Hagen/Freiburg. Der Hagener Torwart Niclas Thiede hat den Sprung in den Fußball-Bundesliga-Kader des SC Freiburg geschafft. Ein Interview:
Der Hagener Niclas Thiede (20) hat das geschafft, wovon viele Kinder träumen – einen Profivertrag in der Fußball-Bundesliga. Der am Ischeland aufgewachsene Torhüter hat in seiner Jugend beim SSV Hagen angefangen und sich dann bis zum Regionalliga-Team des SC Freiburg hochgespielt. In diesem Sommer hat Thiede seinen ersten Profivertrag unterschrieben und steht nun im Bundesliga-Kader der Freiburger. Erst neulich stand er im Testspiel gegen Zweitligist VfB Stuttgart zwischen den Pfosten und hat Torschüsse von Mario Gomez pariert. Zurzeit weilt Niclas Thiede mit den Freiburgern im Trainingslager im österreichischen Schruns. In einem Interview sprach der junge Torhüter über seine ersten Profi-Eindrücke und die nächsten Ziele.
Zur Person: Niclas Thiede
Niclas Thiede hat den SSV Hagen im Alter von elf Jahren verlassen. Über die Jugend-Stationen FC Iserlohn, Borussia Dortmund, Rot-Weiss Essen und VfL Bochum ging es dann zum SC Freiburg. In der Regionalliga West kam Thiede in der vergangenen Spielzeit 2018/19 insgesamt 19 Mal zum Einsatz und absolvierte 1710 Spielminuten.
Thiede debütierte am 13. November 2016 beim 3:2 gegen Irland in Spanien für das U18-Nationalteam, spielte bisher insgesamt achtmal für die Auswahl-Teams des Deutschen Fußball-Bundes. Für die deutsche U20 trat er am 26. März diesen Jahres beim 2:0-Sieg in Polen an
Niclas, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum ersten Profivertrag! Geht ein Traum in Erfüllung?
Niclas Thiede: Vielen Dank! Auf jeden Fall, ich bin sehr glücklich und auch stolz, diesen Sprung geschafft zu haben. Ich glaube, davon träumen sehr viele Kinder und auch noch Erwachsene, daher ist das natürlich keine Selbstverständlichkeit, diesen Beruf jetzt ausüben zu dürfen.
Wie wichtig war bisher der Rückhalt der Familie?
Ohne die wäre das alles natürlich nicht möglich gewesen, da ich drei bis viermal in der Woche zum Training gefahren werden musste und die Schule natürlich auch noch sehr viel Zeit eingenommen hat. Meine Freundin hat mich die letzten drei Jahre auch sehr unterstützt, sowohl beim Fußball als auch bei vielen privaten Dingen, die ich aufgrund der Entfernung zu meiner Familie dann mit ihr ausmache.
Zuletzt kamen Sie gegen den VfB Stuttgart zum dritten Mal in der Vorbereitung zum Einsatz. Wie fühlt es sich an, plötzlich Torschüsse von Mario Gomez zu parieren? Waren Sie nervös?
Natürlich ist man immer angespannt vor solchen Spielen, man schaut sich ein oder zwei Tage vorher die Gegner an. Und wenn dann Mario Gomez da steht, ist das schon etwas Besonderes. Ich bin sehr froh, jetzt viele Spiele zu machen, das ist aber auch mein Anspruch. Ich bin noch jung, da ist es sehr wichtig, auf maximale Spielzeit zu kommen, besonders in der Vorbereitung.
Sie sind momentan als dritter Torhüter bei den Freiburgern geführt. Rechnen Sie sich Chancen auf Einsatzzeit aus - oder sind die Rollen erst einmal klar verteilt?
Im Fußball kann alles sehr schnell gehen, man kann immer mal reinrutschen und dann muss man natürlich Leistung bringen. Ich werde meine Spielzeit in der U23 (Regionalliga Südwest) bekommen und alles weitere wird sich ergeben. Es ist aber nicht so, dass ich mir keine Chancen auch in der Bundesliga ausrechne, das ist das übergeordnete Ziel.
Von Rodekamp bis Antwi-Adjej
Nicht viele Fußballer aus Hagen haben es bisher in die Bundesliga geschafft. Ein Überblick:
Sogar drei Länderspiele bestritt der 1998 verstorbene Walter Rodekamp, in der Jugend bei TSV 1860 und SSV Hagen, der für Hannover 96 insgesamt 123 Mal in der Bundesliga antrat.
