Wetter. . Coach Kris und Psychologin Yara Bremer verraten, wie Bewegung bei psychischen Erkrankungen hilft. Darauf sollten Betroffene achten.

Immer mehr Menschen erkranken an Depressionen. Für Deutschland schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Betroffenen auf 4,1 Millionen, Depression werde demnach 2020 neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen die meisten gesunden Lebensjahre rauben. „Umso wichtiger ist herauszufinden, was man präventiv als auch therapeutisch tun kann“, sagt Psychologin Yara Bremer. Darum widmet sich Coach Kris, der selbst an Depressionen erkrankte, in dieser XL-Kolumne der Frage, welchen Effekt Sport auf psychische Erkrankungen haben kann.

Wie macht sich eine Depression bemerkbar und worauf sollte man achten?

Yara Bremer
Yara Bremer © Privat

Yara Bremer: Generell muss man sagen, dass es nicht die eine Depression gibt. Die Symptome und Ursache sind unterschiedlich. Erkennen kann man Depressionen an verschiedenen Symptomen wie etwa gedrückter Stimmungslage, Traurigkeit und Verlust an Freude und Interesse. Zudem können Antriebslosigkeit, Appetitverlust, Schlafstörungen, innere Unruhe, Gereiztheit, Gefühle der Wertlosigkeit, vermindertes Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Konzentrationsstörungen bis hin zu Suizidgedanken auftreten.

Kann Sport bei psychischen Krankheiten wie Depression helfen?

Yara Bremer: Sport hat definitiv einen positiven Effekt auf den Rückgang depressiver Symptomatik. Zwar lässt Sport allein die Depression in den meisten Fällen nicht komplett verschwinden, da es weniger an den Ursachen ansetzt. Jedoch ist Sport häufig ein gutes Hilfsmittel, um Symptomen entgegenzuwirken. Meine Erfahrungen als Psychologin zeigen, dass eine Kombination aus sportlicher Aktivität, Erhöhung der sozialen Kontakte, Einführung einer Tagesstruktur und psychologischen Gesprächen einen stärker positiven Effekt haben kann als nur eines der Aspekte allein.

Wie lässt sich der positive Effekt von Sport erklären?

Yara Bremer: Hierzu gibt es in der Forschung mehrere Ansatzpunkte. Sport bietet eine Möglichkeit, sich abzulenken von wiederkehrenden negativen Grübelgedanken. Sport aktiviert außerdem ein Enzym (Tryptophan-Hydroxylase TPH), das für die Biosynthese von Serotonin verantwortlich ist, somit wirkt es wie eine bestimmte Klasse der Antidepressiva. Außerdem zeigen Studien einen direkten Zusammenhang zwischen Übergewicht und Depression. Zudem kann Sport das Selbstwirksamkeitserleben als auch das Selbstwertgefühl steigern. Einerseits dadurch, dass wir uns in unserem Körper wohler fühlen und andererseits dadurch, dass wir selbst etwas unternehmen können, um die Depression zu besiegen.

Welche speziellen Hürden gibt es bei depressiven Menschen?

Yara Bremer: Natürlich ist es für depressive Menschen eine große Herausforderung Sport zu treiben. Für einige ist es schon schwierig, aus dem Bett aufzustehen. Zudem spielen häufig auch Schamgefühle oder die Angst zu Scheitern eine Rolle. Daher ist es bei schwereren Ausprägungen häufig nur mit Unterstützung möglich, den Symptomen zu begegnen. Dabei helfen können je nach Schwere stationäre oder teilstationäre psychiatrische Kliniken, hier wird häufig Sport auch mit ins Therapieprogramm integriert, ambulante Psychotherapie, aber auch Selbsthilfegruppen.

Coach Kris: Ich habe mich selber früher zurückgezogen und Sport war damals für mich ein Tabuthema. Ins Fitnessstudio bin ich trotz Mitgliedschaft nicht gegangen – stattdessen habe ich während der „Trainingszeit“ mein Geld heimlich für Fast Food ausgegeben. Bei meinem ersten Training nach der Ernährungsumstellung habe ich mich unwohl gefühlt, aber mir hat geholfen: Machen anstatt denken. Ich habe mir das Ziel gesetzt, drei mal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen und gründete so eine neue Routine, welche später zur Gewohnheit wurde.

Welche Sportarten und welche Sportintensität eignet sich?

Yara Bremer: Grundsätzlich gilt: erstmal jede Sportart ist gut. Die Ziele sollten nicht direkt zu hoch gesteckt werden. Zu Beginn reicht es häufig schon, das Haus zu verlassen und einen Spaziergang zu machen. Auch die Intensität ist zunächst nicht wichtig. Es kommt vielmehr darauf an, sich realistische Ziele zu stecken, um noch mehr Frustration zu vermeiden. Sport kann auch mit anderen angenehmen Dingen verbunden werden, zum Beispiel mit Musik oder einer schönen Strecke. Nach Studienlage ergibt sich der höchste antidepressive Effekt bei einer moderat intensiven sportlichen Aktivität für 30 Minuten an fast allen Tagen der Woche.

Coach Kris: Ich finde es wichtig, dass der Erkrankte Spaß daran findet. Denn wer Spaß an einer Tätigkeit hat, führt sie beständiger und sehr wahrscheinlich auch langfristiger aus. Ziel sollte es auch sein, dass das Training auf irgendeine Art und Weise so gestaltet wird, dass es sich steigert. So kann der Erkrankte Fortschritte sehen, die ihn motivieren. Oft unterschätzen Erkrankte ihre Leistungen enorm.