa neunköpfigen Tennis-Team der Cardinals an. „Im Herbst wird viel trainiert, dazu spielen wir internationale College-Turniere im Einzel oder Doppel“, hat sich Kralemann informiert, „im Frühjahr stehen dann die Mannschafts-Wettbewerbe mit zwei bis drei Spielen pro Woche an.“ Mit dem Ziel, es zum „Championship Tournament“ zu schaffen, wo der US-Meister ermittelt wird.
20 Stunden Training pro Woche
Schon aktuell trainiert der 18-Jährige täglich in der Bredelle, kommt so auf etwa 14 Stunden pro Woche, am College werden es laut Team-Trainingsplan 20 sein: „Plus Einzeltraining in den Bereichen, in denen man sich verbessern will.“Mit dieser Förderung hofft Kralemann, von dem Trainer Langer sagt, er „spiele eher aggressives Tennis“ und sei „nicht so der Läufer-Typ“, über eine in der Regel vierjährige College-Zeit den Weg in eine professionelle Karriere zu finden. Und in jedem Sommer – zwischen Mai und August – will er neben Turnieren weiter für seine (Hagener) Mannschaft spielen. Vielleicht im nächsten Jahr dann in der Verbandsliga. „Leider bin ich beim Entscheidungsspiel von Rot-Weiß ja schon am College“, sagt er, „aber ich hoffe, dass meine Mannschaft auch ohne mich den Aufstieg schafft.“