Giovanni Federico (39), der ebenfalls beim SSV Hagen begonnen hat, war für 1. FC Köln, Borussia Dortmund und den Karlsruher SC 30 Mal im Oberhaus im Einsatz.
Abwehrspieler Patrick Fabian (31) ist seit 19 Jahren für den VfL Bochum aktiv, hatte dort sechs Erstliga-Einsätze. Auch Gaetano Manno (37), gerade zur SpVg. Hagen 11 gewechselt, bestritt die zwei Bundesliga-Spieler in seiner langen Profi-Karriere für den VfL Bochum.
Torwart Ralf Eilenberger (53) vom Hasper SV absolvierte insgesamt 54 Bundesligaspiele für die SG Wattenscheid 09.
Benjamin Knoche (39) hatte 1997 einen Erstligaeinsatz bei Borussia Dortmund. Salvatore Gambino (35), in Hagen geboren, aber für keinen Hagener Verein aktiv, spielte 45 Mal für Borussia Dortmund.
Noch keinen Erstliga-Einsatz hatte bisher Christopher Antwi-Adjej, der mit dem SC Paderborn gerade in die Bundesliga aufgestiegen ist.
SC-Coach Christian Streich kommt im Fernsehen manchmal sehr impulsiv herüber. Wie ist er tagtäglich als Trainer?
Beides (lacht). Er kann manchmal ganz ruhig sein, aber im nächsten Moment stachelt er uns an und wir sind voll da. Ich denke, die Mischung ist sehr gut und das macht ihn authentisch.
Wie intensiv ist die Vorbereitung bei den Profis? Gibt es außerhalb des Trainings klare Linien wie etwa Ernährungspläne?
Die Vorbereitung frisst schon einige Körner, alles ist schneller, komplexer und körperlicher. Auch außerhalb des Trainings werden uns viele Sachen abverlangt, jeder Spieler hat unterschiedliche Arten der Ernährung. Manche essen nur vegan, manche vegetarisch und manche zum Beispiel nur Dinkelprodukte. Mir ist es sehr wichtig, woher mein Essen kommt. Ich bin kein Fanatiker, der sagt, alles was Weizen enthält, ist schlecht. Aber ich versuche darauf zu achten, dass ich möglichst viel Dinkel esse, Bioprodukte - und kein Fast Food oder ähnliches. Dazu kommt eine ausgiebige Trainingsnachbereitung, die gut und gerne zwei Stunden einnehmen kann. Dazu zählen Physiotherapietermine, Mobilitätsprogramme vor und nach dem Training, Yoga und Wellness.
Sie gehören der U20-Nationalelf an. Geht es danach in der U21 weiter?
Ich habe noch ein weiteres Jahr U20 vor mir, kann aber auch für die U21 spielen. Da dort aber auch ältere Spieler eingesetzt werden dürfen, wird man sehen, ob es reicht. Die Hauptsache ist, dass ich für Deutschland spielen darf, und da ist es letzten Endes egal, wo das ist.
Wie oft besuchen Sie Familie und Freunde in Hagen? Ist dafür bald überhaupt noch Zeit?
Es ist sehr wenig Zeit leider, es beschränkt sich eigentlich auf die Sommerpause und die Feiertage zwischen Weihnachten und Neujahr. Sollten spontan mal während der Saison zwei Tage frei sein, komme ich meistens vorbei, aber das ist meist der Montag und dienstags geht es dann wieder zurück nach Freiburg. Da sieht man nicht allzu viele. Meine Freundin und mein Vater kommen allerdings regelmäßig zu meinen Spielen- Da ist jedes Auswärtsspiel eigentlich ein Heimspiel für meine Familie, denn weiter als Freiburg geht es zum Glück nicht mehr.
Gibt es im Profifußball für Sie ein großes Vorbild?
Mein Vorbild ist und bleibt Oliver Kahn. Er hat dieses gewisse Etwas, diese Mentalität und den Ehrgeiz, Erfolge zu erlangen. Diese Leidenschaft für den Fußball habe auch ich, aber da ist noch viel Potenzial. Ich glaube, wenn jemand mal über mich sagt „Der ist wie der Oli früher!“, dann wäre ich schon sehr stolz.